Arabo-was?

„Wir brauchen Sie in Ägypten. Einen Experten der arabo-muslimischen Welt.“ – „Arabo-was?“ Dieser Witz, in der Auftaktviertelstunde zum Besten gegeben, ist der eine Witz, den Michel Hazanavicius’ Agentenfilmpersiflage „OSS 117: Le Caire, nid d’espions“ in den gut 95 Minuten seiner Laufzeit stets aufs Neue variiert. Das ist nicht einmal besonders schlimm, handelt es sich dabei doch zumindest um einen recht guten Witz, aber es schränkt die komischen Möglichkeiten seines Trägerfilms doch einigermaßen ein.

dvm000644dDrei Dinge, so scheint es, gehören zu den zentralen komödiantischen Aufgaben der Agentenfilmpersiflage: zunächst, das Umkippen der globalen Kontrollphantasien, die sich in den 007s der Kinogeschichte bündeln, in die Lächerlichkeit – und damit auch stets gleichzeitig die Freilegung des kolonialistischen Weltbildes und der narzisstischen Selbstverliebtheit der westlichen Nationen. Dieses gelingt Hazanavicius’ Film, der jetzt mit dreijähriger Verspätung und dem deutschen Untertitel „Der Spion, der sich liebte“ erscheint (und damit gleichzeitig eine Brücke zu einer anderen kulturellen Traditionslinie des internationalen Spionagekinos schlägt), auf das Schönste. Manifest wird dieses Topos im Protagonisten Hubert Bonisseur de la Bath, alias OSS 117, perfekt besetzt mit einem vollkommen überzeugenden Jean Dujardin. Diese Figur, direkt aus einer einstmals äußerst erfolgreichen Filmreihe des Eurospy-Kinos der 1950er und 1960er Jahre herausgegriffen, bleibt grundsätzlich vollkommen flach, aber Dujardins exaltiertes, aber nie hysterisches Minenspiel und sein grandioses Timing vermag ihr doch genug Kontur zu verleihen, um den Film zu tragen. Darin offenbart sich ganz große komödiantische Schauspielkunst. Weiterhin ginge es um die Offenlegung und Dekonstruktion der Genremechanismen des Spionagefilms sowie, drittens und idealiter, die Verzerrung hin zu einer eigenen, produktiven Vision des Genres und damit einer Korrektur des darin verfälschten Weltbildes. Leider sind dies Ambitionen, die nur die wenigsten Beiträge zum Subgenre der Agentenfilmpersiflage überhaupt erst entwickeln. In den besten (wenigen) Momenten ließ Jay Roachs „Austin Powers: International Man of Mystery“ (1997) ein grundlegendes Verständnis dieser Zusammenhänge erahnen, leider aber verlor sich die daran anschließende Reihe ja schnell in den Tiefen des Kloakenhumors (und wurde, auch dies soll nicht verschwiegen werden, erst damit so richtig erfolgreich). Und jüngst versuchte sich eine Reihe eher aus dem Wirtschaftsthriller der Soderbergh/Clooney-Schule gespeister Satiren wie „Burn after Reading“ von den Coen-Brüdern, „The Informant!“ von Soderbergh selbst oder der recht avancierte „Duplicity“ von Tony Gilroy auf interessante Weise an einer parodistischen Zuspitzung von Modellen des Agentenkinos im Hinblick auf eine gegenwärtig gedachte Gesellschaftskritik.

oss_117_caire_8_articleSo weit denkt „OSS 117“ in keinem Moment, obgleich sein fish out of water-Grundplot den extrem überspitzten Culture Clash zwischen dem „Alten Europa“ und der muslimischen Kultur fest in den Blick nimmt. Die Witzeleien sind oft mehr, auch mal weniger komisch, meist repetitiv, aber nie wirklich bissig. Einzelne Episoden sind fantastische Solonummern von Jean Dujardin, aber Regisseur Hazanavicius gelingt es niemals, aus einer Aneinanderreihung von Gags etwas zu kreieren, das über die Summe seiner Teile hinausgeht. Somit bietet er auch nie wirklich eine Anschlussmöglichkeit an Diskurse der Gegenwart an, sondern erschöpft sich – daran erinnert er an den zwar wenig komischen, aber in seinem Retro-chic ähnlich angelegten „The Good German“, wieder von Soderbergh – in der möglichst (und tatsächlich annähernd) perfekten Nachstellung der Bildwelten seiner Vorlagen. Die Farben, die Kulissen, die Ausstattung, das alles zeugt von großer Sorgfalt und liebevoller Detailarbeit – aber es friert den Film eben auch in den Grenzen der Hommage fest. Das ist nicht wenig, und es ist bedeutend mehr als etwa die beiden „Austin Powers“-Sequels noch zu bieten hatten. Der vielleicht größte Vorteil einer solchen Verspaßung ohne wirkliche Dekonstruktion des persiflierten Genres liegt freilich letztlich in der erneuten Serialisierbarkeit, und konsequenterweise erschien die Fortsetzung „OSS 117: Rio ne répond plus“ bereits in diesem Jahr. Ein dritter Teil ist bereits in Planung.

OSS 117: Der Spion, der sich liebte
(OSS 117: Le Caire, nid d’espions, Frankreich 2006)
Regie: Michel Hazanavicius; Drehbuch: Jean-François Halin, Michel Hazanavicius; Musik: Ludovic Bource, Kamel Ech-Cheik; Kamera: Guillaume Schiffman; Schnitt: Reynald Bertrand
Darsteller: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, Aure Atika, Philippe Lefebvre, Constantin Alexandrov, Richard Sammel
Länge: ca. 95 Minuten
Verleih: Koch Media

Zur 2 DVD Collector’s Edition von Koch Media

Der Film erscheint bei Koch Media in tadelloser Qualität auf DVD wahlweise als Single-DVD oder 2 Disc Collector’s Edition, letztere erscheint auch als BluRay. Dieser Rezension liegt die 2 DVD Collector’s Edition zugrunde. Diese ist randvoll mit Extras, die es an Unterhaltungswert durchaus mit dem Hauptfilm aufnehmen können. Als besondere Attraktion kann zudem (jedenfalls für seine Fans) die von Komiker Oliver Kalkofe vorgenommene und überraschend akzeptable deutsche Synchronfassung gelten. Diese hat erfreulicherweise wenig mit den Vergewaltigungen fremdsprachiger Filme zu tun, derer Kollegen wie „Richie“ oder „Erkan & Stefan“ bereits schuldig wurden und bemüht sich um eine angemessene Übertragung des Witzes der Vorlage.

Bild: 2,35:1 (anamorph)
Ton: Deutsch, Französisch (DTS, Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Audiokommentar mit Michel Hazanavicius und Jean Dujardin, Keine Ferien für OSS 117 (ca. 67 Minuten), Versprochen und verspielt (ca. 12 Minuten), Gaumont Wochenschau: Weltnachrichten (ca. 5 Minuten), entfallene Szenen (ca. 16 Minuten), Making of (ca. 20 Minuten), Featurette über die Synchronarbeiten, Trailer, 3 Teaser, Promo Reel
FSK: ab 12 Jahren

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Charlie’s Angels?

Heiße Katzen, Großbritannien 1966, Ralph Thomas

Nicht nur die offensichtliche Zitation von Monty Normans berühmtesten Filmmusikthema, auch die Charakterzeichnung des Helden Hugh „Bulldog“ Drummond (Richard Johnson), wie überhaupt dessen Gesichtszüge und die Verwendung der deutschen Synchronstimme von Sean Connery, lassen keinen Zweifel: Hier wird sich ohne Scheu an James Bond angelehnt. Auch die stellenweise reichlich abstrus konstruierte Geschichte ist am großen Vorbild orientiert: Ein skrupeloser Bösewicht hat sich aufgemacht, um sich mit allerlei Finten und Tricks – darunter auch so Kleinigkeiten wie etwa Mord – an den Ölkonzernen zu bereichern, diese gegenseitig auszuspielen und, wenn es sich einrichten lässt, zumindest die ökonomische Weltherrschaft an sich zu reißen. Ein Squad so verführerischer wie gefährlicher Frauen, die titelgebenden „Heißen Katzen“, dient ihm beim trickreichen Ausschalten seiner Gegenspieler. Hierfür nun wiederum scheint Emma Peel ein wenig Patin gestanden zu haben, die in Mit Schirm, Charme und Melone, in den 60ern ebenso überaus erfolgreich, mit ähnlich aufreizendem Effekt im TV gelegentlich zur Waffe griff. Man kann der Ökonomie des B-Movies – „Reize aus, was der zahlfreudige Kunde bereits kennt und schätzt, und verdopple es!“ – förmlich beim Arbeiten zusehen. „Charlie’s Angels?“ weiterlesen