Fan, Fan, Fanatisch

Es scheint eine medienspezifische Angst des Filmsystems zu sein, dass sich der Adressat der Botschaft selbst zum Sender erklärt. Der Zuschauer, der ja nicht nur derjenige ist, an den sich das Medium und seine Botschaft „Film“ richtet, ist ja zugleich derjenige, der sie finanziert. In ein klassisches Kommunikationskorsett gezwängt, hat er sich jedoch mit der Rolle des stillschweigenden Empfängers abzufinden. Gegenrede ist ihm nicht nur unmöglich, sie ist ihm auch nicht gestattet. Hinterfragt er einmal die Moralität des Systems oder sogar dessen Sinn insgesamt, wird er gefährlich – die kulturkonservativen Ausfälle der Film-Produzenten gegen das als dialogisch-demokratisch aufgefasste Medium „Internet“, zeigen dies überdeutlich. Interessant wird es auch, wenn Filme sich den Fan zum Thema machen und seine dialogischen Wünsche dämonisieren. Solche Filme hat es immer schon gegeben. Wichtige Marksteine waren 1981 Eckhart Schmidts „Der Fan“, 1982 Martin Scorseses „King of Comedy“, 1990 Rob Reiners „Misery“ und 1996 Tony Scotts „The Fan“. Markant an ihnen ist, dass alle vier Beispiele nicht den Filmfan zum Thema haben, ihn aber meinen könnten.

Bei Schmidt geht es um einen weiblichen Teenager-Groupie einer Elektrowave-Band, deren Frontmann sich als unnahbarer Künstler geriert, hinterrücks jedoch „nichts anbrennen“ lässt. Er fällt der verschlingenden Liebe des Mädchens zum Opfer, als diese feststellt, dass sie für ihn auch lediglich ein „Stück Fleisch“ gewesen ist. In Rob Reiners Stephen-King-Adaption foltert eine Krankenschwester ihren Lieblingsschriftsteller, der wegen eines Autounfalls bei ihr gefangen und auf ihre Hilfe angewiesen ist. Er soll ihr einen neuen Roman schreiben. Scorsese wirft in „King of Comedy“ einen Blick auf das Showsystem und stellt – doppeldeutig genug! – niemand geringeren als Jerry Lewis ins Zentrum seiner Erzählung um einen pathologischen Fan. Dieser entführt sein Vorbild schließlich, um sich selbst seine „fifteen minutes“ in der Öffentlichkeit zu erpressen. Der Fan wird von Robert de Niro gespielt, der eine ganz ähnliche Rolle in Tony Scotts „The Fan“ übernimmt. Dieses Mal ist er auf Baseball fixiert – ganz besonders auf einen Spieler, an den er als einziger zu glauben scheint. Er geht soweit, den größten Konkurrenten seines Idols zu ermorden, um damit – vermeintlich – positiven Einfluss auf die Karriere des Angebeteten zu nehmen. Als er merkt, dass diesem seine Tat nicht nur nichts bedeutet, sondern er sie sogar verabscheut und auch nicht den erhofften Respekt vor seiner „zahlenden Kundschaft“ an den Tag legt, entführt der Fan dessen Sohn, um den Baseballspieler dazu zu bringen, öffentlich – während eines Baseballspiels – Buße für seine Hybris zu bekunden.

Außer in Schmidts Film geht die Rechnung für die Fans nicht auf. Das Tun des irregeleiteten Anhängers wird zunächst auf eine pathologische Ebene gehievt – in „The Fan“ ist der Täter ein gewalttätiger Frisch-Geschiedener, dem das Gericht zuletzt den Kontakt zu seinem Sohn verbietet und der wegen seiner Baseballsucht seinen Job als Messervertreter (!) verliert. Dann wird seine Perspektive auf das Objekt der Begierde, die zunächst den ganz normalen Ansprüchen des kleinen Mannes nach Aufrichtigkeit verpflichtet war, hin zu einer fanatischen Sichtweise verschoben. Er wird als zwanghaft, schizophren oder soziopathisch hingestellt und damit aus der moralischen Fragestellung, in welcher Beziehung Idol und Fan denn zueinander stehen (sollten), entlassen. Robert de Niro scheint der Idealtyp dieses durchdrehenden kleinen Mannes zu sein. Seine Rollen in „Taxi Driver“ oder „King of Comedy“ belegen dies. In „The Fan“ verlängert er sein Können aus den beiden Scorsese-Filmen.

Man könnte Tony Scotts Film aufgrund seiner Ähnlichkeit zu den anderen Beispielen nun durchaus ebenfalls dieses einseitige, ja beinahe reaktionäre Kommunikationsmodell zwischen Star und Fan unterstellen. Auch, dass „The Fan“ wie die anderen Beiträge, nicht den Film, sondern andere Medien zum Thema hat, scheint der oben genannten Vermeidung allzu deutlicher Selbstbezichtigung zu entsprechen. Und doch holt Scott die Kritik, die der Plot herausfordert, durch eine Verschiebung auf der Bildebene wieder ein. Scott gelingt diese Verschiebung bereits, bevor sein Fan sein wahres Gesicht offenbart. Mittels einer in seinen jüngsten Filmen zur Regel gewordenen überbordenden Bildästhetik rückt er dem Zuschauer geradezu auf die Haut, schafft unangenehme, intime Nähe durch Nah- und Detailaufnahmen, verwirrt damit und mit furiosen Schnitteskapaden über die raumzeitliche Distanz, die das Filmmedium eigentlich definiert. Auf diese Weise macht er es dem Zuschauer schon gleich schwer, sein eigenes, neutrales Fan-Bewusstsein aufrecht zu erhalten. Man könnte sagen: Er zwingt ihn geradezu zu jener Nähe, die für die Katastrophe in der Diegese von „The Fan“ schließlich verantwortlich wird. Zum Glück, ließe sich nachschieben, werden die Fronten am Ende des Films, im Showdown, wieder geklärt: Die Verschmelzung wird bildästhetisch wieder aufgehoben, der Regen schiebt sich wie ein Vorhang zwischen Fan und Idol, verwischt (reinigt?) auch die Sicht des Filmzuschauers und hilft so die Identifikation wieder zu brechen, damit nach diesem affektgeladenen Distanzverlust die tödlichen Kugeln der Polizei nur den Fan im Film treffen können.

The Fan
(USA 1996)
Regie: Tony Scott; Buch: Phoef Sutton; Musik: Hans Zimmer; Kamera: Dariusz Wolski; Schnitt: Claire Simpson & Christian Wagner
Darsteller: Robert De Niro, Wesley Snipes, Ellen Barkin, John Leguizamo, Benicio Del Toro u. a.
Länge: 111 Minuten
Verleih: Constantin

Die DVD von Constantin

Die Neuauflage von „The Fan“ kommt endlich in einer adäquaten Aufmachung daher: Bislang gab es den Film in Deutschland nur mit Original-Ton und ohne jedes Zusatzmaterial zu kaufen. Die vorliegende DVD macht dieses Manko wieder wett – verzichtet jedoch auf optionale deutsche Untertitel.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 2,35:1
Ton: Deutsch (DD 5.1 & 2.0), Englisch (DD 5.1)
Untertitel: keine
Extras: Interviews, Blick hinter die Kulissen, Featurette, Darstellerinfos
FSK: ab 12 Jahren
Preis: 9,95 Euro

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