Dumm gelaufen!

Dumm und Dümmer (Peter und Bobby Farrelly, USA 1994) ist, im Nachhinein betrachtet, wohl wirklich eine der wichtigsten Komödien des vergangenen Jahrzehnts. Einerseits zementierte sie Jim Carreys Status als Autorenkomiker und Kultfigur, auf der anderen Seite stellte der Film eine Art Archetypus der Komödie der Spätneunziger dar: Zwar im Grad der Absurdität der Gags mit den Produktionen von Zucker/Abrahams/Zucker (u.a. Hot Shots! (Jim Abrahams, USA 1991), Die Nackte Kanone (David Zucker, USA 1988)) verwandt, gewann Dumm und Dümmer, im Gegensatz zu den ZAZ-Filmen, einen humoristischen Mehrwert nicht etwa durch eine bloße intertextuelle Parodie motivischer und ästhetischer Ikonen der Filmgeschichte, sondern durch eine konsequente Bezugnahme auf eine außerfilmische Realität. Angesichts des stabil bleibenden Erfolgs des Films in jeder Auswertungsstufe mag es verwundern, dass Dumm und Dümmer für eine so lange Zeit keine Fortsetzung zur Seite gestellt bekam. Es mag in der Tat am Widerwillen der beiden Hauptdarsteller gelegen haben, dies zumindest legt die Besetzungsliste des zweiten Streichs nahe: Zeitlich vor dem ersten Teil angesiedelt, erleben wir Harry (Derek Richardson) und Lloyd (Eric Christian Olsen) als pubertierende Teenager.

Die große Ähnlichkeit der beiden neuen Darsteller zu ihren Vorbildern sticht zuerst ins Auge: In der Tat glaubt man über weite Strecken, wirklich die beiden Figuren aus dem vorangegangen Film in ihrer Adoleszenz vor sich agieren zu sehen. Physiognomie, Gestik und Mimik ergeben im Gesamten ein deckungsgleiches Bild. Eine großartige Leistung des Castings und der Darsteller. Die einzige jedoch des Films, wie sich in Folge schnell herausstellen wird.

Eine Synopse könnte man sich fast sparen. Um einen kriminell veranlagten Schuldirektor geht es, der eine Finanzierungsspritze aus öffentlicher Hand für Schulen mit „Special Need Classes“ für behinderte Kinder veruntreuen möchte und in den beiden Protagonisten das Mittel zum Erfolg sieht – gut und gerne vernachlässigbar also. Den eigentlichen Inhalt fasst der us-amerikanische Originaltitel bereits im Subtitel treffend zusammen: When Harry Met Lloyd, eine Verballhornung des Originaltitels von Harry und Sally (Rob Reiner, USA 1989). Das suggeriert Schicksalshaftigkeit, folgerichtig kann der Film auch nur mit einer Geburt beginnen: Aus der Perspektive des Säuglings weitet sich ein vaginalförmiger Schlitz zum vollen Bild – Harry ist geboren. Notwendig gebietet die Inszenierung des ersten Zusammentreffens der beiden nur kurz darauf der theatralischen Zeitlupe, aus verschiedenen Perspektiven ineinander montiert. Dass mit diesem auch noch Lloyds Zahnlücke mit Hintergrundgeschichte aufgewertet wird, erhöht zusehends die Mystifizierung der beiden Anti-Helden und ist obendrein symptomatisch für den redundanten Charakter des Witzes. Konnte der Vorgänger noch durch frisch-anarchischen Humor über eigene Unzulänglichkeiten hinweg spielen, geht’s im Prequel nur noch darum, den ersten Teil auf der Ebene des Slapsticks zu imitieren: Man erfährt (und dabei bleibt es im wesentlichen auch), dass die beiden eben auch schon im Alter von 18 Jahren den gleichen seltsam-surrealen Humor, das gleiche Unvermögen mit der Welt jenseits ihres eigenen Mikrokosmos zu kommunizieren an den Tag legen. Im Fokus steht der bloße, oft an Imitation grenzende Wiedererkennungseffekt. Und der ermüdet zusehends nach den ersten Späßchen – warum sollte man sich das ansehen?

Obwohl, etwas mehr Zeigefreudigkeit gewährt man sich dann doch: Die Durchfallepisode im Badezimmer der insgeheim Angebeten aus dem ersten Teil – eine der mit am längsten vorbereite Sequenzen, in der sich mehrere Elemente der Handlung zu einem Höhepunkt verdichten – darf nun im zweiten Versuch – in ein ähnliches jedoch nicht deckungsgleiches Setting eingebettet – endlich ordentlich rumferkeln und ein ganzes Badezimmer verwüsten. Ist zwar nur weichgewordene Schokolade, verfehlt seine Wirkung aber dennoch, zumindest intradiegetisch, nicht: Eine ebenso lustvoll dargebotene fäkalfixierte Tirade des Vaters der jungen Dame, der sich sattsam über Anhäufung und Wesensart der vermeintlichen Ausscheidungen in seinem Badezimmer auslässt, ist die Folge. Diesseits der Leinwand vermag dieses visuelle „Mehr“ hingegen keinen Mehrwert zu produzieren – man hofft bloß, in einem möglichen dritten Teil nicht noch einer Steigerung ausgesetzt zu werden. Eine mögliche hatten wir schon in Knallharte Jungs (Granz Henman, D 2002). Und dort war’s auch schon nicht witzig.

Was hätte man aus dem Stoff machen können? Angesiedelt in den späten 80ern fällt dem Film als Referenz gerade mal ein, die beiden ab und an in absurde bis peinliche Kleidungsstücken der für solche ja recht berüchtigten Epoche zu stecken, während der Rest der Besetzung interessanterweise auch in zeitgenössischen Filmen nicht durch anachronistische Bekleidung auffallen würde. Auch Spezifika des in den 80ern überaus populären High School Films wurden, obwohl doch eigentlich naheliegend, nicht für eine Aufbereitung herangezogen. Was hätte man nicht dafür gegeben, die beiden etwa den Breakfast Club (John Hughes, USA 1985)in ihrer Unbeholfenheit sabotieren sehen zu können? Nichts, aber auch wirklich gar nichts wurde gewagt, um etwas Eigenständigkeit zu entwickeln. Über allem schwebt als mahnende Referenz lähmend der erste Teil.

Ganz am Ende versucht der Film dann nochmals – ebenfalls wieder unter Zuhilfenahme bereits zuvor in seinem Empfinden torpedierten Vaters – einen gewaltigen Haufen Scheiße zwar nicht abzubilden, so doch aber dies zu suggerieren. Aus einer etwas galligen Perspektive – und nach den bis dahin durchstandenen 85 Minuten Langeweile nimmt man sich das Recht dazu gerne heraus – könnte man darin eine gelungene Allegorie auf den Film selbst sehen


Dumm und Dümmerer (Dumb and dumberer: When Harry Met Lloyd, USA 2003)
Regie: Troy Miller; Drehbuch: Robert Brener, Troy Miller; Kamera: Anthony B. Richmond; Schnitt: Lawrence Jordan; Musik: Eban Schletter;Darsteller: Eric Christian Olsen, Derek Richardson, Rachel Nichols, Cheri Oteri, Luis Guzmán, Elden Henson, William Lee Scott, Mimi Rogers u.a.
Verleih: Warner Bros. Länge: 85 Minuten

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