Der Tod und die Medien II

Die Welle von us-amerikanischen Remakes asiatischer Horrorfilme ebbt nicht ab. Nachdem zuletzt die beiden Teile von Takashi Shimizus „Ju-on – The Grudge“ ins Kino gekommen waren, gelangt nun das kleinere japanische Gruselkino ins Visier der Remaker. Einer der subtileren, aber dennoch etablierten Regisseure ist Kiyoshi Kurosawa, von welchem hierzulande bislang nur „Kôrei“ und „Kairo“ auf DVD erschienen sind. Kinowelt veröffentlicht nun Jim Sonzeros Remake zu letzterem – ein Film, der bereits im Original durch seine komplexe Verknüpfung von Leben, Tod und Medialität oft mehr verwirrtend als beängstigend war. Das Remake schafft – wie so oft bei US-Adaptionen – mehr Klarheit und Horror.

pulse_dvd-d-1.jpg Diese Klarheit beruht zunächst auf einer Reduktion der Motive und Figuren. Letztere scheinen beinahe vollständig in den Hintergrund zu rücken und bilden lediglich das Plateau, auf dem sich das horrible Geschehen abspielt. Die Erzählung ist im Studentenmilieu situiert: Der sonst eher lebenslustige Josh wird, nachdem er ein unheimliches Erlebnis in einer Bibliothek hat, zunehmend depressiver, zieht sich in seine Wohnung zurück und bricht den Kontakt zu seiner Freundin Mattie ab. Als diese ihn besucht, um nach dem rechten zu sehen, erhängt sich Josh vor ihren Augen. Wenige Tage später erhält sie jedoch von seinem Computer Chat-Nachrichten. Sie versucht den Rechner ausfindig zu machen, der von der Hausverwalterin mittlerweile an einen Bastler namens Dexter verkauft wurde. Dieser versichert ihr, den Computer weder eingeschaltet noch das Chat-System benutzt zu haben. Kurz darauf findet er eine Videobotschaft von Josh auf der Festplatte, aus welcher er erfährt, dass dieser an einem Computervirus gearbeitet hat und sich infolge dessen nun unheimliche Dinge abspielen. Darüber hinaus scheint sich eine seuchenartige Depressionswelle über die Stadt auszubreiten, von der die Freunde und Professoren Matties betroffen sind. Als die Zahl der Suizide rasant ansteigt, machen sich Mattie und Dexter auf die Suche nach den Ursachen und entdecken, dass das Computervirus in weit mehr als nur fremde Rechner eingedrungen ist.

pulse_016-1.jpgDass in den Kommunikationsmedien ein Unheil verborgen ist, das soziale Sprengkraft besitzt, ist ein weit verbreitetes Vorurteil konservativer Kulturbewahrer. Derlei Vorurteile haben immer schon eine dankbare Basis für Grusel- und Horrorerzählungen geliefert – zumal, wenn sie den Untergang einer ganzen Gesellschaft prognostizieren. Dass gerade Horrorfilme, die von Medien handeln, diese „reaktionäre“ Tendenz besonders deutlich thematisieren, mag daran liegen, dass Medien in Medien besonders plastisch abbildbar sind. Selbst unsichtbare Kommunikationskanäle, wie sie in „Pulse“ thematisiert werden, bekommen etwas sicht- und greifbares durch ihre Visualisierung – erst recht, wenn der ihnen innewohnende „Geist“ (die Information) den Kanal eigenmächtig verlässt und sichtbar wird. Zuletzt hat diesen Zug Geoffrey Sax‘ „White Noise“ überaus deutlich veranschaulicht. Wurden dort die audiovisuellen Medien und deren weißes Rauschen dämonisiert, ist es in „Pulse“ die drahtlose Kommunikation: WLAN, Handytelefonie und Radio. Der „Äther“, in welchem sich sowohl die elektromagnetischen Wellen wie auch die Geister bewegen, wird von letzteren kurzerhand gekapert, um über die Schnittstelle (das Telefon, den Computer, das Radiogerät) in die Welt der Lebenden zu gelangen.

pulse_002-1.jpgWas die Geister in unserer Welt wollen, vermittelt der Film allzu deutlich: Sie rauben Lebensenergie. Die Szenen, in denen sich die Toten der Lebendigen bemächtigen, um diese zuerst in halb- und sodann in ganz Tote zu verwandeln, zeigen dies drastisch. Und sie sind erfolgreiche, denn nahezu jeder kommuniziert ständig mit jedem über einen der infizierten Kanäle. Das einzige Mittel, sich ihres Zugriffs zu erwähren, bestünde folglich darin, nicht zu kommunizieren. Da man in der voll entwickelten Mediengesellschaft – zumal als jugendlicher Protagonist eines Horrorfilms – aber nicht nicht kommunizieren kann, hilft nur die Flucht in die mediale Regression. Erst außerhalb aller Funknetze sind die Helden aus „Pulse“ vor den Geistern sicher. Nur: Wo ist kein Netz? Der oben erwähnte konservative Hang des Horrorfilms verdeutlicht sich im Plot von Jim Sonzeros Film überdeutlich. So souverän, wie die Teenager zuvor im Umgang mit ihren Handys, Computern und Instant-Messengern gewirkt haben, so verloren stehen sie nun, da sie sie nicht mehr nutzen können, da. Dass „Pulse“ gerade zu Beginn ein wenig lächerlich wirkt, weil er die ewig telefonierende und chattende Jugend darstellt, eröffnet sich später und vor diesem Hintergrund als bitterer Sarkasmus.

„Pulse“ kann jedoch wesentlich mehr als sich lediglich an einen kritischen Diskurs über adoleszente Mediennutzung anzuschließen. Eine Besonderheit des Films liegt in seiner recht ausgeklügelten Bildästhetik der Angsterzeugung. Dass Horrorfilme mit der Dunkelheit operieren und deshalb vor allem im Kino ihre größte Wirkungsmacht entfalten, ist seit den Tagen des expressionistischen Films bekannt. Und schon zu Beginn der Horrorfilmgeschichte war man bemüht, den Grusel als grenzüberwindendes Phänomen zu inszenieren. Der Horror auf der Leinwand sollte in den Horror (bzw. den Affekt) im Zuschauer münden. Dies wurde unter anderem visuell dadurch ermöglicht, dass das Filmbild von dessen Mitte hin zu seinen Bildrändern immer weniger ausgeleuchtet wurde, so dass die Kanten des Bildes ins Schwarze verliefen und mit der Dunkelheit des Kinosaals verschmolzen. Auf diese Weise konnte der Blick des Zuschauers über das Bild gleiten und wurde durch keine allzu deutliche Kontur zurück ins Realitätsprinzip gezwungen.

pulse_020-1.jpg„Pulse“ setzt diese Bildästhetik an etlichen Stellen ein – vor allem nachdem die Geister immer häufiger auf die Welt der Lebenden zugreifen. Die ohnehin bereits matten und dunklen Bildern verlieren sich an ihren Rändern im Schwarz. In Sonzeros Film verdoppelt diese Bildästhetik über den reinen Effekt hinaus zudem das Thema des Films: So wie die Geister im Film über die medialen Grenzen in die Wirklichkeit der Protagonisten treten, so entgrenzt der Geisterfilm sich selbst durch diese Mise-en-Abyme-Strategie und packt seine Zuschauer umso nachhaltiger.

„Pulse“ ist sicherlich nicht das gruseligste und vom Plot her – das Drehbuch stammt aus der Feder Wes Cravens – auch nicht das ausgetüfteltste Remake eines japanischen Horrorfilms. In den Szenen seiner bildlichen Entgrenzung und im konsequenten Vorantreiben seines medialen Diskurses besticht der Film jedoch durchaus. Kiyoshi Kurosawas Kino gilt als sehr westlich ausgerichtet (das zeigt sich bereits an der Wahl seiner literarischen Vorlage zu „Kôrei“). Dass nun sein vielleicht „japanischster“ Film eine westliche Relektüre erfahren hat (die sich zudem auf das ganz spezifische westliche Kommunikationsverhalten bezieht), scheint da nur konsequent.

Pulse
(USA 2006)
Regie: Jim Sonzero; Buch: Wes Craven; Musik: Elia Cmiral; Kamera: Mark Plummer; Schnitt: Robert K. Lambert, Bob Mori, Kirk M. Morri
Darsteller: Kristen Bell, Ian Somerhalder, Christina Milian, Rick Gonzalez, Jonathan Tucker, Samm Levine u. a.
Länge: 90 Minuten
Verleih: Kinowelt

Die DVD von Kinowelt

Bild: 2,40:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (5.1 Dolby Digital, 6.1 DTS-ES), Englisch (5.1 Dolby Digital)
Untertitel: Deutsch
Extras: 2 Audiokommentare, Interviews, Making of, Deleted Scenes, Featurettes, Fotogalerie, Produktionsnotizen, Musikvideo von SONIC SYNDICATE: „Denied“, TV Spots, Trailer
FSK: ab 16 Jahre
Preis: n. n.

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