Die Vogelpredigt

Entweder ist das vollends größenwahnsinnig, verrückt und gerade deshalb auch sehr großartig, vor allem aber von geradewegs erfrischender Inspiriertheit. Oder es ist einfach nur schräg hingezimmert. Ich bin der Meinung, ersteres hat Gültigkeit. Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber schon alleine das macht diesen Film wichtig und es ist gut, dass er auf dem Festival einen Platz gefunden hat. Von nicht wenigen Wettbewerbsfilmen wäre das genaue Gegenteil zu behaupten.

Es sind zwei Männer, die durch diesen Film fahren. Sie sind auf dem Weg zu einem dritten, zu Klopfi, dem Regisseur selbst. Der ist auch im Film Regisseur und vermutlich sogar er selbst, denn in seinem letzten Film, Das Schweigen der Männer, spielten die beiden Männer mit – dies- wie jenseits des Films. Und nun wollen sie wieder hin zu ihm, weil der eine, Max, einen Vorschlag zu machen hat: Er will ein Sequel hininszeniert bekommen, eine große Kolportage, mit Sex’n’Crime natürlich, ein Film ganz für das Publikum, das weltweite natürlich, weil den ganzen verschrobenen Kunstmist, finanziert aus öffentlichen Mitteln der Schweiz, den will doch keiner sehen. Ein Afrikafilm soll es werden, eine Jagd über den Kontinent, mit Al-Quaida und der CIA und jungen, schönen Frauen. Klopfi aber lebt in einer Ruine, ganz verschrobener Künstler, sinniert über sich, den Film, die Kunst, die Welt. Doch bis es dazu kommt, delirieren die beiden Männer durch einen Erotikfilm mit Splatterende, ein intellektuelles Klosterdrama, das sich als Klopfis letztgeplantes Filmprojekt zu erkennen gibt, und wenn sie dann endlich bei ihm sind, ist er nicht begeistert von der Idee und er dreht mit ihnen im Wald einen Franziskaner-Mönchsfilm, doch es ist eine Falle, er haut ab, die beiden allein, verirrt, Hunger, sie finden seine Kamera, Klopfi ist tot, der Wolf hat ihn gefressen – Blair Witch Project in Norditalien. Dann ist der Film aus, ein Standbild zeigt die beiden, in Mönchsgewand, in der Weite einer verlassenen Landschaft.

Das ist witzig und genial. Mal ist es hanebüchen und prätentiös. Dann eröffnet sich wieder manche Überlegung zum Verhältnis des öffentlich finanzierten Films, des billigen Genrekinos, ja überhaupt zum State-of-the-Art des Films und des Kunstfilms, der sich als Kunst im trivialsten Medium (wie es ihm Film an einer Stelle bezeichnet wird) bewegt und schnell somit auch verschütt geht (wo, etwa, kann man schon einen Klopfensteinfilm sehen, obwohl der Mann bislang nicht gerade unproduktiv war!). Ästhetisch handelt es sich dabei am ehesten noch um eine Art fiktiven Dokumentarfilm, was verwirrend ist, wenn die beiden Protagonisten ganz offensichtlich die Welt des Authentischen verlassen und durch Genrewelten laufen, dabei aber selten ein ästhetischer Bruch vonstatten gegangen wäre.

Dazu dann die Musik, die fast stets präsent ist, mal trashig, mal Camp, mal atmosphärisch dicht und passend. Sie erinnert an Videohorrorfilme aus den 80ern und ähnliches Gemurkse. Überhaupt wäre zu untersuchen, wie auf der Tonspur sich unter Umständen eine zweite Erzählung entfaltet.

Eine Reflektion also über Film, Kino, Kunst, Mainstream, Trivialitäten. Wie das alles immer mehr durcheinander wischt, ganz ohne schwerfälligen Gestus der Grüblerei entwickelt, vielmehr in seiner Leichtigkeit geradezu brillant und darüberhinaus aufs Frechste humorvoll und durchtrieben. An der Wand hängt ein Bild von Godard, im Hintergrund, nicht nach vorne gedrängt, die Musik dazu stammt aus einem Video Nasty. Doch, ich glaube dieser Film ist der Wahnsinn in bester Form. Schauen Sie ihn sich an!

Thomas Groh

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