Alice im Wüsten-Level

In Videospielen lassen sich die einzelnen Level häufig nur durch das jeweilige Leveldesign unterscheiden: da gibt es dann Dschungel-Level, Schnee-Level, Unterwasser-Level und eben auch Wüsten-Level. Das Spielprinzip aber bleibt – ein Jump’N’Run bleibt ein Jump’N’Run und ein Ego-Shooter bleibt ein Ego-Shooter.

resevil_1.jpgDer australische Regisseur Russell Mulcahy, der vor allem mit seinem überlangen Musikvideo „Highlander“ (1984) bleibenden Eindruck hinterließ, verleiht der Resident-Evil-Filmreihe auch keine neuen Impulse. Alles wie gehabt: Das Gameplay der japanischen Capcom-Videospiele („Resident Evil“ erschien 1996 für die PlayStation) wurde schon in Paul W.S. Andersons Verfilmung kaum adäquat übertragen: „Resident Evil“ (2002) fühlte sich eher wie eine Mischung aus Beat ’Em Up („Tekken“), Action-Adventure („Tomb Raider“) und Taktik- und Third-Person-Shooter („Counter-Strike“ / „Splinter Cell“) an, aber nicht wie das Videospielgenre des „Survival Horror“, dessen Gameplay sich weniger durch actionlastige Spielsequenzen auszeichnet als durch eine permanentes, düsteres Bedrohungsszenario – anstatt wild herumzuballern ist man damit beschäftigt,  sparsam die knappe Munition möglichst effektiv auf die verschiedenen Feinde zu verteilen. Die Nahkampffähigkeiten der Spielfiguren sind äußerst bescheiden: hat man die letzte Kugel verschossen, kann man sich praktisch einsargen lassen. Zudem vertragen die Spielfiguren nicht all zu viele gegnerische Treffer: Distanz zum Gegner ist daher stets geboten, zumal die etwas hakelige Steuerung sowieso keine eleganten Ausweichmanöver erlaubt. Vor allem aber wird der „Survival Horror“ durch das Element der „Ink Ribbons“ bestimmt: Dadurch, dass man ein Schreibmaschinen-Farbband benötigt (die doch recht sparsam verteilt sind), um an den ebenfalls selten zu findenen Schreibmaschinen den Spielstand abspeichern zu können, gewinnt das Gameplay enorm an Spannung. Mühsam erkämpfte Spielfortschritte sind somit schnell wieder verloren. Mit der Fallhöhe steigt der Adrenalinspiegel.

resevil_2.jpgIn der filmischen Adaption ist davon wenig zu spüren: die Protagonistin Alice (Milla Jovovich) erinnert eher an die toughe Lara Croft, die so unverwundbar wie aseptisch wirkt. Da die Anteilnahme an den holzschnittartigen Figuren sich in Grenzen hält, hatte Anderson aus der gruseligen Videospielvorlage ein bleigeschwängertes Actionspektakel kreiert. Und als der Kassenerfolg den Machern Recht gab, musste natürlich auch in den Fortsetzungen dieser Weg weiter beschritten werden. So blieb auch Russell Mulcahy nichts anderes übrig, als an die von seinen Vorgängern gesetzten Standards anzuknüpfen, wobei ihm im Gegensatz zu Alexander Witts holpriger Inszenierung („Resident Evil: Apocalypse“) ein handwerklich einwandfreier Action-Streifen gelingt, der die bekannte Geschichte im „Mad Max“-Look forterzählt.

Fünf Jahre nach der nuklearen Zerstörung von Raccoon City durch die Umbrella Corporation breitet sich der firmeneigene T-Virus epidemisch auf die ganze Welt aus. Die USA ist bereits in eine zombiebevölkerte (und menschenentvölkerte) Endzeit-Wüste verwandelt. Der Konzern ist derweil damit beschäftigt, Alice (Milla Jovovich) aufzuspüren, um aus ihrem Blut ein Serum gegen den Erreger zu entwickeln. Denn die Versuche mit Alice-Klonen scheitern – das Original muss her!

resevil_3.jpgDie Handlung des Films zerfällt in ausgedehnte Action-Set Pieces. Level 1: Alice vermöbelt Zombie-Köter in den Ruinen von Las Vegas und findet einen Hinweis, dass es in Alaska noch ein zombiefreies Paradies geben soll. Level 2: Claire Redfield (eine Figur aus dem Spiel „Resident Evil 2“) und Carlos Olivera (bereits im zweiten Teil der Filmreihe präsent) führen einen Convoy mit Überlebenden durch die Wüste. Als sie von einem Schwarm infizierter Krähen attackiert werden, eilt Alice mit ihren telekinetischen Kräften (die ihr das Virus verliehen hat) zu Hilfe und macht den Vögeln mit einem Flammenwerfer den Garaus. Level 3: Nachdem die Umbrella Corporation (mittlerweile mit Sitz im sicheren Tokyo) Alice ausfindig gemacht hat, schickt ihr der Mad Scientist Dr. Isaacs, der in einem zweiten „Hive“, einem Untergrundlaborkomplex irgendwo in der Mojave-Wüste, an einem Gegenmittel forscht, aus Alice-Blut produzierte Super-Zombies auf den Hals. Level 4: Um in den „Hive“ zu gelangen, müssen Alice und die anderen durch einen Ring von Zombies brechen. Bereitwillig opfert sich der infizierte Carlos und sprengt mit einem Tanklaster die Zombiehorde in die Luft – die wenigen Überlebenden fliehen mit einem Hubschrauber nach Alaska, Alice aber steigt in das unterirdische Labor hinab. Level 5: Alice nimmt den Kampf mit dem mittlerweile zum „Tyrant“ mutierten Dr. Isaacs auf und (vorsicht Spoiler!) triumphiert schließlich.

Zwischendurch wird die Antikapitalismuskeule geschwungen: Die Umbrella Corporation weiß, dass Zombies keine Autos kaufen. Daher ist das Bestreben des Konzerns, die Zombieplage einzudämmen, auch rein profitorientiert. Doch als der abtrünnige und schließlich zum Monstrum mutierte Dr. Isaacs das US-Labor samt Belegschaft zerlegt, kann Konzernchef Albert Wesker vor seiner Betriebsversammlung nur noch verlauten lassen, dass der amerikanische Markt „verloren“ ist. Für miese Stimmung bei den Anlegern sorgt dann auch noch Alicia, die per Hologramm-Übertragung in die Geschäftssitzung platzt und verkündet, dass sie mit ihren von Umbrella produzierten Klonen nach Tokyo kommen wird, um den skrupellosen Machenschaften des Konzerns endgültig ein Ende zu bereiten.

resevil_4.jpgNachdem der dritte Teil der „Resident Evil“-Reihe in den USA die Kassen zum klingeln brachte (und die beiden Vorgänger nochmals überbot), ist eine Fortsetzung auch schon so gut wie beschlossen. Und all jene, die das inhaltliche Niveau der Filme bemängeln, seien daran erinnert, dass es immerhin Bernd Eichingers Ko-Produktionen waren, die das gegenwärtig ungebrochene Revival des Zombiefilms erst in die Wege leiteten. Über den Umweg der Videospiele (neben Capcoms „Resident Evil“ auch „House of the Dead“ (SEGA), „Silent Hill“ (Konami)) kehrten die Untoten, die zuletzt Ende der 70er / Anfang der 80er einen ähnlichen konjunkturellen Aufschwung erlebten, über Andersons ersten „Resident Evil“-Film auf die Leinwand zurück. Seitdem entstanden großartige Werke wie „28 Days Later …“ (2002), „Shaun of the Dead“ (2004), „Land of the Dead“ (2005), „28 Week Later …“ (2007) und – demnächst in deutschen Kinos – „Planet Terror“ (2007).

Der Zombie, der Proletarier unter den Leinwandungeheuern, ist wieder zum festen Bestandteil unserer Kultur geworden, wie z.B. die Eastpak-Werbung oder das neueste Video zu dem Ärzte-Song „Junge“ zeigt. Ohne die Kassenschlager aus dem Hause Constantin wäre dieses Phänomen wohl undenkbar gewesen. Wer rasantes Popcorn-Kino erwartet, wird nicht enttäuscht werden. Man darf allerdings nur hoffen, dass sich die Macher der Videospiele nicht zu sehr vom Erfolg der Verfilmungen beeinflussen lassen. Das Spielprinzip des „Survival Horror“ würde durch eine Anreicherung mit Jump’N’Run-Elementen doch arg in Mitleidenschaft gezogen werden.

Resident Evil – Extinction
(USA/D/GB/F/AUS 2007)
Regie: Russell Mulcahy; Buch: Paul W. S. Anderson; Musik: Charlie Clouser; Kamera: David Johnson; Schnitt: Niven Howie
Darsteller: Milla Jovovich, Oded Fehrm Ali Larter, Iain Glen, Ashantim Christopher Egan u. a.
Länge: 95 Minuten
Verleih: Constantin

Jörg Hackfurth

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