Grell sind die Farben, grell wie im Giallo. Grell ist auch die Märchenwelt, in die Saverio Costanzos ebenso stilistisch beeindruckender wie emotional berührender Film „Die Einsamkeit der Primzahlen“ („La solitudine dei numeri primi“) den Zuschauer gleich zu Beginn versetzt. In der Grundschule wird ein Theaterstück gespielt. Zu sehen ist ein düsterer, verwunschener Wald, in dem eine Prinzessin und ein Monstrum schlafen, dargestellt von zwei in groteske Kostüme gehüllten Kindern. Die Szenerie wirkt unheimlich, doch die Kleinen spielen brav ihre einstudierten Rollen – bis Michela (Giorgia Pizzio) die Bühne betritt. Ihre Augen sind vor Angst geweitet, aus ihrem Rücken sprießen Äste, ihren Kopf ziert ein Vogelnest. Michela schreit und schreit und kann gar nicht mehr aufhören zu schreien. Das Stück muss abgebrochen werden, die Illusion der Aufführung zerbricht – und mit ihr die Illusion der Kindheit als Zeit des Glücks. „Zwei Punkte, eine Linie“ weiterlesen