Der Doktor und das böse Vieh

Dass Kühe nicht die harmlosen Grasfresser sind, für die sie jeder hält, hat nicht nur Gary Larson immer wieder unter Beweis stellen wollen; auch der Horrorfilm hat sich der Kuh als Monsterwesen längst angenommen. In „Dead Meat“ war es eine Rinderseuche, die Kühe Menschen hat überfallen und fressen lassen. In „Isolation“ sind es genetisch veränderte Rinder, die Kälber gebähren, welche selbst die bei ihrer Geburt bereits mit dem Bösen schwanger gehen. Dass sich – vielleicht mit Ausnahme von Gary Larson – hinter solchen Horrifizierungen von Kühen ein Reflex auf die Rinderseuche BSE verbirgt, ist kaum zu verkennen. In Billy O'Brians „Isolation“ ist diese Metaphorik jedoch etwas subtiler und sie kommt keineswegs mehr wie noch bei „Dead Meat“ unter dem Deckmantel der Komödie daher. Kuhhorror will nun ernst genommen und geführchte werden wie jeder andere Tierhorror auch. Demzufolge verbindet der Film auch gleich mehrere Erzählfäden mit durchaus dramatischem Potenzial miteinander:

Das junge Pärchen Mary (Ruth Negga) und Jamie (Sean Harris) ist auf der Flucht vor Marys Brüdern, die mit der Beziehung nicht einverstanden sind und Jamie ans Leder wollen. Sie campieren in ihrem Wohnwagen vor der abgelegenen Farm des Bauern Dan (John Lynch). Dieser will die Fremden nicht auf seinem Grundstück sehen – zumal er etwas zu verbergen hat: Er hat eine seiner Kühe für ein genetisches Experiment zur Verfügung gestellt. Ein Veterinär, John (Marcel Iures), hat sich darin zum Ziel gesetzt, die Reproduktionsrate der Tiere zu verschnellern. Als seine Kollegin Orla (Essie Davis) bei der Untersuchung einer trächtigen Kuh allerdings vom ungebotenen Kalb im Uterus gebissen wird, ahnen alle Beteiligten, dass etwas nicht stimmt. Kurze Zeit später kalbt die Kuh und Farmer Dan ruft Jessie zur Hilfe, weil er das Jungtier allein nicht auf die Welt bringen kann. Dessen erste Handlung, als es schließlich geboren ist, ist, den Farmer in die Hand zu beißen. Die hinzugerufene Tierärztin, die bereits erste Krankheitssymptome zeigt, tötet und seziert das Kalb und findet darin einen hochinfektiösen Parasiten, der sich auch auf den Menschen übertragen lässt. Einzig ihr Kollege John ahnt, was nun kommt, und beginnt Vieh und gebissene Menschen unschädlich zu machen.

"Isolation“ ist in düsteren Bildern erzähltes Horrorkino. Die zumeist bei Nacht oder trübem Dämmerlicht stattfindende Handlung überträgt bereits von der ersten Minute ein Gefühl der Beklemmung auf den Zuschauer. Dies geht zunächst weniger vom Horror der Situation aus, als von den Charakteren selbst, die wie verloren in der menschenverlassenen Landschaft stehen. Fast wie eine Befreiung wirkt es da auf Protagonisen wie Zuschauer, als endlich etwas geschieht und es eine Aufgabe gibt: Einer der Parasiten aus dem neugeborenen Kalb ist entkommen und muss vernichtet werden, bevor er alle anwesenden Menschen und Tiere infiziert hat. Der Vernichtungsfeldzug – sowohl der des Parasiten als auch der des ihn jagenden Tierarztes – ist in hecktischen Bildern erzählt. Mit der Handkamera, verwackelt und in unscharfen Groß- und Detailaufnahmen wird das Geschehen eingefangen. Nur seltene Blicke gibt es dabei auf den Grund allen Horrors. „Isolation“ versucht nicht etwa durch Zeigen, sondern durch Verbergen sein gruseliges Potenzial zu entfalten.

Regisseur O'Brian bedient sich dabei nicht nur Inszenierungsverfahren, die aus Filmen wie „Alien“ oder dem Seuchenkatastrophenfilm bekannt sind, auch die Erzählung selbst erinnert in vielen Details an eine Kurzgeschichte: In „Der Wurf“ ("The Litter", 1987) erzählt James Kisner von einem ganz ähnlichen Fall, jedoch ohne den erklärenden gentechnischen Hintergrund. Von den hilflosen Versuchen der Eindämmung des Schrecklichen bis hin zur Pointe beider Stoffe ähnen Film und Erzählung einander. Das muss nicht unbedingt für eine direkte Inspiration durch die Kurzgeschichte sprechen, zeigt aber, dass das hinter beiden Erzählungen stehende Phantasma eines ist, dass von jeher populär ist: Was geschieht, wenn sich die domestizierten Tiere gegen ihre Herren wenden? Dann trifft es diese nicht nur völlig unvorbereitet, sondern zerstört auch ein altes Weltbild, das des Menschen als Beherrscher der Natur. Der Tierhorrorfilm ist von jeher mit dieser Idee schwanger gegangen und selbst die scheinbar absurdesten Variationen (Frösche, Würmer, Schnecken greifen den Menschen an) entbergen hinter dem Grotesken stets diesen nicht zu leugnenden Horror.

Isoaltion
(D/UK 2005)
Regie & Buch: Billy O'Brian, Musik: Adrian Johnston, Kamera: Robbie Ryan, Schnitt: Justinian Buckley
Darsteller: Essie Davis, Sean Harris, Marcel Iures, Crispin Letts, John Lynch, Ruth Negga
Länge: 91 Minuten
Verleih: Sunfilm


 Die DVD von Sunfilm

Bild: 16:9 (1:2,35)
Ton: Deutsch (DD 5.1, DTS), Englisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Kurzfilm, Creature Design Special, Dokumentation, Storyboard, Interview
FSK: k. J.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.