»Der Terror ist da!!!«

Gleich zwei Mal eroberte der Terrorismus auf dem letztjährigen Filmfest in München das deutsche Kino. In „Schläfer“ wurde die allgegenwärtige Paranoia gegenüber muslimischen Mitbürgern zum Thema gemacht. Dabei war es ganz gleichgültig, ob der Verdächtigte auch tatsächlich ein Terrorist ist; die Unsicherheit, dass er einer sein könnte, mobilisierte die Verdachtsmomente seines Umfeldes. „Falscher Bekenner“ handelt nun ebenfalls davon, dass in Zeiten globaler Bedrohungen hinter jeder unscheinbaren Fassade ein potenzieller politischer Mörder stecken könnte.

Erzählt wird die Geschichte des Teenagers Armin, der nach seinem Realschulabschluss beschäftigungslos im Elternhaus herumlungert. Zur Bundeswehr oder zum Zivildienst muss er nicht, eine Lehrstelle findet er aufgrund seiner schlechten Zeugnisse und seines verschlossenen Wesens nicht. Einzig seine Nachbarin Katja, in die Armin sich im Laufe des Films immer mehr verliebt, scheint ihn ein wenig aus seiner Introvertiertheit hervorzulocken. Als er zu bei einer seiner häufigen nächtlichen Wanderungen ein verunfalltes Auto mit einem darin toten Lokalpolitiker findet, kommt Armin auf die Idee, ein anonymes Bekennerschreiben zu verfassen. Und auch für einen Hausbrand erklärt er sich auf diesem Wege verantwortlich. Was für ihn nur spielerische Abwechslung von der Tristesse des Alltags ist, greifen die Medien schnell auf und vermuten, dass nun der Terror in das Kleinstädtchen Einzug gehalten habe.

„Falscher Bekenner“ lässt seinen Zuschauer über viele Aspekte der „Realität“ im Unklaren: Imaginiert Armin seine nächtlichen Orgien in der Autobahntoilette? Ist er der Brandstifter? In Flashbacks, die immer wieder in den Film eingestreut sind und wie Erinnerungsbilder inszeniert werden, wird uns nahe gelegt, dass der Jugendliche einiges zu verbergen hat. Im Gegenzug entwickelt der Film aber genau das gegenteilige Profil seines Protagonisten: schüchtern, verschlossen, ängstlich, realitätsfremd. So schätzen ihn nicht nur seine Mitmenschen ein, sondern auch der Zuschauer des Films. Er solle „offensiv mit der Wahrheit umgehen“ lernen, erfährt er bei einem fingierten Vorstellungsgespräch. Was Armin in der Bewerbungssituation nicht zu leisten vermag, setzt er schließlich in seinem Privatleben um: Er brüskiert Katja mit seiner geheimen Leidenschaft, verrät die Geheimnisse seines Bruders an die Eltern und stellt sich schließlich sogar bei der Polizei.

Hochhäusler geht dabei äußerst behutsam mit seiner Figur um. Die „Bekenner“-Problematik wird zum Vehikel für das intensive Psychogramm eines Jugendlichen, der keine Perspektive sieht und dem es bei seinen Lebensumständen nicht möglich ist, direkte Erfahrungen zu sammeln (darin unterscheidet er sich nicht durch seine Freunde, wie eine Szene, in der Armin anstelle eines Freundes Schokolade essen soll, damit dieser die „indirekte Erfahrung“ des Genusses an Armins Gesicht ablesen kann). Diese Problematik überträgt der Film auf seine Rezeptionssituation: Auch der Zuschauer ist sich durch die Indifferenz von Real- und Erinnerungsbild nur selten darüber im Klaren, was „wirklich passiert“ ist. Hochhäusler spielt geschickt mit unserem filmästhetischen Vorwissen, um seine Verwirrung perfekt zu inszenieren.

Am Ende steht ein Film, der sein politisches Thema nicht nur zur Reflexion über die Indifferenz von Wahrheit und Lüge im medialen Sinne nutzt, sondern – wie bei „Schläfer“ – abermals darauf hinweist, dass angesichts eines sensiblen Themas wie Terrorismus nur allzu leicht eine einfache Erklärung, die zu irgendeinem Ziel führt einer komplizierten Erklärung vorgezogen wird. Dass Armin, als er am Schluss des Films von der Polizei verhaftet wird, lächelt, als er in den Streifenwagen einsteigt, scheint pointiert auf diese Erkenntnis hinzuweisen.

Falscher Bekenner
Deutschland 2005
Regie & Buch: Christoph Hochhäusler, Musik: Benedikt Schiefer, Kamera: Bernhard Keller, Schnitt: Stefan Stabenow
Darsteller: Constantin von Jascheroff, Manfred Zapatka, Victoria Trauttmansdorff, Marianne Steeb u.a.
Länge: 96 Minuten
Verleih: Piff.

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