Jesus lebt!

Nicht wenige Kommissare ermitteln sich von Fall zu Fall durch die Filmgeschichte, darunter auch und vor allem Franzosen: Von Claude Chabrols Inspektor Lavardin bis Blake Edwards Jacques Clouseau. Und ihnen gesellt sich nun offenbar ein weiterer hinzu: Commissaire Pierre Niemans, gespielt von Jean Reno in Die purpurnen Flüsse 2 – Die Engel der Apokalypse.

Das Handlungsgerüst des Films lehnt sich an sein Prequel an: Niemans (Jean Reno) ermittelt in einem mysteriösen Mordfall, der sich in einem Kloster zugetragen hat. Parallel dazu wird sein junger Kollege (und ehemaliger Schüler) Reda (Benoit Magimel) eingeführt, der in in den Ermittlungen zu einer Schießerei steckt, bei der jemand (Augustin Legrand), der sich für Jesus ausgibt, schwer verwundet wurde. Niemans und Redas Wege kreuzen sich, weil es sich um ein und denselben Fall handelt: Der ominöse Jesus gehört zu einer Gruppe von fanatischen Christen, die glauben, hinter das Geheimnis der Apokalypse des Johannes gekommen zu sein und nun fürchten, die Engel Gottes wären auf die Erde zurückgekehrt, um den Weltuntergang auszulösen. Da es sich also ganz offensichtlich um einen Ritualmord, dem schon bald noch weitere folgen, handelt, wird den beiden Polizisten die junge Religionswissenschaftlerin („Ich habe meinen Doktor zum Thema ‚Bedeutung des Christentums für den heutigen Okzident’ gemacht“) Marie (Camille Natta) zur Seite gestellt. Zu dritt enträtseln sie den Fall, hinter dem eine gar nicht so alte Verschwörung steckt.

Was zunächst an der Fortsetzung des 2001 erschienenen Matthieu Kassovitz-Films Die purpurnen Flüsse aufflällt, ist der nahezu analoge Aufbau der Erzählung zum Vorgängerfilm. Diese geht hier jedoch nicht auf eine Romanvorlage zurück (dem ersten Teil diente Jean-Christophe Granges gleichnamiger Bestseller als Inspiration), sondern stammt direkt aus der Feder von niemand geringerem als Luc Besson. Damit erklärt sich auch die „Flachheit“ der Narration und die darin eingewobene, krude Symbolik: Besson ist nicht zuletzt durch seine Filme Leon (F 1994) und Das fünfte Element (F 1997) für die Oberflächlichkeit seines Erzähltalentes bekannt geworden. In ihrer kindlichen Naivität, die Besson vor allem in Das fünfte Element immer wieder als „hidden agenda“ des Stoffes betont hat, scheren sich seine Plots wenig um Stringez und Logik. Dieser Mangel wird in einer Kriminalerzählung allerdings zum Problem: Die purpurnen Flüsse 2 überschlägt sich nachgerade darin, überraschende Ermittlungserfolge und waghalsige logische Schlüsse der Polizisten zu präsentieren, damit die Handlung in die richtige Richtung fortgeführt werden kann. Zudem präsentiert Besson seinen Zuschauern Figuren, die ihresgleichen an Klischeehaftigkeit suchen. Zu diesen zählt (leider!) nicht zuletzt auch Heirich von Garten (hilflos mit Leben gefüllt durch Christopher Lee) als „böser deutscher Ex-Nazi“, der nach 50 Jahren als „Deutscher Staatsminister für Religion und Kultur“ nach Frankreich zurückkehrt, weil er dort im Krieg etwas „vergessen“ hat.

Der recht mangelhaften Erzählung und Charakterisierung steht jedoch eine Bild- und Tonästhetik gegenüber, die vollends überzeugt (fast mag man vermuten: weil Besson nicht auch noch dafür verantwortlich war). Der Film zehrt sehr von seiner Filter-Optik, dem dunstigen Halbdunkel, den verschrobenen Kameraperspektiven, den düsteren Farben und den in den Action- und Verfolgungsszenen brillanten Schnitten. Darüber liegt ein Soundtrack (von Colin Towns), der diese Bilder perfekt begleitet.

Die purpurnen Flüsse 2 ist deshalb auch ein gelungener Film, wenn man ihn als optoakustisches Ereignis und nicht so sehr als Kriminalfilm wahrzunehmen in der Lage ist. Zudem ist das Spiel der Akteure – in den Grenzen, die ihnen das Skript Bessons oktroyiert – authentisch und interessant. Vor allem Jean Reno, der nicht nur im Prequel, sondern auch in etlichen Filmen Bessons eine gute Figur macht, überzeugt auch hier mit seiner sachlich-humorigen Darstellung, die nicht einmal vom Schlusskalauer, den ihm Besson auf die Lippen diktiert hat, getrübt werden kann.

Die purpurnen Flüsse 2 – Die Engel der Apokalypse
(Les Rivières pourpres 2 – Les anges de l’apocalypse, F 2004)
Regie: Oliver Dahan, Buch: Luc Besson
Kamera: Alex Lamarque, Musik: Colin Twons, Schnitt: Richard Marizy & Sophie Delecourt
Darst.: Jean Reno, Benoir Magimel, Christoper Lee, Camille Natta u.a.
Verleih: Tobis, Länge: 100 Min.

Stefan Höltgen

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