Night of the Laughing Dead

Der Lebenszyklus eines Genres findet per definitionem einen traurig-komischen Abschluss. Hat das Publikum die Wiederkehr eines Topos mit leichten Variationen über, macht sich dies nicht ausschließlich durch sinkende Verkaufszahlen, sondern auch durch einen humoristischen Trend bemerkbar: die Genreparodie. Der Zombiefilm steht wie seine namensgebenden Figuren immer wieder von den Toten auf, speziell seit Beginn unseres Jahrzehnts haben die Untoten einen neuen Schub an Popularität erfahren, und das nicht zuletzt durch Zack Snyders furioses Remake des George A. Romero Klassikers „Dawn of the Dead“.

zombielandBereits 2004 präsentierte Edgar Wright die Genrefarce „Shaun of the Dead“, die dank gekonnter Filmzitate und wenig versteckter Sozialkritik bei Aficionados auf Begeisterung traf. Es wurde einmal mehr deutlich, dass eine Parodie durchaus ein Genre aufs Korn nehmen darf und dennoch gleichzeitig nicht zur Bedeutungslosigkeit verdammt sein muss. Versatzstücke diverser Zombiefilme inklusive der althergebrachten Tötungstechnik, dem Kopfschuss, sowie furiosen Verfolgungsjagden, in denen Horden von Zombies einer Handvoll Menschen nachstellen finden sich neben humoristischen Umwandlungen der Genre-Ikonographie.

Ruben Fleischers „Zombieland“ greift einige dieser Versatzstücke wieder auf und schmeckt das Sujet noch mit einer Prise Cowboy ab. Woody Harrelsons Rolle entspricht einer Mischung aus einem trinkfreudigen Dirty Harry und einer gesprächigen Version des Joe in Sergio Leones Dollar-Trilogie, also einem überdrehten Clint Eastwood der 1960er und 70er Jahre. Dass diese Art von überzogenem Einzelkämpfer ohne Furcht, der stets einen guten Spruch auf den Lippen hat, eine Parodie auf den durchschnittlichen Actionfilm-Held und den stereotyp amerikanischen Westerner der Blütezeit des Western (mitsamt des versteckten Traumas eines verlorenen Kindes) ist, sei hier nur am Rande erwähnt.

ZOMBIELANDDer von Phobien geplagte Loser Columbus (Jesse Eisenberg) (über-)lebt seit geraumer Zeit in den von einer Zombieplage überrannten Vereinigten Staaten Amerika, die liebevoll umgetauft wurden in „United States of Zombieland“. Um seine Überlebenschancen zu erhöhen, hat er – wie es sich für Filme des postapokalyptischen Infektionskinos ziemt – eine Liste von Regeln erstellt. So ist es zwingend erforderlich, dass man zum Beispiel regelmäßig Ausdauertraining betreibt, s ich vor körperlich belastenden Tätigkeiten aufwärmt, Zombies immer zweifach erschießt und Toilettenräume mit Vorsicht genießt, damit man nicht im verletzlichsten Moment von einem unter der Tür hereinkriechenden Zombie überrascht wird. Von seiner Familie entfremdet, lebte der junge Mann schon vor der Katastrophe einsiedlerisch, spielte World of Warcraft und hielt sich von Menschen fern. Seitdem jedoch kaum noch Menschen anzutreffen sind, verspürt er den Drang, seine Familie zu finden, und zurück in die Reste der Gesellschaft zu kehren. Auf seinem Weg trifft er den großmäuligen Redneck Tallahassee (Woody Harrelson), der ihn unter seine Fittiche nimmt.

Tallahassee, der überzeugt davon ist, dass wirkliche Namen nur für eine zu starke Bindung und somit Problemen führen, benennt andere Menschen nach dem Ort, an den sie vorgeben zu reisen. So treffen die beiden auch noch auf Wichita und Little Rock, zwei Schwestern, die bereits vor der Zombie-Apokalypse als Betrügerpaar ihr Geld verdienten und auch jetzt Columbus und Tallahassee erst einmal übers Ohr hauen. Zombieland wäre aber kein Hollywood-Film, wenn sich die vier nicht doch noch zusammenraufen und ihre Reise ins Ungewisse gemeinsam fortsetzen würden. Die beiden Schwestern haben den Funpark „Pacific Playland“ zum Ziel, damit die kleine Little Rock wenigstens noch einmal ihre Kindheit genießen kann. Dass die Wiederaufnahme des Parkbetriebs inklusive Festbeleuchtung Unmengen an Untoten anlockt und für ein furioses Finale sorgen muss, ist absehbar. Offensichtlich ist dieser Schauplatz eine Umwandlung des Konsumtempels in Romeros Dawn of the Dead, ein grell-bunter Ort, der Menschenmengen anzieht.

zombieland2Die Reise ist wie eine Initiation für Columbus. Seine Identitätsfindung durchläuft tatsächlich Arnolds van Genneps Dreiphasenstruktur: die Separation vom alten Leben, die ‚Marge‘ (Übergangsriten; in Columbus‘ Fall die gesamte Reise mit all ihren Schwierigkeiten) und abschließend die ‚Agrégation‘, die Angliederung, in der Columbus sich in seiner neuen Rolle eingelebt hat. Die Übergangsphase, die ‚Marge‘, wurde im Übrigen von Victor Turner anlehnend an van Gennep als „betwixt and between“ beschrieben, also wie eine Reise durch ein Niemandsland, was sehr treffend für Columbus‘ Situation ist. Er muss seine rigiden Regeln redigieren, seine Phobien überwinden und über den eigenen Schatten springen, um am Ende doch das Mädchen zu bekommen.

Die vier Reisenden bemerken nach dem großen Showdown im Funpark die Sinnlosigkeit ihrer von einander unabhängigen Familiensuche in einer entvölkerten Welt und schließen sich zu einem neuen Familientypus, der postapokalyptischen Zweckgemeinschaft mit Sympathien zusammen.
Der MacGuffin dieses Films ist nicht etwa eine alles zerstörende Waffe oder ein Gegengift; was Tallahassee voran treibt ist die Suche nach dem letzten Twinkie. Dieses zuckersüße Backwerk mit Cremefüllung steht für die Erinnerung an Kindheitstage, an eine heile Welt, in der nicht gesamte Familien in verwesende, aggressive Horden verwandelt wurden. Als Little Rock ihm zum Ende des Films das heiß ersehnte Stück Teig zuwirft, wird die Bindung der Gruppe bestätigt.

Freunde der von Romero begründeten Tradition der bedeutungsschweren Zombiefilme wären von Zombieland möglicherweise enttäuscht. Selbstverständlich liegt diesem Film eher weniger tiefgründige Sozialkritik zugrunde, der Comedy-Aspekt überwiegt. Das Budget für Special Effects hat sich gelohnt, denn bereits der Vorspann, gekonnt hinterlegt mit Metallicas „For whom the bell tolls“, füllt einen Fan dieses Genres mit Vorfreude. Der Film ist ein buntes Spektakel, das für viele Lacher und anderthalb Stunden guter Unterhaltung ohne großartige Längen sorgt. Hinzu kommt ein Gastauftritt eines sehr bekannten Schauspielers, der seine Fähigkeit zur Selbstreflektion unter Beweis stellt und für den es sich allein schon lohnt, den Film zu sehen.

Zombieland
(USA 2009)
Regie: Ruben Fleischer; Buch: Rhett Reese, Paul Wernick ; Schnitt: Alan Baumgarten; Kamera: Michael Bonvillain; Musik: David Sardy
Darsteller: Jesse Eisenberg, Woody Harrelson, Emma Stone, Abigail Breslin
Länge: 88 min.
Verleih: Sony Pictures

Jana Toppe

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