Von Neuseeland nach Deutschland

… ist es filmpublizistisch ein langer und blutiger Weg. Peter Jackson musste mit dem Herrn der Ringe erst berühmt werden, damit er vom hiesigen Filmbuchmarkt entdeckt werden konnte. Immerhin hat er seine Karriere bereits 1987 begonnen – mit Splatterfilmen. Nun liegt ein erster Sammelband von Schüren vor.


Die Vorgehensweise der Herausgeberin Ursula Vossen orientiert sich an der Chronologie der 11 Filme Jacksons. Nach der Einführung von Vossen und Harald Harzheim in die Motivkomplexe mit einem auffälligen Hang, diese an die Biografie des Regisseurs zurückzubinden, schreibt Harzheim über Bad Taste (1987) und Meet the Feebles (1989). Der Eindruck lässt sich nur schwer vermeiden, dass der Autor dabei über die Deutung beider Filme als (eigentlich überoffensichtliche) Persiflagen, schwer hinauskommt. Demgegenüber entfaltet Sabine Horsts Artikel zu Braindead (1992) in pointiertem Stil schon einige interessantere Diskurse (Gender, filmgeschichtliche Bezüge) in Jacksons hierzulande verbotenem Splatterfilm. Nach einer kommentierenden Interpretation, die Vossen an Heavenly Creatures (1994) unternimmt, und die wie die Einleitung abermals etwas biografistisch ausfällt, folgt Rudolf Worschech mit einem Text über den unbekannteren Film Forgotten Silver (1995) – eine Mockumentary über einen neuseeländischen Filmpionier, der zwar nie existiert hat, von Jackson jedoch filmisch äußerst authentisch Lebensodem eingehaucht bekommt. Den Abschluss der Texte über das Prä-Herr der Ringe-Werk bildet Vossens Untersuchung über Frighteners (1996), der zwar der erste Hollywood-Film des Regisseurs war, aber sowohl in Motiven als auch Ästhetiken Kontinuität beweise.

Der Hauptteil des Bandes widmet sich dem Herr der Ringe-Komplex, eingeleitet mit einem hervorragenden und umfangreichen Essay von Horst Peter Koll über die kunst- und filmgeschichtlichen Bezüge der Trilogie. Sabine Horst aspektiert die Filme dann unter der Perspektive ihres Einflusses auf- und Rückflusses in die Jahrzehnte währende Tolkien-Fangemeinde. Vor allem ihre Ausführungen über die seit langem selbst künstlerisch tätige Anhängerschaft, die das Werk „fortschreibt“, sind hochinteressant. Nach einer Gegenüberstellung der Trilogie mit der 1978 entstandenen Zeichentrick-Adaption von Ralph Bakshi, in der Harzheim Motive und Erzähltechniken vergleicht, folgt der Apparat des Bandes: Ein zwölfseitiges Interview mit Peter Jackson und ein Ausblick von Harzheim auf dessen King Kong-Projekt (über das bereits im Vorwort wagemutige Spekulationen auf Basis eines Vorabdrehbuchs und der Besetzungsliste angestellt wurden!) und zuletzt eine Diskussion der von Jackson produzierten Filme.

Es liegt in der Natur eines solchen Buchprojektes, dass zunächst einmal die Fakten aufbereitet und Motivgeschichten freigelegt werden. Der Schüren-Band leistet dies recht manierlich, geht aber gerade in den Texten von Sabine Horst und Horst Peter Koll schon weit darüber hinaus. Kritikwürdig sind im Kontrast dazu die häufigen Biografismen einiger Texte und vor allem die unnötigen Ausführungen über King Kong, die – wie die betreffenden Texte schnell offenbaren – auf dem sandigen Boden der Spekulation gebaut sind. Dennoch darf man dem Band attestieren, dass er eine angemessene erste Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk Jacksons präsentiert, welches hierzulande nach dem Herr der Ringe-Hype nun hoffentlich breitere Beachtung findet.

Ursula Vossen (Hg.)
Von Neuseeland nach Mittelerde: Die Welt des Peter Jackson
Marburg: Schüren 2004
155 Seiten (Paperback)
14,90 Euro

Stefan Höltgen

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.