»Have your heared about the 4th dimension?«

Dass sich auf dem ästhetischen Tableau des film noir allerlei Genreelemente züchten lassen, hat die Filmgeschichte zur Genüge bewiesen. Vor allem Science-Fiction-Stoffe scheinen immer wieder bestens zum düsteren Ambiente und zu Kriminalerzählungen mit ambivalenten Schurken- und Heldenfiguren zu passen: „Blade Runner“ (1982) und „Dark City“ (1996) sind die besten Belege dafür. Ein Zeitreisestoff indes ist wohl noch nicht im Stil noir gedreht worden. „Puritan“ von Hadi Hajaig behebt dieses Defizit.

Sein Held, Simon Puritan (Nick Moran), ist, wie so oft der Privatdetektiv des Spät-noir, nur durch die Umstände zum Ermittler geworden und sogar beteiligter am Drama, an dessen Ende (und gleichzeitig in dessen Zentrum) der Mord an dem reichen und mächtigen Sektenführer Eric Bridges (David Soul) steht. Ermordet wird dieser von seiner Frau Ann (Georgina Rylance), die er oft geschlagen hat und die sich deshalb von ihm trennen will und weil sie mit Puritan ein Verhältnis begonnen hat. Dieser wiederum wird hin und wieder von einem Fremden aufgesucht, der durch ein Feuer vollständig entstellt wurde und Puritan zu verstehen gibt, dass er eine zukünftige Identität seinerselbst sei, die frei durch die Zeit reist, um sich selbst vor Katastrophen zu bewahren. Während Puritan nicht so recht glauben mag, dass er es wirklich mit einem zukünftigen Selbst zu tun hat, wird er als Zeuge und Mitwisser immer tiefer in den Mord an Bridges verstrickt und schließlich sogar vom Gärtner (David Papava) des Bridges-Anwesens erpresst. Und als hätte er nicht schon genug Probleme, teilt ihm sein Arzt nun auch mit, dass er an tödlichem Lungenkreb leide. Die Rettung vor diesen sich anbahnenden Katastrophen liegt allein in der Zukunft.

Nicht oft gibt es Science-Fiction-Filme zu sehen, bei dem das Verhältnis von Stil zu Erzählung so stimmig war. Die fast in vollständige Dunkelheit getauchten Bilder, bei denen selbst in Tageslicht-Außenaufnahmen stets der Eindruck von Weltuntergang vorherrscht, bilden das ideale Pendant zum Seelenleben der Protagonisten. Die Subversion, die Eric Bridges mit seiner Sekte anzettelt und an der er die Öffentlichkeit durch prahlerische Pressekonferenzen teilhaben lässt, schaffen eine Atmosphäre der Bedrohung, in der sich die Gewalt geradezu wie in einem Akkumulator auf- und sich schließlich gegen ihn entlädt. Auf der anderen, guten Seite des Obskurantismus befindet sich der verzweifelte Held Puritan, der sich sein Geld mit Wahrsagerei verdient – nicht, weil er glaubt, das „zweite Gesicht“ zu haben, sondern weil er den Menschen Hoffnung geben will. Hier prallen zwei moralische Seiten ein und derselben Medaille aufeinander, die sich doch aus dem selben Pol von Mystik speisen. Die einzig rationalistische Person scheint (typisch für den Neo-noir) die Frau in diesem Dreieck zu sein – was sie den Männern verdächtig macht.

Bei aller Liebe zu den zumeist in tiefes Rot getauchten Bildern und zum immer dichter werdenden Verschwörungs- und Utopie-Plot hat der Film doch einige nicht zu übersehende Probleme, die sich vor allem aus Redundanzen und Längen ergeben. Fast scheint es so, als misstraue der Drehbuchautor seinen Zuschauern hinsichtlich ihrer Verständnisfähigkeit, des zwar nicht eindimensionalen aber doch auch nicht allzu vertrackten Plots. So werden vor allem die Dialoge, soviel Tiefe und Charakterisierungspotenzial sie auch haben mögen, immer wieder zu Rekapitulationen dessen, was gewesen ist und nun zu tun bleibt. Und als der Held am Ende des Films das Schicksal seines künftigen Alter Egos erfüllt, wird dem Zuschauer dies sogar in Rückblenden, die ansonsten im ganzen Film nicht zu sehen sind, noch einmal vor Augen geführt. Das mündet dann schon fast in einen Stilbruch. Da sich dieses Problem wohl aber vor allem für diejenigen ergibt, die in der Geschichte des Film noir hinreichend bewandert und deshalb mit kniffligen Erzählungen filmsozialisiert sind, wird „Puritan“ wohl doch nur wenig Probleme mit seinen Zuschauern bekommen. Dazu sind seine Bilder aber auch einfach zu berauschend, seine Figuren zu komplex und der Plot ein zu interessantes Rätsel.

Puritan
(GB 2005)
Regie & Buch: Hadi Hajaig, Musik: Simon Lambros, Kamera: Peter Ellmore,
Schnitt: Pierre Haberer & Hadi Hajaig
Darsteller: Nick Moran, Georgina Rylance, Pete Hodge, David Soul, Ralph Brown u.a.
Länge: 96 Minuten
Verleih: n.n.

Stefan Höltgen

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