Making Friends

Die kleine May schielt auf einem Auge. Das ist der Grund, warum sie von den Kindern gemieden wird und keine Freunde hat. Und deshalb bekommt sie von der Mutter eine Puppe geschenkt, denn „wenn man keine Freunde hat, dann muss man sich welche machen“. Als May erwachsen ist – ein junge Frau, die als Tierkrankenschwester und Operationsassistentin arbeitet – hat sie ihre Puppe immer noch und immer noch ist es ihre einzige Freunden. Denn May lebt schüchtern in sich zurück gezogen. Das ändert sich an dem Tag, als sie Adam kennenlernt, in den sie sich wegen seiner schönen Hände verliebt. Es beginnt eine vorsichtige Freundschaft und Liebe, die jedoch jäh endet, weil May nicht weiß, wie man sich verhält und die Wünsche Adams entweder nicht erfüllen kann oder falsch interpretiert. Zudem beginnt Mays Arbeitskollegin Polly homoerotische Annäherungsversuche bei May, auf welche diese nur zögerlich eingeht. Doch weil sie den Hals ihrer Kollegin schon immer sehr schön fand und beseelt von dem Wunsch einen echten Freund zu haben, lässt sie sich schließlich darauf ein … und wird prompt wieder enttäuscht, denn lebt Polly sexuell sehr ausschweifend und kann Mays Exklusivitätsansprüchen nicht gerecht werden. May fühlt sich mehr und mehr verraten und gibt dafür der Puppe schuld, die sie – imaginär – in allen Liebesfragen beraten hat.

Lucky McKees Debütfilm May erzählt einfühlsam und mit feinem Gespür für seine Hauptfigur das ewige Drama zwischenmenschlicher Beziehungen. May agiert, wie wohl alle Teenager auf diesem Gebiet, mit Unsicherheit, Wut und Enttäuschung, mehr über sich selbst als über diejenigen, die sie verletzen. Die „augenscheinliche“ Behinderung, mit der May zurechtkommen muss, ist dabei nur eine symptomatische Entsprechung all derjenigen Unsicherheiten physischer und psychischer Natur, die in der Adoleszenz eine so große Rolle spielen. Am Ziel der Entwicklung steht immer, dass sich der Heranwachsende als Mensch akzeptiert und damit die Basis für zwischenmenschliche Beziehungen schafft, in der die eigenen Wünsche eine genauso große Rolle spielen, wie die der Partner. Doch bei May findet dieser Schritt nicht statt, denn der Film erzählt eine andere Variante.

May ist über ihre Puppe enttäuscht. Sie stellt sie einer Gruppe von blinden Kindern vor, die sie ehrenamtilich nachmittags betreut. Als die Kinder ihr die Puppe entreißen, weil sie mit ihr spielen wollen und nicht verstehen können, dass sie für May durchaus kein Spielzeug ist, wird die Puppe zerstört. May – nun ganz allein – ersinnt getreu dem Motto ihrer Mutter „wenn du keine Freunde hast, mach dir welche“ nun einen Plan, einen neuen Lebensgefährten zu bekommen, der dieses Mal ganz ihren Wünschen entspricht. Sie entschließt sich, die fetischistischen Beziehungen zu den Körperteilen ihrer Mitmenschen auszuleben. Mit einer Kühlbox und einer Tasche voll chirurgischer Bestecke bewaffnet zieht sie los und bringt alle diejenigen um, deren Körperteile sie schon immer besonders attraktiv fand. Zuhause angekommen mit einer Kühlbox voller menschlicher Einzelteile schneidert sich die begabte Näherin eine neue Puppe.

May ist ein außergewöhnlicher Film, weil er es schafft, die Charakterisierung seiner Figuren trotz der „grauenhaften“ Handlung stets im Vordergrund zu behalten. Zu keiner Zeit stehen die Effekte im Vordergund. Alles was geschieht, geschieht in Relation zur Entwicklungsgeschichte Mays. In den Momenten besonderer Grausamkeit verzichtet der Film auf dramatisierende Musik oder detailfreudige Einstellungen und zeigt anstelle dessen immer May in Relation zu ihren Opfern. Für eine solche Konzentration braucht es Darsteller, die emotionale Tiefe verkörpern können. In der 28-jährigen Angela Battis hat der Film seine Idealbesetzung gefunden. Bereits im Remake des Stephen King-Films Carrie konnte die Texanerin die Ängste und Aggressionen der heranwachsenden Carrie White authentisch wiedergeben. Eine Figur, die May sehr ähnlich ist. Auch die Antagonisten leisten ganze Arbeit: Scary Movie-Queen Anna Ferris strahlt die selbstbezogene Promiskuität, die May zum Verhängnis wird, in jedem Detail ihres Spiels aus. Und Jeremy Sisto, der Mays Freund/Ex-Freund Adam spielt, spiegelt genau die Mischung aus Faszination und die Angst wider, die bei zu viel Nähe mit May zwangsläufig aufkommt. Adam ist der rationale Hauptdarsteller des Films und in gewisser Weise der Identifikationspunkt für das Publikum.

Filme wie May stehen für einen Zweig des Horror-Genres, das sich gegen die Dichotomisierung in Gut und Böse und für die Emphatie mit dem Täter als Opfer stellt. Auch in dieser Hinsicht ist May ein Frankenstein-Stoff. Durch die brillante Zeichnung der Figuren und die auf einfühlsame Weise erzählte Geschichte fasziniert der Film und wird zum nachhaltigen Erlebnis. Sicherlich darf man gespannt sein, was nach diesem Debüt McKees folgen wird. Dass er originell erzählen und seine Stoffe intelligent inszenieren kann, hat hat er mit May allemal unter Beweis gestellt.

May
(USA 2002)
Regie & Buch: Patrick McKee
Kamera: Steve Yedlin, Musik: Jaye Barnes-Luckett
Darsteller: Angela Bettis, Jeremy Sisto, Anna Faris, James Duval, Nichole Hiltz u. a.
Verleih: Lions Gate Films, Länge: 95 Min.

2 Antworten auf „Making Friends“

  1. ich liebe den film. versuche ihn schon überall zu finden aber im netz gibt es keine infos dazu und im handel hab ich ihn auch noch nirgends gesehen. den film hab ich mit nem freund von mir gesehen und erinner mich sehr positiv daran. fand den echt cool ^^ *ein bisschen abgedreht aber sehr empfehlenswert*

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