Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit

Ein kleiner Junge, der mit einem Zauberschwert ausgestattet den Kampf gegen einen finsteren Bösewicht und dessen Maschinenmonster aufnehmen muss; eine Armee guter Geister aller Formen und Gestalten; ein puscheliges Wieselwesen, das die Ewoks an Niedlichkeit weit in den Schatten stellt; magische Bohnen, eine stille Familiengeschichte und eine Schlacht, bei der es um nicht weniger als das Ende der Welt geht – und nicht zuletzt eine Liebesgeschichte. Ein wenig „Der Herr der Ringe“ und „Terminator“, ein Schuss „Ghostbusters“, ein bisschen „Peter Pan“ und „The Sixth Sense“ und das alles im Gewand eines (zumindest in Japan) kinderfreundlichen Abenteuerfilms mit deutlichen Mangaelementen: Das ist Takashi Miikes „Krieg der Dämonen: The Great Yokai War“, ein Ausflug des vielseitigen und arbeitswütigen Regisseurs ins Big-Budget-Kino, bis zum Bersten mit Ideen, Bildern und Plots vollgestopft und für den europäischen Zuschauer trotz größter Zugänglichkeit mehr als rätselhaft.

yokai.jpgDer kleine Tadashi hat es nicht leicht: Nach der Scheidung seiner Eltern hat es den Jungen aus der Metropole Tokio mit seiner Mutter aufs Land in das bescheidene Haus des kranken Großvaters verschlagen, der ihn ständig mit dem Namen des toten Sohnes anredet. Von den anderen Kindern wird er als ahnungsloses Stadtkind verlacht, bis er bei einem Dorffest zum „Ritter des Kirin“, dem traditionellen Beschützer von Frieden und Freiheit ernannt wird. Bald schon begegnen ihm in den Wäldern allerhand merkwürdige Gestalten, die ihm von der bevorstehenden Invasion eines Rachegeistes berichten, der die Menschen für ihre Verschwendungs- und Wegwerfsucht bestrafen will. Und Tadashi ist auserwählt, diese Invasion zu stoppen …

Kern dieses rauschhaften Fantasyabenteuers ist die Begegnung zweier Welten, die gleich auf mehreren Ebenen stattfindet: Stadt/Land, Erwachsener/Kind und Menschen/Geister sind die Gegensatzpaare, die Miike überaus geschickt und mit großer Fabulierfreude zusammenführt und so einen Film über die Bewahrung des kindlichen Gemüts inszeniert. Ja, Miikes Film ist ein Film über das Erwachsenwerden und den Verlust der Spiritualität, der damit einhergeht: Dem kleinen Tadashi, der mit dem Umzug aufs Land gleichzeitig in einen vorrationalen Zustand zurückkehrt und nun überall Geisterwesen erblickt, steht der erwachsene Reporter gegenüber, der es schlicht verlernt hat, Geister zu sehen: Es ist ein Schluck Bier, der ihm schließlich den sechsten Sinn zurückgibt. Das von animistischem Aberglauben geprägte Leben der Dorfgemeinde findet seinen Gegensatz in der Konsumgemeinschaft Tokios, wo alles achtlos weggeschmissen wird, ohne Blick für die Seele der Dinge. Und aus eben dieser Achtlosigkeit erwächst die große Gefahr.

Dieses Märchen kleidet Miike in einen Film, der diese Schizophrenität zwischen Vernunft und Irrationalität auch selbst widerspiegelt: Aus dem Märchenwald verschlägt es die Protagonisten in die industrielle Maschinenhölle des bösen Rachegeistes und die Hochhauswüste Tokios, moderner CGI-Hokuspokus steht gleichberechtigt neben anachronistisch anmutenden Puppeneffekten, selbst vor den Schauspielern im Ganzkörperkostüm wird nicht haltgemacht. Doch trotz alldem lebt der Film nicht in erster Linie von der Materialschlacht, sondern von den liebevoll gezeichneten Figuren, die den Film in solch großer Schar bevölkern, dass man sich unweigerlich in den Thronsaal von Jabba the Hutt versetzt fühlt. Das stille, introvertierte Drama der Anfangsminuten weicht erst dem Spuk- und Geisterfilm, dann dem lauten Fantasyspektakel, bis Miike uns in letzter Minute wieder daran erinnert, wie diese Bilderflut eigentlich ihren Anfang nahm. Das Blöd-Naive macht innerhalb weniger Minuten dem Geistreich-Hintersinnigen Platz und selbst in der ausschweifenden Epik behält der Film immer noch den kammerspielartigen Charme, den man aus zahlreichen Miike-Filmen kennt. Statt sich in martialischen Schlachtengemälden zu verlieren, bewahrt „Krieg der Dämonen: The Great Yokai War“ immer seinen leichten und angenehm flüchtigen Charakter. Vielleicht kein Film, den der Cineast neben „Audition“ oder „Visitor Q“ einordnen möchte, aber einer, dem man ein offenes Auge leihen und ihm mit dem nötigen kindlichen Gemüt gegenübertreten sollte. Dann erwartet einen ein absolut einmaliges Erlebnis.

Krieg der Dämonen: The Great Yokai War
(Yokai daisenso, Japan 2005)
Regie: Takashi Miike, Drehbuch: Hiroshi Aramata, Takashi Miike, Kamera: Hideo Yamamoto, Musik: Koji Endo, Schnitt: Yasushi Shimamura
Darsteller: Ryuunosuke Kamiki, Hiroyuki Miyasako, Chiaki Kuriyama, Bunta Sugawara, Etsushi Toyokawa
Länge: 119 Minuten
Verleih: e – m – s

Zur DVD von e – m – s

e – m – s präsentieren den Film in einer ansprechenden Version. Die Untertitel sind sehr gut, lediglich eine Schrifteinblendung hat man vergessen entsprechend zu übersetzen. Auf Extras muss man leider verzichten, nur ein Trailer hat sich ins Bonusmaterial gemogelt. Das verwundert etwas, macht die DVD in ihrer Aufmachung – sie kommt im goldenen Amaray, das hübsche Cover passend mit Goldprägung – doch sonst den Eindruck, dass man bei e – m – s glaubt, einen möglichen Geheimtipp im Programm zu haben. Aber in diesem Fall kann man konstatieren, dass es der Film nicht nötig hat, mit nichtssagenden Featurettes um die Gunst seiner Käufer zu buhlen.

Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 1,78:1 (anamorph)
Ton: Deutsch (DTS, Dolby Digital 5.1), Japanisch (Dolby Digital 5.1)
Extras: Trailer
Länge: 119 Minuten
FSK: Ab 16
Preis: 13,89 Euro

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