Lolita – Macht – Schwierigkeiten

Der 1958 erschienene Roman Vladimir Nabokovs schildert mit einfühlsamer Eindringlichkeit einen Mythos, den es in seinen vielfältigen Ausformungen seit jeher zu geben scheint, dessen Beschreibung sich jedoch jetzt erstmalig in einem Wort formiert, seine bislang inhärent schemenhafte Gestalt offenbart und durch das Aussprechen eines Namens seine Existenz preisgibt – Lolita. Die Melodie, die diese drei Silben in einem jeden Humbert Humbert zum Klingen bringen, ertönt sogleich zu Beginn der (von der Kritik recht kontrovers aufgenommenen) Filmadaption durch Adrian Lyne (1997): »Lolita. Licht meines Lebens. Feuer meiner Lenden. Meine Sünde. Meine Seele. Lo-li-ta: Die Zungenspitze macht drei Sprünge den Gaumen hinab und tippt bei drei gegen die Zähne. Lo. Li. Ta.« Der insgesamt ausgefallene, wortgewandte, einladend ausschweifende Prosastil, mit dem Nabokovs Erzähler Humbert Humbert die Reise in jene schicksalhafte Zeit beginnt, spiegelt in beiden gleichnamigen filmischen Adaptionen durch Stanley Kubrick (1961) wie durch Adrian Lyne die unwirklich-märchenhafte Perspektive eines Mannes auf seinen Traum: den Traum vom Stillstand der Zeit, vom Wieder-Holen der unabänderlichen Vergangenheit, vom erneuten Durchleben der verronnenen Jugend wie auch vom Losgelöstsein des Augenblickes und der Freiheit von aller gesellschaftlichen Restriktion … Lolita wird für den ihr verfallenen Protagonisten Professor Humbert zum Inbegriff all dessen und noch viel mehr. Sie ist seine ganz persönliche, inkarnierte Verheißung einer paradiesischen Existenz auf Erden.

„Lolita – Macht – Schwierigkeiten“ weiterlesen