Im Werk von Herschell Gordon Lewis zeichnen sich zwei narrative Strukturen überdeutlich ab, aus denen er den Stoff für nahezu alle seine Filme rekrutiert: Der Horror, der Schrecken, die Gewalt – kurz: das Andere – geht stets aus der Gesellschaft selbst hervor (und bricht nicht von außen in sie ein) und das Gegenmittel gegen die Bösartigkeit des Bösen ist die Rückbesinnung in und das Vertrauen auf althergebrachte Strukturen gesellschaftlich normierter Gewalt – Konservativismus also. So sehr das erste Prinzip für den modernen Horrorfilm steht, so sehr ist das zweite ein Merkmal des klassischen Horrorfilms. Dieses Strukturdoppel steht damit genau an der Schwelle zwischen altem und neuem Genre-Verständnis, bildet sozusagen den Paradigmenwechsel selbst ab, der sich zwischen 1961 (Psycho) und 1974 (TCM) vollzogen hat.
Waren es zu Beginn von Lewis’ Filmografie noch einzelne Maniacs, die Sitte, Ordnung und körperliche Integrität bedrohten (Blood Feast), so werden es im letzten Drittel immer mehr Gruppen (Just for the Hell of it) und in 2000 Maniacs schließlich sogar ein ganzer Ort. Diese Maniacs feiern im beschaulichen Südstaaten-Kaff „Pleasent Valley“ eine 100-Jahres-Feier anlässlich eines Massakers, das 1865 von Yankee-Soldaten in ihrer Stadt angerichtet wurde. Damit die Feier stattfinden kann, benötigt man sechs Nordstaatler als „Ehrengäste“, die kurzerhand durch falsche Straßenschilder vom Highway in den Ort umgeleitet werden. Sechs junge Menschen finden sich also plötzlich mitten in den Vorbereitungen der Feierlichkeit wieder, auf deren Höhepunkt sie brutal getötet werden sollen. Doch davon ahnen die drei Pärchen nichts und folgen daher der Einladung auf ein Gratiswochenende nur zu gern.
Die Menge an Mördern, die Lewis hier aufbringt, evoziert verschwörerische Strukturen. Männer, Frauen, Kinder – alle nehmen Teil am Opfer-Ritual, das von einem übercharmanten Bürgermeister und seinen ewig-adoleszenten beiden Gehilfen organisiert wird. Die Atmosphäre wird während der zwei Tage und Nächte immer bedrohlicher, so dass die sechs Gäste bald ahnen, dass „etwas nicht stimmt“ in Pleasent Valley. Sie beginnen sich fremd zu fühlen und als solche grundsätzlich der (zunächst noch freundlichen) Willkür der Mehrheit ausgesetzt. Diese Freundlichkeit hält bis zum Moment des Mordes an – das ist das Maniachafte der Einwohner von Pleasent Valley.
Lewis konstruiert in 2000 Maniacs eine Atmosphäre der Bedrohung, der sich der Zuschauer kaum entziehen kann. Interessanterweise geht diese Bedrohung jedoch nicht nur nicht mehr von einem Einzeltäten aus, sondern auch nicht mehr vom Neuen, von der Jugend (bei ihm stets konnotiert mit Beat-Musik), sondern vom ganz Alten, vom Revanchismus und dem politisch Konservativem. Damit wird 2000 Maniacs zum exakten Gegenbild des übrigen Werkes. Und dieser Kontrast offenbart sich nicht nur im Plot, sondern auch in der Inszenierung: Waren Lewis übrige Filme zwar auch schon vom Tageslicht überflutet (was zunächst so gar nicht zum Horror passen wollte und deshalb umso horribler wirkte), so ist 2000 Maniacs ein regelrecht „sonniger Film“. Auch die Musik trägt zu dieser Sonnigkeit bei: Allenortens ist beschwingtes und lebensfrohes Banjo-Gezupfe und Gesinge zu hören. Der Soundtrack bleibt dabei nicht „hinter“ dem Bild, sondern wird – in Form eines durch die Straßen ziehenden Musik-Trios und singender Passanten vor die Kamera geholt, selbst während Mord und Todschlag die Szenerie dominieren: Grabt tiefer ins Erdreich ihr einen, ihr andern spielt weiter zum Tanz auf.
Mit 2000 Maniacs erreicht Lewis den Gipfel seines Schaffens – sowohl in Hinblick auf die Entwicklung und Überkreuzführung seiner beiden narrativen Strategeme als auch in Hinblick auf deren Inszenierung. Es geht kaum heller, böser und zynischer. Der Umschlag in den supernatural horror wäre die einzig mögliche Fortentwicklung. Und so endet 2000 Maniacs dann auch mit einem Mysterium, das Lewis’ nächsten Gore-Film (The Wizard of Gore) gleich von Anfang an bestimmt.
Two Thousand Maniacs!
(USA 1964)
Regie, Kamera & buch: Herschell Gordon Lewis
Musik: Herschell Gordon Lewis (Song „Rebel Yell“) & Larry Wellington, Schnitt: Robert L. Sinise
Darsteller: William Kerwin, Connie Mason, Jeffrey Allen, Ben Moore, Gary Bakeman u.a.
Länge: 85 Minuten
Verleih: cmv
Die DVD von Two Thousand Maniacs! stellt den bisherigen Höhepunkt der cmv-Veröffentlichungen dar (zwei Filme stehen in der Reihe noch aus): Das Bild ist in hervorragender Qualität, wenn man die sehr starken Technicolor-Farben berücksichtigt: ohne Farbfehler und kontrastreich. Auch der Ton ist bis auf ein oder zwei Dialogszenen durchgängig gut – was vor allem dem Gesang und der Musik zu pass kommt. Wie bei den anderen DVDs aus der Reihe, gibt es auch hier wieder einen Zusatzfilm zu bestaunen: In Mesa of Lost Women raubt ein mexikanisch-verrückter Wissenschaftler Frauen und versucht sie mit Spinnen zu kreuzen, um daraus eine Armee von Spinnenfrauen (was sonst?) zu erschaffen, mit der er die Welt zu kontrollieren gedenkt. Weiterhin enthält die DVD einen Audiokommentar von Lewis, Bildergalerie, Outtakes und Vorschauen.
Die Ausstattung im Einzelnen:
# Bild: 1:1,33 (PAL)
# Ton: Englisch (DD 2.0) mit dt. und holl. UT sowie Audiokommentar
# Zusatzmaterial: Outtakes, Bildergalerie, Trailer, Zusatzfilm „Mesa of Lost Women“
# Länge: 85 Minuten (Zusatzfilm: 69 Minuten)
Stefan Höltgen

