Roadmovie und Terrorfilm

Eine Hommage an das Kino der siebziger Jahre ist das immer noch. Es ist sogar noch immer eine Hommage an den Horrorfilm dieser Dekade. Nur ist „The Devil’s Rejects“ im Gegensatz zu seinem Vorgänger „House of 1000 Corpses“ selbst kein Horrorfilm mehr. „The Devil’s Rejects“ folgt nicht mehr dem Muster von Rob Zombies Debütfilm, wo eine Gruppe Jugendlicher in die Hände einer Familie psychopathischer Sadisten gerät. Inzwischen sind diese psychopathischen Sadisten die unbestrittenen Protagonisten des Films, daraus macht „The Devil’s Rejects“ keinen Hehl. Kult-Antagonisten zu Protagonisten eines Nachfolgefilms umzugestalten, ist kein neuer Kniff im Horrorkino. Gerade die großen Serien, „Halloween“, „Freitag der 13.“ oder „Nightmare on Elm Street“, leben in ihren späteren Folgen von der Beliebtheit ihres Monsters.

Rob Zombie aber muss für sein Finale der Firefly-Familie tiefer in die Trickkiste greifen, um ihren Tod am Schluss des Films zum tragischen Heldentod werden zu lassen. Gleich zu Beginn, die Erinnerung an die grausamen Taten in „House of 1000 Corpses“ ist noch frisch, schießen sich Otis, Baby und Mama Firefly ihren Weg durch Heerscharen von Polizisten, fliehen mit dem Auto und nehmen eine Familie als Geisel. Die Sympathie des Zuschauers gehört zu diesem Zeitpunkt niemandem, und das macht es nicht gerade leicht, dem Film gefesselt zu folgen.

Am Schluss erst wird „The Devil’s Rejects“ zum funktionierenden Film: Zombie stellt hier die Mechanismen des Terrorfilms auf den Kopf. Es sieht aus wie in Tobe Hoopers „Texas Chainsaw Massacre“, wenn die ganze Firefly-Familie in die rotierende Kamera kreischt, nur dass jetzt diese Antagonisten des Terrorfilms auch gleichzeitig seine Opfer sind: Der rachsüchtige Sheriff Wydell ist es, der Baby, Otis und Captain Spaulding quält und foltert. Und dann, als Baby davonrennt, verfolgt er sie mit einer Axt, zerrt sie aus dem Auto – und wird plötzlich von hinten angegriffen, von einem bereits vergessenen Mitglied der Familie. Das ist Terror- und Slasherkino mit vertauschten Rollen, und das beherrscht Rob Zombie meisterhaft.

Jetzt, wo die Folterer, Vergewaltiger und Mörder endgültig zu Opfern deklariert wurden – Otis darf in seinen Handflächen gar die Wundmale Christus’ zur Schau stellen – ist die Zeit reif: In bester „New Hollywood“-Tradition finden sich die „Devil’s Rejects“ auf dem Highway to Hell, oder eben in die große Freiheit: Im Cabrio, am Horizont eine Straßensperre, und alle drei schwer verwundet. Erst halten sie noch inne, zögern kurz, doch dann akzeptieren sie ihr Schicksal. Mit gezückten Waffen empfangen sie den tödlichen Kugelhagel. Das Bild friert mehrmals ein, der Soundtrack spielt „Free Bird“ von Lynyrd Skynyrd. Und mitten in die flirrende Hitze dieser Szene werden die ersten end credits eingeblendet. Das ist wunderbares, anachronistisches Kino, das erinnert an Peckinpahs „The Wild Bunch“ und an „Thelma und Louise“. Das wohlig-romantische Gefühl aber, das sich beim Zuschauer einstellt, ist ein verflucht ambivalentes: Immerhin feiern wir hier gerade den Heldentod von Massenmördern. Auf dieses Ende und diesen Zwiespalt arbeitet „The Devil’s Rejects“ in jeder Einstellung hin, ob er „Das Imperium schlägt zurück“ oder „Texas Chainsaw Massacre“ zitiert. Das Problem dabei ist: Ohne Identifikationsfigur geht diesem Streifzug durch das Kino der siebziger Jahre bereits vorher die Luft aus. Und bis Zombies Film die Firefly-Familie in sein furioses Finale entlässt, ist ein großer Teil bereits spurlos am Zuschauer vorübergegangen.

The Devil’s Rejects
USA/Deutschland 2005
Buch und Regie: Rob Zombie
Kamera: Phil Parmet; Schnitt: Glenn Garland; Musik: Tyler Bates, Rob Zombie
Mit: Sid Haig, Bill Moseley, Sheri Moon, William Forsythe, Ken Foree
Verleih: Tiberius Film
noch kein Starttermin

Matthias Huber

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.