Wie in einem Schauerroman

Die Talentschmiede um Stewart Gordon hat in den 1980er und 1990er Jahren zahlreiche, der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt gewordene Filme, Schauspieler und Regisseure hervorgebracht. Zu letzteren zählt etwa Brian Yuzna, der mit Gordon das Drehbuch zu „From Beyond“ auf der Basis einer Erzählung von H. P. Lovecraft verfasst hatte. Yuzna führt auch Regie in einer Eposode des Films „Necronomicon“, der ebenfalls auf Erzählungen Lovecrafts beruht und in vielen Details Gordon-Filmen wie „From Beyond“, „Re-Animator“ oder „Castle Freak“ ähnelt. Und auch die Darstellerriege führt Schauspieler vor, die gleichsam zum Synonym für Yuzna/Gordon-Filme geworden sind.

So übernimmt der in Fankreisen mittlerweile legendäre Jeffrey Combs die Rolle des H. P. Lovecraft, der in der Rahmenhandlung von „Necronomicon“ das gleichnamige apokryphe Buch in der Bibliothek einer Geheimgesellschaft liest und es hernach stiehlt. Drei Kapitel, die der Film als episodische Kurzgeschichten vorführt, goutiert Lovecraft, bevor ihm die Mönche, welche eigentlich Außerirdische sind, die das Buch und den Zugang zur Unterwelt Ctuhlhu bewachen, auf die Schliche kommen. Die Episoden basieren auf Kurzgeschichten Lovcrafts und werden von drei verschiedenen Regisseuren inszeniert: Christophe Gans, der unlängst durch seine Adaption des Videospiels „Silent Hill“ zu Bekanntheit gelangt ist, übernimmt die Adaption von „The Drawned“ – die Geschichte um ein altes Haus, dessen Vorbesitzer sich mit den Mächten der Dunkelheit eingelassen hat, um seine bei einem Unfall ums Leben gekommene Familie wieder zurück ins Leben zu holen. Der Kurzfilm verschachtelt geschickt drei Erzählzeiten ineinander, um die Fatalität des Geschehens quer durch die Zeiten zu verdeutlichen. Die zweite Episode, „The Cold“, wurde vom japanischen Regisseur Shusuke Kaneko übernommen, der mittlerweile vor allem durch seine neueren Monsterfilme (Godzilla, Gamera, Ultraman) bekannt geworden ist. Sie erzählt von einem Wissenschaftler, der das Rezept für die Unsterblichkeit entdeckt hat, dafür jedoch regelmäßig Menschen ermorden muss, um sich mit Frischzellen zu versorgen und zudem nur in extremer Kälte überleben kann. Brian Yuzna hat sich neben der Rahmenhandlung der finalen Episode „Whispers“ angenommen; einer Serienmördergeschichte, die für eine Polizistin, die den unheimlichen „Schlachter“ verfolgt, zu einem Ausflug in die Hölle von Ctuhluh wird. Der Täter ist nämlich in Wirklichkeit die unheimliche Macht, die die Herrschaft über die Erde zu übernehmen versucht und sich dabei eines alten Ehepaares bedient, das Unschuldige in ein Höhlensystem lockt, wo überdimensionale fledermausartige Wesen ihnen das Knochenmark aussaugen.

Stilistisch sind alle drei Episoden und die Rahmenhandlung im typischen „Re-Animator“- und „From Beyond“-Look gehalten. Es wird viel mit farbiger Beleuchtung gearbeitet. Die Monster und die Splattereffekte werden zeitweise überdeutlich durch Latex-Basteleien verwirklicht und die Erzählungen stehen nicht selten als düsteres Beiwerk den allzu bunten Bildern gegenüber, in denen der Film von Episode zu Episode immer mehr zu schwelgen beginnt. Überhaupt besticht das Kino aus der Yuzna-Gordon-Schmiede vor allem durch seine Schauwerte, zu denen besondern die Splatterszenen zählen. Da werden Innereien erbrochen, Arme und Beine mit zahnbewährten Monsterzungen abgetrennt und einem der Mönche im Epilog die Kopfhaut vom Schädel gerissen (um ein darunter verborgenes, entstelltes Mostrum zu offenbaren). Für einen Film der frühen 1990er Jahre waren solche Effekte durchaus spektakulär – aus der Distanz wirken sie verspielt und lassen es dem Fan warm ums Herz werden. Die Patina, die solche Szenen aus heutiger Sicht behaftet, passt jedoch ideal zu den ebenfalls immer schon gleichzeitig romantisch und (post)modern wirkenden Stories von H. P. Lovecraft.

Necronomicon
(Frankreich/USA 1993)
Regie: Christophe Gans, Shusuke Kaneko, Brian Yuzna; Buch: Brent V. Friedman (nach Erzählungen von H. P. Lovecraft); Kamera: Russ Brandt, Gerry Lively; Schnitt: Christopher Roth, Keith H. Sauter; Szenenbild: Anthony Tremblay; Kostüme: Ida Gearon
Darsteller: Jeffrey Combs, Bruce Payne, Richard Lynch, Vladimir Kulich, Gary Graham, Obba Babatundé, Don Calfa u. a.
Länge: 96 Minuten
Verleih: Kinowelt

Die DVD von Kinowelt

Bild und Ton der DVD sind akzeptabel (wenngleich das Bild nicht von allen Verunreingungen und Störungen befreit wurde). Lobenswert ist ein Extra der DVD: ein einstündiges Hörbuch von H. P. Lovecrafts „Der Ruf des Cthulhu“, gelesen von Joachim Kerzel.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 1,78:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (Stereo Dolby Digital), Englisch (5.1 Dolby Digital)
Untertitel: Deutsch
Extras: Der Ruf des Cthulhu (komplettes Hörbuch), Fotogalerie, Trailer
FSK: k. J.
Preis: 19,89 Euro

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