Andere Welten, andere Mythen

Die drei Teenager Lleu, Dan und Rhiannon unternehmen einen Bootsausflug, um ihren Frust zu vergessen. Denn Lleu hat just an diesem Tag, seinem 18. Geburtstag, herausgefunden, dass er adoptiert wurde, ist sauer auf seine Adoptiveltern und von dem Wunsch beseelt, seine leibliche Mutter kennenzulernen. Rhiannon glaubt, dass sie schwanger ist und Dan selbst hat zwar selbst keine Probleme, könnte jedoch als der Vater von Rhiannons Kind bald welche bekommen. Auf Ihrer Bootstour überqueren Sie einen Bereich, an dem der Meeresboden merkwürdig farbig schillert. Der Capitain klärt sie auf: Das ist Otherworld. Und kurzerhand entschließen sich die drei, einen Tauchgang in diese andere Welt zu wagen. Dort angekommen erhalten alle drei Identitäten. In der mittelalterlichen Welt von Otherworld ist Rhiannon jetzt Arianrhod, die Tochter eines Fürsten, deren Kind von einem bösen Magier kurz nach der Geburt entführt wird. Dan ist Manawydan, ein junger Kämpfer, der das Königreich gegen eine Invasion aus Irland beschützt und Lleu ist Lleu Llaw Gyffes, ein von der Mutter verstoßener Knabe, der bei einem Zauberer aufwächst und verzweifelt versucht, die Gunst und Liebe der Mutter zurückzugewinnen. Die Erzählungen der drei laufen in einander über und letztlicht durchlebt jeder der drei eine zu seiner Alltagswirklichkeit analoge Geschichte.

Otherworld ist ein Hybridfilm, der nicht allein in seiner Rahmenhandlung Realfilmsequenzen enthält, sondern diese auch immer wieder in die Zeichentrick-Szenen, die seinen Hauptteil ausmachen, einbaut. Damit versucht der Film seiner ansonsten recht uninteressanten und naiven Animation ein besonderes Flair zu verleihen. Jedoch lässt sich weder ein dramaturgisches noch ästhetisches Prinzip solcher Inserts ausfindig machen – sie wirken beliebig, wie so vieles an Otherworld. Die fantastische Binnenerzählung im Zeichentrickland, in der die drei Helden der Rahmenhandlung – quais gleichnishaft – ihre Probleme und Ängste noch einmal durchleben und schließlich auch lösen, könnte naiver kaum sein. Daran trägt vor allem das dick aufgetragene Pathos des mittelalterlichen Otherworld, mit seinen Zauberern, Helden, Schurken und dem gesamten Mythen-Kitsch bei. Mag Derek Hayes sich auch der zahlreichen walisischen Mythen bedient haben, um seine Erzählung damit national zu fundamentieren: er tut werder diesen noch seiner Erzählung einen Gefallen, wenn er seine ansonsten interessant montierten drei Erzählstränge mit Ereignissen und Figuren füllt, die allenfalls für einen Kinderfilm adäquat gewesen wären.

Otherworld ist deshalb über weite Strecken schlicht langweilig. Seine Figuren sind im doppelten Wortsinne schlecht gezeichnet und man ist nicht selten peinlich berührt von so viel Kitsch, mit dem der Film versucht seine Geschichte als parabelhaftes Märchen zu erzählen. Den diesbezüglichen Höhepunkt findet Otherworld allerdings in seinem Realfilm-Epilog, in dem unsere drei Helden von ihrer Schiffsreise heimkehren und alle etwas dazugelernt haben. Lleu hat kein Interesse mehr, seine biologische Mutter ausfindig zu machen (hat ihn seine Zeichentrickmutter doch so sehr verflucht und verstoßen, dass er die wahren Qualitäten seines Ziehvaters zu schätzen gelernt hat). Dan und Rhiannon „beschließen“ erst einmal keinen Sex mehr zu haben, weil Rhiannon einfach noch nicht bereit ist, ein Kind zu kriegen (über den Gebrauch von Latex hat das Zeichentrickland keine erzählerische Seitenhandlung eröffnet). So mutet Otherworld zum Schluss gar wie ein staatlich in Auftrag gegebener Aufklärungsfilm an und hinterlässt neben einem unbefriedigten ästhetischen noch einen faden politischen Beigeschmack.


Otherworld
(Y Moginabi, Wales 2002)
Regie: Derek W. Hayes
Musik: John Cale
Darsteller & Sprecher: Daniel Evans, Ioan Gruffudd, Philip Madoc, Paul McGann, Lisa Palfrey, Matthew Rhys u. a.
Verleih: s4c international, Länge: 108 Min.

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