Resurrection Of The Little Match Girl

Resurrection Of The Little Match Girl, Jang Sun-Woo, Korea 2002

Ju ist ein durschnittlicher Jugendlicher in Korea – etwas orientierungs- wie perspektivenlos verbringt er den Tag mit eher lausigen Jobs und vergeblichem Mädchen-Anbaggern, ansonsten flüchtet er sich, in den bunten, knalligen Spielhallen seiner Stadt, in virtuelle Cyberwelten, wenngleich auch hier mit ebenfalls nur mäßigem Erfolg. Die Risse im eingangs etablierten Realitätsgefüge werden jedoch – zumindest aus unserer Perspektive im Kinosaal – größer. Ju betritt wortwörtlich ein neues Spiel, in dem er, in Anlehnung an das Märchen von Hans Christian Andersen, den Tod des Streichholzmädchens – postmodern versetzt in eine bunte, knallige, urbane Bonbonwelt – gegen mutmaßliche Retter – Freier, Gegner, wer-auch-immer – sicherstellen muss, damit die Geschichte ihren gewohnten, romantisch-melancholischen Gang gehen kann. In späteren Levels dann, wenn nichts mehr an die alte Realität erinnern mag, Ju vollkommen im Cyberkosmos sein Dasein als Player fristet, verschieben sich die Aufgaben zusehends, bis dann im Finale, mit Hilfe anderer Spieler, der Kampf gegen das Spielsystem selbst im Mittelpunkt steht.

Eine Art filmisches Videospiel möchte RESURRECTION OF THE LITTLE MATCH GIRL gerne sein, eine Art Übersetzung der Ästhetiken und Erzählstrukturen interaktiver Videoactionspiele in einen Film, zuungunsten filmischer Ausdrucksmittel wohlgemerkt. Realitätsdiskurse und deren analytische bis kritische Verhandlung drängen sich da natürlich förmlich auf und das dann vielleicht sogar noch in Verbindung mit jener vollkommen entfesselten Kinematografie, wie man sie aus dem asiatischen Genrekino kennen, vor allem aber lieben gelernt hat – ein großartiges Filmerlebnis, das angesichts dieser Vorgaben in Aussicht gestellt wird. Dass dieses Versprechen nicht eingelöst wurde, liegt vor allem daran, dass der Film lediglich durch vorgebliches Sein-Wollen in Erinnerung bleibt, nicht aber durch inszenatorische oder narrative Brillanz.

So entwickelt der Film kaum Verve wenn es um die naheliegende Aneignung von Computerspiel-Ästhetiken geht. Bespielsweise wurde – wie dies zum Beispiel David Cronenberg mit eXistenZ oder aber auch, bedingt, mit VIDEODROME vorgemacht hat – kaum versucht, den besonderen Mechanismen, Bedingungen oder Stilmitteln der Videospielwelten – sieht man mal von digitalen Einblendungen zum Spielstand hier und dort mal ab, aber die sind ja nun wirklich obligatorisch – in einem filmischen Zusammenhang zu begegnen, noch wurde sich dem Anschein nach überhaupt Gedanken dazu gemacht, wie denn virtuelle und authentische Realitätsebenen miteinander korrespondieren, wie dieses Verhältnis filmisch umgesetzt werden könnte. Der Film verlässt sich schlicht darauf, eine imaginäre Welt, wie sie sich ein Junge beim Videospielen im Geiste ausmalt – es darf im übrigen auch davon ausgegangen werden, dass Ju einfach nur träumt -, auf die Leinwand zu zaubern. Das ist nun weder sonderlich spannend noch sonderlich erkenntnisreich, vor allem nicht, wenn dies nicht jenseits reiner Behauptung stattfindet. Vielmehr wird sogar an einer Stelle – ein Tagtraum, wie sich schnell herausstellt – einmal mehr recht deutlich die plumpe Theorie bedient, dass Videospieler die individuellen Realitäten nicht mehr voneinander unterscheiden könnten, somit eben auch in außerspielischen Lebenswelten der Griff zur Waffe recht nahe liege. Unter diesem Vorzeichen gleich zu Beginn erscheint der Film beinahe schon gallig als verständnislose Reflexion eines alternden, vielleicht sogar verbitterten Mannes darüber, wie sich Jugendliche heutzutage heillos in Cyberwelten verirrten.

Dass Regisseur Jang Sun-Woo mit seiner bewegten Biographie, die ihm für seine Überzeugungen unter anderem einen kurzen Gefängnisaufenthalt bescherte, eher aus einer politischen Kinotradition stammt, die sich vor allem als kritischen Kommentar zum sozialen Zeitgeschehen versteht, ist da im Nachhinein so naheliegend wie nicht weiter verwunderlich.

Doch auch fernab all dessen: Langeweile, wohin man schaut. Zwar kann man sich über mangelnde Action freilich nicht beklagen, doch rechte Freude daran will sich nicht einstellen. Die so gut wie nicht vorhandene Einbettung in ein ansprechendes, fesselndes Gerüst, die platte Loslösung jedweder narrativer Legitimation, kurz: ein sinnentleertes Dogma vom „höher, schneller, weiter!“ jenseits von Dramaturgie und Spannung, lässt die reichlich vorhandenen Actionsequenzen seltsam atomisiert und beliebig aneinander gereiht wirken. Distanziert betrachtet man das Geschehen, wartet brav jeden Shoot-Out, jeden Stunt ab, um danach gefügig auch den nächsten abzuwarten, bis sich schließlich der Film am Ende auf der Bilderebene – in der Tat buchstäblich – selbst auflöst. Zugegeben, dieser bildgewaltige, ins Surrealistische tendierende Schluss, der hat schon was für sich, was die reinen Schauwerte angeht, allein, er wird nicht als krönendes Finale, eher schon als segensreiche Erlösung wahrgenommen, ist somit schneller vergessen als gesehen. Ähnlich wie auch der Film.

Thomas Groh

Resurrection Of The Little Match Girl
Sungnyangpali sonyeoui jaerim, Südkorea 2002
Regie: Sun-Woo Jang
Drehbuch: Sun-Woo Jang / Jin-mi In
Darsteller: Eun-kyeong Lim, Hyun-sung Kim, Jin-pyo Kim, u.a.

Eine Antwort auf „Resurrection Of The Little Match Girl“

  1. Der Kritik von Thomas Groh ist nichts hinzuzufügen. Sie drückt mit gewählten Worten aus, was ich während des Films diverse Male gedacht habe: „Wer dreht bloß so einen Scheiß? Und warum nur???“

    Ärgerlich, langweilig, Geldverschwendung…

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