Zwei Zeitreisefilme sind im Jahr 1984 in den USA erschienen, deren Erzählparadigmen einander merklich gleichen. James Cameron begründet mit „Terminator“ seine Laufbahn als Regisseur. Zusammen mit seiner Co-Drehbuchautrin Gale Anne Hurt erzählt er die Geschichte eines in der Zeit versprengten Soldaten, der aus der Zukunft in die Gegenwart des Jahres 1984 gereist ist, um dort eine Frau zu findn, deren (Über)Leben er sichern soll. Verfolgt wird er von der feindlich gewordenen Technologie seiner Zeit in Form eines Cyborgs, der seinen Auftrag zu verhindern trachtet. Natürlich „finden“ sich der Zeitreisende und die Frau im Verlauf des Films und kommen einander näher und natürlich formuliert der Zeitreisefilm in diesem Zusammentreffen auch das Paradox zwischen Hier und Dort, Jetzt und Dann. John Carpenter produzierte im selben Jahr den Zeitreisefilm „Das Philadelphia Experiment“, der eine ganz ähnliche Geschichte – nur unter umgekehrten Vorzeichen – erzählt:
Dieses Mal ist es das Jahr 1943. Während der Ausgang des Zweite Weltkriegs durchaus noch nicht entschieden ist, entwickelt die US-Navy ein elektronisches Tarnsystem, mit dem Kriegsschiffe für das Radar des Feindes unsichtbar gemacht werden sollen. Beim ersten Testlauf funktioniert zunächst alles, doch plötzlich verschwindet das Schiff nicht nur von den Radarschirmen, sondern auch von der Erd- bzw. Wasseroberfläche. Die beiden Matrosen Jim (Bobbie Di Cicco) und David (Michael Paré), die den Auftrag hatten, den Tarnschild-Generator in Gang zu bringen, springen vom Schiff als sich die Katastrophe anbahnt und finden sich nach einem Sturz durch einen merkwürdigen Tunnel auf einer Militärbasis wieder, auf der ein gewaltiger Sturm aufzieht. Sie fliehen vor sie verfolgenden Soldaten, verstecken sich in einem Truckstop und stellen fest, dass sich die Welt um sie herum geändert hat. Neue Geräte, seltsame Fernsehsendungen und die Mode der Menschen wirken auf sie „futuristisch“. Und tatsächlich erfahren Sie, dass sie 41 Jahre in die Zukunft nach 1984 katapultiert wurden. Sie kidnappen eine junge Frau namens Allison (Nancy Allen) und flüchten mit ihr und deren Auto vor der Militärpolizei. Jim, der sich bei der Havarie auf dem Schiff verletzt hat, geht es gesundheitlich zusehends schlechter und nach einigen Verfolgungsjagden landen die beiden Matrosen und die Frau in einem Krankenhaus, in dem sich Jim nach kurzer Zeit aufzulösen beginnt. David, der an sich die selben Symptome wie bei Jim zu beobachten beginnt, will nun unbedingt herausfinden, was 1943 auf dem Schiff geschehen ist und macht sich auf die Suche nach dem damaligen Leiter des Experimentes, Dr. Longstreet (Eric Christmas). Dass dieser es war, der den beiden die Militärpolizei auf den Hals gehetzt hat, weil er sie ebenso bei sich haben wollte, um eine größere Katastrophe im Raum-Zeit-Kontinuum abzuwenden, erfährt David, als er zurück auf dem Militärgelände ankommt, von dem er ursprünglich geflohen war.
Es ist der Krieg, der in „Das Philadelphia-Experiment“ wie in „Terminator“ die Soldaten zur Zeitreise nötigt. War die Reise in Camerons Film geplant, um den Krieg zu beeinflussen, so ist sie in Steward Raffills Film ein Unfall. Die Technologie, die die Reise ermöglicht (bzw. erzwingt) ist jedoch in beiden Fällen ein Kind des Krieges. Der Krieg ist damit ein teleologischer Zielpunkt der Flucht nach vorn oder nach hinten, stellt für die Protagonisten eine vergangene oder künftige unabwendbare Bedrohung dar. In „Terminator“ läuft die Erzählung (das habe die Sequels gezeigt) unaufhaltsam auf den Krieg zu – die Zeitreise wird nichts daran ändern. Der Versuch, den Zeitreiseunfall in „Das Philadelphia-Experiment“ rückgängig zu machen, indem man David zurück in die Vergangenheit schickt, ist jedoch ebenso ein Vorlaufen zu Krieg, für das sich David gleichzeitig entscheiden muss, wenn er sich für die Rückreise entscheidet. Zwar weiß er nun, dass seine Seite den Krieg gewinnen wird, das ändert jedoch nichts an der Gefahr, in der er als Soldat schwebt, bis dieser Sieg errungen ist. Die „Was wäre wenn?“-Thematik des Science-Fiction-Films, zu dem die Zeitreisefilme zu rechnen sind, ist in beiden Werken also mit moralischen Fragen der Teilnahme, (verzweifelten) Verhinderung oder Sicherstellung des Kriegsgeschehens verbunden. Sie kulminiert bereits im ein Jahr zuvor entstandenen Film „The Dead Zone“ von David Cronenberg, indem der Protagonist zwar nicht in die Zukunft reist, aber in sie sehen kann und dabei entdeckt, dass ein Präsidentschaftskandidat den dritten Weltkrieg auslösen wird. Er stellt sich die Frage: „Hätte ich Hitler getötet, wenn ich gewusst hätte, was er anrichten wird?“ Ein moralisches Dilemma, geboren aus der Zeitreiseparadoxie, nach der eine geänderte Vergangenheit nicht unbedingt eine bessere Zukunft bzw. Gegenwart zur Folge haben wird.
Raffills Film stellt sich diese Fragen konkret nur am Rande, aber die Begegnung seiner Zeitreisenden mit der für ihre Augen friedlichen Gegenwart des Jahres 1984, bringt sie in dieselbe Position. Gegen Ende erkennt David die Zwangsläufigkeit, mit der er zurückkehren muss, um den Raum-Zeit-Kollaps zu verhindern auch darin, dass Dr. Longstreet ihm erklärt, er kenne Berichte, die sagen, er (David) habe die Katastrophe im Jahre 1943 abgewandt: David müsse also sein Schicksal erfüllen, damit die Gegenwart überhaupt stattfinden kann. Der Aufenthalt im Jahre 1984 ist für ihn jedoch zu reizvoll – vor allem wegen seiner Beziehung zu Allison. Und so kehrt er nach getaner (Helden)Tat wieder „zurück in die Zukunft“. Wir können diesen Reiz durchaus nachvollziehen: Die Reise in die Zukunft birgt (wenn diese Zukunft die Gegenwart des Filmzuschauers ist) ja stets einen Überraschungseffekt für die Zeitreisenden, denen das, was uns selbstverständlich ist, wie ein Wunder vorkommt. Wir lassen uns gern für unsere Errungenschaften von denen bestaunen, die sie (noch) nicht haben, wie, um uns zu versichern, dass unser Fortschritt in die richtige Richtung gelaufen ist. Das Jahr 1984 – und das deutet „Terminator“ in seinem Sub-Plot deutlicher als „Das Philadelphia-Experiment“ an – ist jedoch durchaus kein „schöner Ort“, um dort zu leben. Der kalte Krieg und das atomare Wettrüsten sind abermals auf einem Gipfel angelangt und drohen die Welt zu zerstören. Michael wundert sich in einer Sequenz, dass Amerika nun mit Japan und Deutschland befreundet und dafür mit Russland befeindet ist, kurz bevor er mit Erstaunen feststellt, dass ein Filmschauspieler offenbar zum Präsidenten seines Landes gewählt wurde. Raffills Film enthält also durchaus Kommentare zur (Produktions-)Gegenwart, die im Erstaunen des Mannes aus der Vergangenheit eine schon beinahe kabarettistische Qualität erhalten.
„Das Philadelphia-Experiment“ heute zu schauen, ist eine Zeitreise auf der Meta-Ebene. Man schaut in das Jahr 1984 zurück und gleichzeitig in eine Phase der kulturellen Selbstkritik und wie diese damals durch einen Zeitreisefilm kodiert wurde. Mit dem kontemporären Blick auf diesen nunmehr 24 Jahre alten Film, bringt der Zuschauer gleichzeitig sein historisches Mehrwissen in die Story mit ein: Er weiß, dass die Reagan-Ära ohne größere Katastrophen vorübergegangen ist und Russland nun auch nicht mehr der Feind der USA ist. Der Anblick der Ängste und Nöte jener Zeit (die dem Zeitreisenden in „Das Philadelphia-Experiment ja noch gar nicht bewusst gewesen sind), wirkt heute wie kulturhistorischer Balsam: Das waren noch Zeiten – mit klar definierten Feindbildern, ideologischen Selbstverständlichkeiten und unhinterfragbaren moralischen Wertvorstellungen, möchte das kulturkonservative Bewusstsein von heute einwerfen. Aber es ist eben auch nur eine mediale Projektion, ein perspektivisch verzerrter Ausschnitt, den Raffill uns anbietet. Wir ähneln in diesem verklärten Blick auf die „gute alte Zeit“ des Jahres 1984 mehr dem Zeitreisenden aus „Das Philadelphia-Experiment“ als dem aus „Terminator“.
Das Philadelphia-Experiment
(The Philadelphia Experiment, USA 1984)
Regie: Stuart Raffill; Buch: William Gray & Michael Janover; Musik: Kenneth Wannberg; Kamera: Dick Bush; Schnitt: Neil Travis
Darsteller: Michael Paré, Nancy Allen, Eric Christmas, Bobby Di Cicco, Louise Latham, Kene Holliday, Joe Dorsey u. a.
Länge: 102 Minuten
Verleih: Kinowelt
Die DVD von Kinowelt
Kinowelt veröffentlicht „Das Philadelphia-Experiment“, nachdem dieser vor zwei Jahren bereits in einer Fassung von KSM erschienen war, erneut. Die Ausstattung der DVD ist überaus spartanisch. Außer dem Film befinden sich als erwähnenswerte Extras lediglich mit dem PC einsehbare Produktionsnotizen auf der Disc. Die Bild- und Ton-Qualität ist, wie bei Produktionen aus dem Hause Kinowelt üblich, tadellos.
Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:
Bild: 1,85:1 (anamorph)
Ton: Deutsch (Mono Dolby Digital), Englisch (Stereo Dolby Digital)
Untertitel: Deutsch
Extras: Englische Produktionsnotizen als PDF, Fotogalerie, Trailer
FSK: ab 12 Jahren
Preis: 10,45 Euro