Der (Selbst-)Bestrafer

Unter den tough guys des Neo-Noir ist Malone (Thomas Jane) der toughste, daran lässt schon die Einleitung von Russell Mulcahys „Give ’em Hell, Malone!“ keinen Zweifel. Da spritzen Blutfontänen meterhoch, werden böse Jungs dutzendweise und ohne Rücksicht auf die eigene Konstitution zerschlagen, zerstochen, zerschossen. Stechen, bevor der Gegner schlägt, und schießen, bevor er zusticht – so lautet die Maxime des Helden, der so gern ein Antiheld wäre, denn: „Once you’re dead, you stay that way.“ Die Form, an die Mulcahy hier Anschluss sucht, ist die des Film noir, doch der Auftakt erinnert eher an nerdige Splatter-Extravaganzen im Stile von Joe Carnahans „Smokin’ Aces“ oder Michael Davis‘ „Shoot’em Up“. Eine filmische Form also, die nicht unbedingt auf Augenhöhe mit den kreativen Tendenzen im gegenwärtigen Bewegungskino ist. Und auch wenn „Give ‘em Hell, Malone!“ es, nachdem er in den ersten zehn Minuten schon einmal das Splatternerdpublikum auf seine Seite gezogen hat, dann auch dabei belässt und in den restlichen gut 80 Minuten andere, ruhigere Pfade beschreitet, spiegelt sich darin doch der Grundzwiespalt eines nicht durchweg gelungenen Films.

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L.A., offene Stadt

„Just wrap your legs round these velvet rims / And strap your hands across my engines.” (Bruce Springsteen)

Das Automobil zählt zweifelsohne zu den bedeutendsten Fetischobjekten des Kinos. Seine Faszinationskraft lässt sich nicht bloß thematisch begründen: viel eher ist von einer strukturellen Anziehung zwischen ihm und dem kinematographischen Apparat auszugehen. Die Bewegung: der Filmstreifen, die Fahrbahnmarkierung. Der glattglänzende Lack der Oberfläche, das Grob-Motorische, Zerklüftete unter dem Lack, und schließlich: der destruktive Akt, die Verformung der Oberfläche, die Offenlegung letztlich des versteckten Maschinellen – alles erotische Momente, nachzuschlagen etwa bei Ballard/Cronenberg. Die Bewegung: das Grundfaszinosum des Kinos. Allein im Dunkel sitzen und gebannt werden – nicht von Erzählung, sondern von Bewegung. Der Traum vom Kino: von einem Leben ohne Stillstand, immer on the road und on the run. Die Objekte des Bildes, von der Photographie noch in Ewigkeit eingefroren, werden vom Filmprojektor  stetig vorangepeitscht. Wo sie selbst stillstehen mögen, wird die Welt um sie herum in Bewegung gesetzt. „Aber nicht mehr die Figuren reagieren auf die optisch-akustischen Situationen, sondern die Bewegung der Welt tritt an die Stelle der zurücktretenden Bewegung der Figur.“ (Gilles Deleuze) Weil es auf eine grundlegende Sehnsucht des modernen Menschen zu antworten weiß – die Sehnsucht, es möge immer irgendeine Richtung geben, in die es weiterzugehen gilt –, muss die Beziehung des Menschen zum Kino als eine amour fou betrachtet werden.

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