Film als Architektur

Der griechische Kriegsheld Dareios (Rory Calhoun) kommt pünktlich zur Einweihung des Weltwunders nach Rhodos. Das Bauwerk soll den Hafen von Rhodos sichern und seinen Status als Handelsmacht des Mittelmeeres stärken. Doch unter der glitzernden Oberfläche brodelt es, denn der wirtschaftliche Reichtum wird mit der Knechtung des einfachen Volkes durch die Herrschenden bezahlt. Bald finden die im Untergrund kämpfenden Rebellen zusammen mit Dareios heraus, dass König Xerxes‘ (Roberto Camardiel) rechte Hand Thar (Conrado San Martín) gemeinsame Sache mit den Phöniziern macht und eine Übernahme der Insel plant. Dareios wird in die folgenden Verwicklungen und Kämpfe mit hineingezogen und beschließt, den Rebellen im Kampf gegen die Übermacht zu helfen …rhodos.jpg

Bei „Der Koloss von Rhodos“ handelt es sich um Sergio Leones Regiedebüt. Zwar hatte der Italiener, der nur wenige Jahre später mit seiner Dollar-Trilogie Weltruhm erlangen und zu einem der einflussreichsten Regisseure des 20. Jahrhunderts werden sollte, schon bei „Die letzten Tage von Pompeji“ auf dem Regiestuhl Platz genommen, doch geschah dies lediglich in Vertretung des eigentlichen Regisseurs Mario Bonnard. Auch „Der Koloss von Rhodos“ ist noch kein „echter“ Leone. Thematisch gibt es nur wenige, bestenfalls kosmetische Parallelen zu Leones späteren und berühmteren Filmen zu entdecken. Seine Auftragsarbeit ist wie fast alle Vertreter des Monumental- und Sandalenfilms vor allem im Sinne eines Kinos der Attraktionen zu begreifen: Opulente Settings und Kostüme bieten den Hintergrund für aufwändige Massenszenen, die in hoher Frequenz auf den Zuschauer einprasseln. Wie im modernen Actionkino gibt es nicht viel Zeit zum Luftholen. Das ist formal auch heute noch überaus beeindruckend anzusehen, denn Leones erzählerisches Talent und sein logistisches Geschick sind evident. Nie verliert er im Schlachtgetümmel die Übersicht, immer wählt er die richtigen Blickwinkel, stets gelingt es ihm, die Vorgänge in griffige Bilder zu übersetzen. „Der Koloss von Rhodos“ wird dem Begriff „Monumentalfilm“ zu jeder Sekunde voll und ganz gerecht.

Der monumentale Charakter des Films lässt sich schon am Titel ablesen, der die legendäre Statue zum Titelhelden macht. Sie dient Leone als Symbol, in dem sich das Thema seines Films verdichtet: Der Koloss ist nämlich vor allem Ausdruck der Hybris der herrschenden Klasse von Rhodos, die dem Gott Apollo vor allem deshalb ein Standbild errichten, damit er ihren Reichtum sichert und vergrößert, während das in Armut lebende Volk zu seinen Füßen ermordet und geknechtet wird. Außerdem ist der Koloss ein Verwandter des trojanischen Pferds: In erster Linie dient er als Abwehrbollwerk und Waffe, die – betätigt man im Inneren den richtigen Hebel – eine Feuersbrunst auf ungebetene Gäste niedergehen lässt. Und so kommt es schließlich wie es kommen muss: Der Zorn der Götter bestraft die Bürger von Rhodos mit der vollständigen Zerstörung ihrer Insel und macht auch vor dem Werk ihres Hochmuts, dem Koloss, nicht halt. Leones „Der Koloss von Rhodos“ ist kein Historienfilm. Historische Fakten interessieren ihn überhaupt nicht, ihm geht es vor allem um die Symbolkraft seines „Titelhelden“. Leones Technik ist die der Verdichtung: Er setzt das Schicksal Rhodos’ mit dem des Götterstandbildes gleich. Sein Film beginnt mit der Einweihung des Koloss’ und endet mit seiner Zerstörung wenige Tage später. In Wahrheit wachte der Koloss immerhin 60 Jahre über die Insel, bevor er schließlich einem Erdbeben zum Opfer fiel. Aber Leone hat Aristoteles’ Dramentheorie, das Konzept von der Einheit von Zeit, Raum und Handlung, absolut verinnerlicht und weiß, dass ein Film keine 60 Jahre dauern darf. Ihm haben aber auch runde 140 Minuten gereicht, um einen wahren Koloss zu erschaffen.

Der Koloss von Rhodos
(Il Colosso di Rodi, I 1961)
Regie: Sergio Leone, Drehbuch: Luciano Chitarrini, Ennio De Concini, Carlo Gualtieri u. a.,, Kamera: Antonio Ballesteros, Musik: Angelo Francesco Lavagnino, Schnitt: Eraldo Da Roma
Darsteller: Rory Calhoun, Lea Massari, Georges Marchal, Conrado San Martín, Ángel Aranda, Mabel Karr
Länge: 137 Minuten
Verleih: e – m – s


Zur DVD von e – m – s

„Der Koloss von Rhodos“ erscheint in der Reihe „Meisterwerke der Filmgeschichte“ als Doppel-DVD im Pappschuber. Zum ersten Mal ist der Film in Deutschland in einer ungeschnittenen und vollständig synchronisierten Version zu sehen. Die Synchronisation der wieder eingefügten Szenen ist dabei sehr gut gelungen, es gibt keine holprigen Übergänge, alles fügt sich wunderbar zusammen. Auch die Bildqualität ist ausgezeichnet. Ein paar kleine Verschmutzungen sind wohl auf das Alter des Ausgangsmaterials zurückzuführen und deshalb absolut zu verschmerzen. Ebenfalls sehr ansehnlich ist das 16-seitige Booklet, das neben einem längeren Text von Sandra Uebbing, die den Film im Kontext von Leones Schaffen betrachtet, auch das alte deutsche Programmheft und einige Farbseiten enthält. Das Bonusmaterial ist dafür etwas spärlicher ausgefallen: Disc 1 enthält lediglich Texttafeln, Disc 2 eine ca. 50-minütige, mäßig aufregende Dokumentation zu den sieben Weltwundern. Insgesamt ist „Der Koloss von Rhodos“ in dieser Form aber also absolut empfehlenswert,  zumal sich e – m – s wieder einmal der Philosophie des „value for money“ verschrieben hat und ihre Doppel-DVD zum Preis einer durchschnittlichen Einzel-DVD anbietet.

Zur Ausstattung dieser DVD:
Bild: 2,35:1
Ton: Deutsch (Dolby Digital 2.0), Italienisch (Dolby Digital 2.0)
Länge: 137 Minuten
Extras: Bio- und Filmografie, Bildergalerie, Trailer, Textinfo, Dokumentation „Die sieben Weltwunder“
FSK: ab 12
Preis: 11,99 Euro

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