Sie haben es sich verdient

„Wenn einer eine Reise tut, dann kann man ihn gut quälen.“ So ähnlich ließe sich das Konzept hinter dem im letzten Jahr aus der Taufe gehobenen und marktschreierisch „Torture Porn“ betitelten Horror-Subgenre beschreiben. In den definierenden Filmen „Wolf Creek“ und dem populären „Hostel“ durfte der Zuschauer den Protagonisten dabei zusehen, wie sich deren Urlaub in einen blutigen Albtraum verwandelte. Mit „Turistas“ findet der Torture Porn nun auch Eingang in den popcornigen Horror-Mainstream, nachdem Eli Roth in seinem als Nerdfest getarnten Film europäische US-Kritik und US-amerikanische Paranoia erstaunlich geschickt unter einen Hut brachte und „Wolf Creek“ seine Geschichte sehr artifiziell und stilistisch irgendwo zwischen Peter Weirs „Picknick am Valentinstag“ und der dokumentarischen Authentizität des True-Crime-Cinemas angesiedelt aufbereitete.


turistas.jpgJohn Stockwells „Turistas“ führt seine Protagonisten, eine bunte Gruppe englischsprachiger Backpacker aus verschiedenen Ländern, nach Brasilien. Als der klapprige Reisebus von der Straße abkommt und einen Hang hinabstürzt, sehen diese sich der Aussicht gegenüber, zehn lange Stunden auf einen Ersatzbus zu warten. Nach einem unangenehmen Streit mit den brasilianischen Leidensgenossen beschließt man, die Gegend zu erkunden und landet schon bald an einem aus der Bacardi-Werbung entsprungenen Traumstrand, Strandbar inklusive. Kurzerhand werden alle bestehenden Pläne über Bord geworfen und so erleben die Backpacker zusammen mit den freundlichen Einheimischen eine rauschhafte Nacht mit Samba, Alkohol und Sex. Der Kater am nächsten Morgen ist allerdings gewaltig: Nicht nur, weil man mit Drogen außer Gefecht gesetzt wurde, sondern vor allem, weil sämtliches Gepäck verschwunden ist. Der Bus, den man nun doch ganz gern besteigen würde, ist natürlich längst weg und so sehen sich die Turistas völlig mittellos im Niemandsland gestrandet. Das soll sich aber noch als ihr kleinstes Problem herausstellen: Die Einheimischen arbeiten nämlich mit einem gewissenlosen Doktor zusammen, der munteren Handel mit Organen – mit Vorliebe denen von Touristen, vorzugsweise amerikanischen – betreibt. Und der Operationstisch ist schon gedeckt für die Gringos …

Innerhalb von nur zwei Filmen haben sich die Gesetze des „Torture Porn“ festgeschrieben. Auch John Stockwell hält sich streng an die von seinen Wegbereitern etablierte scharfe Gliederung in zwei deutlich voneinander geschiedene Hälften. In „Turistas“ funktioniert diese Teilung indessen besonders gut: Ließen sowohl Eli Roth als auch Greg McLean die Stimmung sehr abrupt kippen, steigert sich „Turistas“ eher langsam vom ganz normalen Wahnsinn hin zum bizarren Horror. Für einen Thriller hätte wohl schon die erste Stufe des Schreckens – ohne Geld, ohne Gepäck im Nirgendwo – für milden Grusel gereicht und es ist die Leistung des Films, diese sehr nachvollziehbare Ausgangssituation immer mehr zu dramatisieren. Stockwell und sein Drehbuchautor Michael Ross (u. a. „Wrong Turn“) drehen so geschickt an der Spannungsschraube, dass ihr Film seinen Kulminationspunkt nicht in der Ausweidung durch den Organhändler findet, der – ebenfalls genretypisch – seine Handlungen nicht zuletzt als politische Mission betrachtet, sondern in einer dramatischen Unterwasser-Verfolgungsjagd, bei der die letzten Überlebenden durch eine Höhle tauchen und sich von einer winzigen Luftblase zur nächsten retten müssen. Wenn der Zuschauer die kostbare, weil knappe Atemluft auf der Leinwand tatsächlich schwinden sieht, findet „Turistas“ das perfekte Bild, um seine Spannungsstrategie zu bebildern: Seinen Protagonisten wird in TURISTAS mehr und mehr die Sicherheit geraubt, bis am Ende noch nicht einmal die Luft zum Atmen bleibt.

Turistas
(Turistas, USA 2006)
Regie: John Stockwell, Drehbuch: Michael Ross, Kamera: Enrique Chediak, Musik: Paul Haslinger, Schnitt: Jeff McEvoy
Darsteller: Josh Duhamel, Melissa George, Olivia Wilde, Desmond Askew, Beau Garrett
Verleih: Universum
Länge: ca. 90 Minuten

Zur DVD von Universum

Bild: 2,35:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch
Extras: Audiokommentar, Deleted Scenes, Alternatives Ende, Trailer
FSK: Keine Jugendfreigabe
Preis: 22,99 Euro

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