Monster

Man kann und darf vor dieser Frau durchaus Angst haben. Wenn sie am Ende nach dem über sie verhängten Todesurteil wankend aufsteht und den Richter anfährt, er solle in der Hölle schmoren, schreit sie uns allen indirekt ins Gesicht. Die berichterstattenden Medien – das denkt man sich nur, der Film zeigt es nicht – werden diese Frau nach dieser Show als Ungeheuer und Monster abstempeln. Uns fällt das etwas schwerer: Wir kennen ihre Geschichte.

Monster ist ein Serialkillermovie und diese pflegen – was sie mit Vorsicht zu genießen macht – auf wahren Begebenheiten zu basieren. Im vorliegenden Fall wäre das die Mordserie von Aileen Wournos (Charlize Theron) in den 80er Jahren. Diese soll, so der Film, bereits in frühesten Kindheitstagen den Traum gehegt haben, einmal Filmstar zu werden, wie wir zu Beginn in körnigen Super8-Aufnahmen erfahren. Dazu muss man entdeckt werden, wie sie weiß, und weil die Jungs aus der Nachbarschaft gerne ihre körperlichen Reize entdecken, entblößt sie für ein paar Bucks auch mal ihre Brüste. Ein paar Jahre später ist die naive, eigentlich sogar recht tumbe Aileen noch immer nicht entdeckt worden und pflegt ein eher armseliges Dasein als White-Trash-Prostituierte und Obdachlose. Als die süße Selby (Christina Ricci), die als Lesbe unter puritanischen Eltern selber an ihrem Leben zu scheitern droht, sie am Tresen anspricht, reagiert sie zunächst renitent und von der ‚Dyke‘ eher abgestoßen. Dennoch landet man nach einer durchzechten Nacht im gleichen Bett, wenngleich zunächst noch ohne Folgen. Aus der zarten Freundschaft wird jedoch bald schon ein inniges, auch intimes Verhältnis. Der Gedanke, endlich als Schönheit, wenn auch nicht als Star, entdeckt zu sein, beflügelt und beengt Aileen gleichermaßen: Sie lebt auf, wie sie gleichzeitig auch Selby bis an die Selbstaufopferung grenzend verfällt. Eine Ökonomie entwickelt sich, in der Aileen, jeglicher Souveränität verlustig, nach einer brutalen Vergewaltigung durch einen Freier sich zur Killerin wandelt, die für ein paar Dollar jeden niederschießt, um das Glück der beiden – Selby ist mittlerweile von zuhause abgehauen – auch weiterhin zu finanzieren. Selby ahnt derweil noch nichts vom Doppelleben ihrer Geliebten.

Patty Jenkins hat ihr Debut als Regisseurin sehr einfühlsam gestaltet, nicht ohne dabei gelegentlich auch ein wenig über das Ziel hinaus zu schießen. Sehr bemerkenswert ist die fehlende psychopathologische Ebene des Films, die in Filmen mit vergleichbaren Sujets oft den Primat der Erzählung stellt: Wenngleich eine Misshandlung der Killerin im Kindesalter zwar an einer Stelle erwähnt wird, wird diese Karte dankenswerterweise nicht ausgespielt. Auch andere archäologische Betätigungen in Wournos‘ Biografie finden kaum statt: Zu keinem Zeitpunkt des Films steht außer Zweifel, dass die Taten der Protagonistin – zumindest jene, die nicht, wie der Rachemord in Folge der Vergewaltigung, affektbedingt sind – nicht nur Folge sozialer und ökonomischer Bedingungen sind, sondern auch – aus Aileens Perspektive, die wir stets teilen – zumindest graduell Ergebnisse eines halbwegs wach geführten Entscheidungsprozesses sind, ohne dabei die Rolle der vielfältigen Determinationen zu deminuieren. Weder ist sie das unsagbar Böse, wie es klassische Horrorfilme, deren Erbe mituter die Serialkillerfilme dereinst antraten, oft formulieren, noch ist sie Ergebnis eines verknappten vulgär-psychoanalytischen Allgemeinplatzes, die in ähnlichen Filmen oft so unsagbar nerven. Doch, man kann – bei aller Distanz, die man zu diesem ruppigen, unartikulierten Wesen auch verspüren kann – durchaus nachempfinden, warum zumindest der Mensch dieser filmischen Narration so handelt, ohne das Gefühl zu haben, über Gebühr vom Film überwältigt zu werden. In seiner minutiösen Nachzeichnung der Ereignisse der letzten Tage vor Aileens Festnahme entwickelt der Film bisweilen eine sensible Qualität, die für das Genre eher ungewöhnlich ist.

Was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass Monster nicht doch auch mit einigen Problemen zu kämpfen hat, die ihm bisweilen das Genick zu brechen drohen. Zum einen wäre da die Musik, die mitunter etwas penetrant eingesetzt und mit zweifelhaftem Geschick ausgewählt wurde: Vor allem jene Sequenzen, die von der ungeheuer aufgelösten, inneren Welt der Protagonistin erzählen, werden hier auf auditiver Ebene mithin schon fast wieder in ihrer Wirkkraft kastriert. Zum anderen wäre da eine über weite Strecken bestenfalls hausbackene, eigentlich schon anachronistische Art der Inszenierung, die zwar sichtlich Nähe und Authentizität suggerieren will, dabei aber oft genug in der Sackgasse der Fernsehfilmästhetik versandet. Dies mag, gerade zu Beginn, als vor allem die Liebesgeschichte zwischen Aileen und Selby im Vordergrund der Erzählung steht, auch künstlerisch Sinn machen, wenn man sich gelegentlich auch rein äußerlich klassischen 80ies-Liebesfilmen annähert: Die wenigen glücklichen Momente eines eher schlichten Menschen, der derart seinen naiven Träumen verhaftet scheint, auf ästhetischer Ebene den Traumbildern jener Zeit anzugleichen, ist künstlerisch durchaus naheliegend. Auf lange Sicht aber geht diese Rechnung kaum auf: Der Film plätschert eher gemächlich vor sich hin, ohne dass der Zuschauer aufgrund dieser reduzierten Inszenierung tiefer in das Geschehen eingebunden wäre. Für eine zusätzliche Distanzierung sorgt Charlize Therons Performance, die sich hier im Over-Acting mit latenter Oscar-Spekulation übt – die Rechnung ging leider auf: Die Academy bedachte die hier kaum wiederzuerkennende Schauspielerin mit dem begehrten Goldjungen, unerklärlicherweise.

Der Film lief auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin im Wettbewerb und ab 15. April im Kino.

Monster
(USA 2003)
Regie/Drehbuch: Patty Jenkins; Kamera: Steven Bernstein;
Darsteller: Charlize Theron, Christina Ricci, Bruce Dern, u.a.

Thomas Groh

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.