Hurra, Hurra – Die Schule Brennt …

Der Trashfilm unterliegt ganz eigenen Regeln und Konventionen. Ein kohärenter Plot, gut gezeichnete Charaktere und das versierte Einbeziehen filmischer Mittel zur Entwicklung der Erzählung gehören sicherlich nicht dazu. Trashfilme sind, vor allem im klassischen Exploitationkino, in der Regel durch und durch kommerzialisierte, schnell runtergekurbelte Filme mit geringem Budget, die streng auf einen ganz speziellen Markt – deswegen ja auch „Exploitation“ – zugeschnitten sind und normalerweise erst an 2. Stelle, wenn überhaupt, ein künstlerisches Projekt verfolgen. Von der hehren cineastischen Warte aus betrachtet wohl nichts als reine Zeitverschwendung, doch was interessiert den Filmfreund schon ein Elfenbeinturm, der sich eh nur durch reine Befindlichkeiten legitimieren lässt!

Der Produzent und Regisseur Roger Corman ist – neben Russ Meyer, John Waters oder Herschell Gordon Lewis – schon längst zu einer Art „Auteur des schlechten Geschmacks“ avanciert. Allein die Internet Moviedatabase zählt einige Hundert Filme, die Corman bislang als „executive producer“ ermöglicht hatte. Sein Konzept war einfach, aber erfolgreich: ein geringes Budget, wenig Drehtage und ein möglichst knalliges Thema, das sich gut vermarkten und somit zu Geld machen lässt. Ferner ein festes Team abgehalfterter Schauspieler, die für wenig Geld jeden Film mit ihrer Anwesenheit beglücken sowie junge Regisseure und Drehbuchautoren, die erstmal jeden Film für wenig Gage auf die Beine stellen, solange der eigene Name im Vorspann erscheint. Eine rigide ökonomische Arbeitsweise, in der jeder erstmal mehrere Pflichten zugeteilt bekommt – die halbe Crew ist in ROCK’N’ROLL HIGH SCHOOL als Statisten und Nebendarsteller zu sehen – , und eine unbekümmerte Einstellung zur Continuity, korrekter Ausleuchtung und verpatzten Takes sorgten ferner für den klassischen Look der Corman-Filmschwemme der Siebziger Jahre. Zahlreiche, heute anerkannte Regisseure wie Francis Ford Coppola, Jonathan Demme, Martin Scorsese oder Joe Dante stießen sich unter Cormans Fittichen die Hörner ab, andere wiederum – Tarantino und John Landis etwa – outen sich bereitwillig als Verehrer der Corman’schen Schaffes. Die überdrehten und absurden B-Movies von Troma Movies aus den 80er Jahren wären ohne Corman in Ästhetik und Stil kaum denkbar gewesen, von Filmparodien wie HOT SHOTS (USA 1988), AIRPLANE (USA 1980), SCARY MOVIE (USA 2000) oder THE NAKED GUN (USA 1988) mal ganz abgesehen. Neben dieser filmhistorischen Rolle ist aber auch die ökonomische Ebene der Filme interessant: auch wenn der Trashfilm in erster Linie durch seine spekulative Inszenierungsweise besticht, erlaubt diese Art der Produktion doch gewisse Nuancenverschiebungen, Umdeutungen von Genre-Mustern oder sogar das Experimentieren neuer Ästhetiken. Nicht umsonst wurde sowohl der Splatter- als auch der Porno-Film in den Auto- und Bahnhofskinos in die Welt gesetzt und steht heute unter anderem mit im Mittelpunkt des akademischen Interesses, von der Aneignung seiner ästhetischen Strategien im Mainstream- (STARSHIP TROPPERS (USA 1997), [url=]RESIDENT EVIL (GB/D 2002)[/url] und andere) und Arthaus-Kino (INTIMACY (GB/F/D/SP 2000), ROMANCE (F 1999), … ) ganz zu schweigen. In der Tat, die – relative – Unabhängigkeit von großen Studios, geringe Produktionskosten und damit verbunden nur wenig Zwang, einen allgemeinen Konsensfilm abzuliefern, sowie viele junge, hungrige Debutanten auf den Regiestühlen sorgten für ein aufregendes, wildes Kino jenseits gängiger Konventionen. Eine Ära des Films, der John Waters, der damals selbst seine ersten (und aufregendsten) Gehversuche als Filmemacher unternahm, erst vor kurzer Zeit mit seinem leider hierzulande etwas untergegangenen CECIL B. DEMENTED (USA 2000) huldigte.

ROCK’N’ROLL HIGH SCHOOL, um den es hier ja eigentlich gehen soll, ist als klassischer Film dieser Zeit, dieser Art des Filmemachens zu bewerten. Die Handlung ist schnell erzählt und im Sinne der dem Film eigenen Ökonomie auch gar nicht weiter wichtig, dient sie doch lediglich dazu, möglichst viele absurde Szenen – der Amerikaner würde „hilarious“ sagen, ein schönes Wort in diesem Zusammenhang, das man übernehmen sollte – aneinander zu reihen: an der Lombardi High School ist der Teufel los – die Schüler lassen sich lieber vom markigen Rock’n’Roll der Ramones elektrisieren als auch nur einen Blick in ihre Schulbücher zu werfen, ein Direktor nach dem nächsten quittiert gescheitert den Dienst. Dies ist die Chance von Miss Togar (Mary Voronow), einer überdreht neofaschistisch gezeichneten „Law and order“-Karrieristin, stets begleitet von ihren beiden Aufpasser-Schülern, zwei widerwärtigen Kreuzungen aus Pfadfinder-Pubertätsgehabe und angewandtem Stiefelleckertum. Doch da ist noch Riff Randell (P.J. Soles), Schülersprecherin und „Rock’n’Roller“, wie sich vorstellt. Ihre Zimmerwände zuhause zieren Dutzende Poster der Ramones, Joey Ramone dient ihr als Projektionsfläche romantischer Sehnsüchte und von nichts träumt sie mehr als Songwriterin ihrer Musikidole zu werden. Ihre große Chance wittert sie als das Punk-Urgestein zum Konzert in ihre Stadt kommt – doch Miss Togar hat ihren Feldzug gegen den Rock’n’Roll und seinen subversiven Umtrieben schon längst begonnen. Am Ende kommt es wie es kommen muss: rebellierende Kids zünden ihre Schule an, mitten drin im Taumel gitarreschwingenderweise die Ramones, Riff Randell wird zum Band-Ehrenmitglied – stilecht mit Lederjacke – gekürt, der Musiklehrer würdigt die Ramones als „Beethovens der Jetztzeit“, kruzum: Miss Togar ist gescheitert! This is rock’n’roll high school – school’s out forever! Die Erfüllung eines Traums, ein Märchen für alle Rebellen des Schulalltags!

In der Tat, der Film folgt auffällig oft dem gängigen Märchenmuster wie es in den naiveren Trashfilmen auffällig häufig zu betrachten ist: das etwas schüchterne Mädchen kriegt ihren Prinzen, Riff wird Songwriterin der Ramones (und wird im Sinne ihrer Phantasien von der Band aus dem Turm gerettet), die „böse Stiefmutter“ ist am Ende geschlagen. Wer hätte auch daran gezweifelt?

Trashfilme kranken häufig am eigenen Alter – schnell wirken sie, gerade auch aufgrund ihrer billigen Entstehungsweise, veraltet und nicht mehr up to date, für den Massengeschmack bieten sie rein konzeptuell nur wenig zeitloses und so ist es auch kein Wunder, dass solche Filme in der Regel von der nostalgischen Warte aus betrachtet werden. Jugend- und Kindheitserinnerungen, entweder an die Filme selbst oder an diese Art von Film überhaupt, spielen nicht selten eine große Rolle beim Rezipieren. Oft ist es auch die bedingungslose Liebe zu einem bestimmten Genre, eines ganz bestimmten Genre-Motivs oder einer gewissen Ästhetik zu danken, dass Trash- und Exploitationfilme auch jenseits eines Glanzes der Gegenwärtigkeit gesammelt und geliebt werden. ROCK’N’ROLL HIGH SCHOOL gelingt allerdings das Kunststück, auch jenseits dieser Patina zu wirken: dies mag einerseits an den stets aktuell bleibenden Sujets – Popkultur, juvenile Auflehnung, erste Liebe – liegen, die auch heute noch die Menschen in die Kinos ziehen, andererseits aber auch an der Frische und der rotzfrechen Schamlosigkeit vorgetragen werden. So stolpert der Film unbekümmert, nie um einen flachen/guten/seltsamen Witz verlegen, von einer skurrilen bis liebenswerten Situation in die nächste und sprüht dabei förmlich über vor anarchischem Elan.

Die Entscheidung, die Ramones zur „Filmband“ zu machen, war eine weise – war der Film doch zunächst als „Disco-Film“ geplant. Wie kaum eine andere Band verkörperten die Ur-Punks aus New York den Spirit von zerrissenen Jeans, „Fuck Authority“-Attitüde und Trash-Culture. Sicher, ihre Auftritte beschränken sich auf durch die Story nicht sonderlich begründete Straßengigs und einigen debilen Sätzen in die Kamera, andererseits lebt der Film jedoch gerade von ihrem Erscheinungsbild und ihrem Habitus. Von der Bereicherung auf der Tonspur mal ganz abgesehen, wäre ein „Disco High“ heute vermutlich noch nicht mal mehr die Erinnerung wert – Discotänzer beim Abfackeln des Schulgebäudes? Nein, danke.

Rock’n’Roll High School, USA 1979
(Rock’n’Roll High School)
Regie: Allen Arkush, Jerry Zucker, Joe Dante
Drehbuch: Richard Whitley, Russ Dvonch, Joseph McBride, Allan Arkush, Joe Dante
Kamera: Dean Cundey
Schnitt: Larry Bock, Gail Werbin
Darsteller: P.J. Soles, Vincent Van Patten, Clint Howard,
Dey Young, Mary Woronov, Paul Bartel,
Dick Miller, Joey Ramone, Johnny Ramone,
Dee Dee Ramone, Marky Ramone, u.a.

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