Der Terror der Ökonomie

Godzilla ist aus dem japanischen Kino eigentlich kaum wegzudenken. In mittlerweile insgesamt 28 Filmen kann man der durch einen Atombombenabwurf entstandenen Riesenechse dabei zusehen, wie sie Tokio platt trampelt, andere Gummimonster in die ewigen Jagdgründe schickt, den Tag rettet und am Ende wieder zurück ins Meer wankt. godzilla.jpgDoch der Erfolgsgarant der Produktionsgesellschaft Toho ist zuletzt merklich ins Wanken geraten: Schauspieler, die sich in Gummikostümen balgen, scheinen nicht mehr ganz dem Zeitgeist zu entsprechen. So versuchte die Toho dem Urgiganten mit der mit „Godzilla 2000 Millennium“ von 1999 gestarteten Millennium-Reihe die nötige Frischzellenkur zu verordnen. Ein Unterfangen, das leider scheitern musste und so mit Ryuhei Kitamuras aufwändig produzierten „Godzilla: Final Wars“ 2004 seinen Abschluss fand.Die Hauptfiguer von Regisseur Okawaras Film, Professor Shinoda, unterhält das so genannte Godzilla-Network, das dabei helfen soll, das Urviech zu lokalisieren, um so auf etwaige Angriffe vorbereitet zu sein. Direkt zu Beginn walzt Godzilla dann auch in gewohnter Manier durch die Stadt, bevor das Augenmerk auf einen merkwürdigen Felsbrocken gerichtet wird, der Godzilla für die nächsten 40 Minuten von der Leinwand verdrängt. Der Felsbrocken entpuppt sich bald als UFO, das sich anschickt, Tokio dem Erdboden gleich zu machen. Doch schließlich tritt der vertriebene Godzilla wieder auf den Plan und besiegt das außerirdische Biest. Die toll betitelte Entdeckung Shinodas, die Organizer-G-One-Zellen, denen Godzilla seine Selbstheilungskräfte verdankt, spielen auch noch irgendeine Rolle, die aber im Chaos der Schlussviertelstunde untergeht.
Der augenfälligste Unterschied der aktuelleren Godzilla-Filme zu den Klassikern aus den 60er- und 70er-Jahren ist die Degradierung Godzillas zur Nebenfigur. War der Star früher Godzilla selbst, so tritt er heute mehr und mehr zugunsten menschlicher Protagonisten in den Hintergrund. Die episch ausgewalzten Balgereien der Gummimonster sind auf ein handliches Format zurechtgestutzt ans Ende der Filme verbannt und die Zeit, in denen das Publikum Godzilla gar als Papa (oder Mama?) eines Babys akzeptierte und allerlei rührselig-kitschige Monsterfamilienszenen über sich ergehen ließ, scheinen ebenfalls endgültig vorbei. Solche Extravaganzen gönnt die Toho ihrem Publikum heute höchstens als Zitat, etwa im vorerst letzten Godzilla-Film, Ryuhei Kitamuras „Godzilla: Final Wars“, der eine Art Best-of-Versuch zum 50. Jubiläum darstellt.

In „Godzilla 2000 Millennium“ wird das Problem offenkundig, vor dem jeder Regisseur heute stehen muss, der versucht, die Riesenechse zu revitalisieren: Godzilla ist lässt sich einfach nicht in ein aus allerhand Versatzstücken zusammengefügtes Korsett zwängen. Die ganze Figur ist von einer solch anachronistischen Absurdität, dass sie jeden Film, der dies nicht berücksichtigt, förmlich zur Implosion bringen muss. Da mag Regisseur Okawara noch so oft die Alien-Invasion aus Emmerichs „Independence Day“ zitieren, als Zuschauer nimmt man die Abwesenheit des eigentlichen Helden nur ratlos und gelangweilt zur Kenntnis. Und wenn Godzilla nach dem schmerzhaft langen Mittelteil (in dem die Echse zwischendurch immer mal wieder eingeblendet wird, als wolle man den Zuschauer bei der Stange halten) endlich seinen großen Auftritt hat, geht das ganze Konstrukt den Bach runter. Und in dieser Konstellation offenbart sich die Kraft der Godzilla-Figur: Wie ein Deus ex Machina tritt er in den Film und zerstört jegliche vorher noch mühsam gewahrte Form. Godzilla ist das Gegenteil von Form: Er ist Chaos, Anarchie. Und so fallen ihm in „Godzilla 2000 Millennium“ nicht nur Tokio und der außerirdische Monsterkollege zum Opfer, sondern eben der ganze Film, der in dieser finalen Zerstörungsorgie dann doch noch – endlich! – zu sich selbst kommt.

(Gojira ni-sen mireniamu)
Regie: Takao Okawara, Drehbuch: Hiroshi Kashiwabara, Wataru Mimura, Kamera: Katsuhiro Kato, Musik:Takayuki Hattori, Akira Ifukube, Schnitt: Yoshiyuki Okuhara 
Darsteller: Takehiro Murata, Hiroshi Abe, Naomi Nishida, Mayu Suzuki, Shiro Sano
Verleih: Splendid
Länge: 99 Minuten 

Zur DVD von Splendid

 
Splendid hat sich der gesamten Millennium-Reihe angenommen und bringt sie in der sinnvoll betitelten „Millennium Edition“ heraus. Der vorliegende Film wird leider in nur annehmbarer Bildqualität präsentiert: Das Bild ist leicht unscharf und verrauscht, dann und wann ziehen Schlieren durchs Bild. Am Ton gibt es hingegen nicht zu mäkeln und die deutsche Synchronisation ist sehr ansprechend geraten, dokumentiert aber ebenfalls eindrucksvoll, wie absurd der Versuch ist, diesen Film wie einen ernsten Science-Fiction-Film erscheinen zu lassen. Extras gibt es leider keine, dafür aber eine Trailershow, in der alle sechs Filme der Millennium-Reihe präsentiert werden.
 
Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 2,35:1
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Japanisch (Dolby Digital 2.0)
Länge: 99 Minuten
Extras: Trailershow
FSK: ab 16
Preis: 13,95 Euro
 
 

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.