Film und Metapher

David Cronenberg erinnert sich: »Einmal rief mich ein amerikanischer Kritiker an, der mir sagte: ‚Für einen Amerikaner sind Ihre Filme wie ein seltsamer Traum. Die Straßen wirken amerikanisch, sind es aber nicht. Die Personen sehen aus wie Amerikaner, sind aber keine. Sie sprechen wie Amerikaner und sprechen doch anders.’« Wollte man Cronenbergs Kino grob situieren, so könnte man seine Filme als eine Art Synthese zwischen dem recht puren Amerikaner David Lynch und dem recht puren Europäer Peter Greenaway bezeichnen. Mit seinem Kleinstadthorror in Blue Velvet (USA 1986) und Twin Peaks (USA 1990) und seinen Verirrungen auf dem Lost Highway (USA 1996) und dem Mulholland Drive (USA 2001) bebildert Lynch die Kehrseite des amerikanischen Traums. Die barock überladenen Bild-Ornamente eines Greenaway stehen somit in einem größtmöglichen Gegensatz zu Lynchs Gewalt-Agonie. Eine Art Synthese zwischen Lynchs amerikanischer Erzählweise und Greenaways Poetik erreicht Cronenberg dadurch, dass sein filmisches Schaffen selbst dann ausdrücklich von der Literatur geprägt ist, wenn er, wie bei seinen frühen Filmen, die Drehbücher selbst verfasst hat. Nabokow, Beckett und Kafka zählen zu Cronenbergs Lieblingsautoren, aber auch William S. Burroughs. In Naked Lunch (Can 1991), Cronenbergs Burroughs-Verfilmung, sagt die Frau des Kammerjägers Bill Lee, nachdem sie sich mit einer Heroin-Nadel das Wanzenpulver ihres Mannes in die Venen (bzw. in die Brust) geschossen hat: »Es ist ein Kafka-Rausch. Du fühlst Dich wie ein Käfer«. Das ist zugleich eine treffende Bezeichnung für Cronenbergs Vorlieben für Verwandlungen, Metamorphosen und Deformationen im körperlichen und seelischen Bereich.

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