Zombie 5

Was wir über Zombies wissen, das wissen wir aus den Massenmedien. Filme und Bücher (zuletzt vielleicht Max Brooks’ „Zombie Survival Guide“) haben die Regeln des Sub-Genres erweitert, die George A. Romero 1968 mit „Night of the Living Dead“ und 1978 mit „Dawn of the Dead“ aufgestellt hat. Seine Epigonen aus Italien, Frankreich, Spanien, den USA, Japan und anderswo haben sich zumeist daran gehalten und damit die Umrisse des Zombiefilms immer klarer herausgearbeitet, die es heute ermöglichen, das Motiv aus dem Horrorfilm in andere Genres zu überführen. Zombies tauchen nun als politische Botschafter (Joe Dantes Kurzfilm „Homecoming“) oder Witzfiguren (Edward Wrights „Shaun of the Dead“) auf. Und sogar zu Sinnbildern für (bittere) sozialpolitische Kommentare sind sie jüngst (etwa in Andrew Curries „Fido“) geworden. Was Romero seinem eigenen Mythos, der sich also zweifelsfrei längst von seinem Schöpfer emanzipiert hat, noch hinzuzufügen hat, versucht sein fünfter Zombiefilm „Diary of the Dead“ zu klären.

diary-of-the-dead.jpgRomero geht darin noch einmal zurück „auf Anfang“. Ein Filmteam, bestehend aus einer handvoll Studenten mit ihrem Professor, dreht in einem nächtlichen Wäldchen gerade einen Mumienfilm als über das Radio beunruhigende Neuigkeiten kommen. Eine Seuche sei ausgebrochen, die sich unaufhaltsam ausbreite und bei der Menschen andere Menschen anfallen und beißen. Die Opfer der Seuche sterben nicht etwa, sondern erwachen wieder zum Leben und beißen andere usw. Das Fernsehen berichtet von einem Fall, in dem zuerst ein Polizist, dann das Fernsehteam selbst von einem Infizierten angefallen wird. Die Studenten, in der Handhabung der jüngsten Medientechnologien durchaus geübt, haben nun zweierlei im Sinn: Die einen wollen unbedingt heim zu ihren Familien, die anderen das Geschehen dokumentieren, um eine alternative Beschreibung der Katastrophe im Web anzubieten, denn schon bald wird klar, dass die Regierung und die Medienkonzerne die Seuche und ihr Fortschreiten beschönigen. Mit einem Kleinbus fahren die jungen Leute von einem Ziel zum nächsten, immer auf der Suche nach verwandten und bekannten Überlebenden, stoßen dabei auf verlassene Krankenhäuser, hoch-organisierte Plünderer, versprengte Flüchtende und immer wieder auf Untote, deren sie sich bald zu erwehren lernen.

diary1.jpgRomeros Zombiefilme waren schon immer „offensichtlicher“ in ihrer Botschaft als die meisten anderen Vertreter des Subgenres. „Night of the Living Dead“ ist (auch) leicht als Film über Rassismus zu verstehen gewesen, „Dawn of the Dead“ (auch) als ein Kommentar zum Verhalten des Menschen im Warenkapitalismus und „Land of the Dead“ zuletzt vielleicht sogar (auch) als eine Allegorie Armutsmigration in Zeiten der Globalisierung. „Diary of the Dead“ bildet daher sozusagen keine Ausnahme, wenn es darum geht, das Zombie-Phänomen nicht als bloßes Grusel- und Splatterkonstrukt aufzugreifen. Zwar spart Romero auch hier wieder nicht mit Ingredenzien, die beides bedienen, doch steht das Thema der „demokratisierten Medien“ im Web 2.0 eindeutig im Zentrum des Geschehens – und das keineswegs in einem eindeutigen Sinne. Es kommt „Diary of the Dead“ nicht darauf an, wirklich ein Gegengewicht zu den offiziösen Medienproduktionen anzubieten, sondern vielmehr zu zeigen, dass es in der strukturellen Verfasstheit medialer Berichterstattung liegt, dass „die“ Wahrheit mehr und mehr von anders gearteten Interessen korrumpiert wird. Das Verbiegen der Wahrheit ist dabei ein Prozess zwischen Selbstzensur, Erwartungserwartung, Zuschauerbindung und Rezeptionsanalyse. Die bei YouTube hochgeladenen „alternativen Berichterstattungen“ werden in ihrer Qualität schon bald danach bewertet, wie viele „clicks“ sie haben und für ein „gutes Bild“ wird auch schon einmal das Leben eines der Gefährten riskiert.

diary2.jpgDamit verschiebt sich „Diary of the Dead“ natürlich – wie schon die Vorgängerwerke – vom Unterhaltungsprodukt zur oft nicht wenig penetranten Mahnung und Warnung. Diesen Beigeschmack hat der Film wesentlich intensiver als seine Vorgängerwerke – sogar intensiver als „Land of the Dead“, der teilweise schon gar nicht mehr ohne die Bewertung seines „Sub“-Textes wahrgenommen wurde. Es ist – wie einige Kritiker nahelegen – sicherlich kein Phänomen des Alters bzw. Alterskonservativismus des Regisseurs, dass dieser Zug so deutlich in den Vordergrund tritt. Vielmehr ist es wohl der verzweifelte Versuch des Distinkstionsgewinns ohne dabei die eigene Handschrift zu verraten. Was hat ein George A. Romero noch über bzw. durch Zombies zu erzählen in einer Filmwelt, in der sich seine Schöpfung so sehr von ihrem Urprungsmythos emanzipiert hat? „Diary of the Dead“ ist kein origineller Film, er ist der „gewohnte“ Blick Romeros auf einen Filmmythos, den er einfach nicht sterben lassen kann – selbst wenn er es wollte.

Diary of the Dead
(USA 2007)
Regie & Buch: George A. Romero; Musik: Norman Orenstein; Kamera: Adam Swica; Schnitt: Michael Doherty
Darsteller: Joshua Close, Scott Wentworth, Michelle Morgan, Joe Dinicol, Shawn Roberts, Amy Ciupak Lalonde, Philip Riccio, Megan Park u. a.
Länge: 95 Minuten
Verleih: N. N.

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