Gurkensalat a la Card

Wenn Horrorfilmregisseure das Internet als Quelle oder Handlungsschauplatz des Bösen entdecken, wird es nicht selten heikel, weil der Horror zu oft auf einer diffusen Technologie-Angst basiert, die wiederum allzu häufig aus einem Unverständnis der neuen Technologien und deren Möglichkeiten beim Autor entsteht. Internet-Horrorfilme sind daher häufig reaktionär und technophob. Problematisch wird es, wenn hinzukommt, dass das Internet nur den Erzählvorwand für eine Geschichte bildet, die auch jederzeit anders hätte erzählt werden können, sich durch ihre technologische Grundierung jedoch den Anstrich des modernen verleihen möchte. Dario Argento zeigt in The Card Player wie so etwas geht:Wieder einmal treibt ein psychopathischer Serienmörder sein Unwesen – und wie bei Argento nicht unüblich ist die Polizei das Experimentierfeld für die perfiden Obsessionen des Täters. Eines Tages erhält die Polizeibeamtin Anna Mari (Stefania Rocca) eine E-Mail von einem Unbekannten, der ein Mädchen in seine Gewalt gebracht hat und nun mit der Polizei Internet-Poker um das Leben seines Opfers zu spielen wünscht. Zunächst entscheidet der Polizeichef, dass man sich auf solche „Spielchen“ nicht einlassen kann – was den sofortigen Tod des Opfers nach sich zieht. Als einen Tag später ein weiterer Aufruf zum Spielen erfolgt, geht die Polizei darauf ein, verliert jedoch das Spiel und damit auch das Leben des zweiten Opfers. Anna und ihr britischer Kollege John (Liam Cunningham) entschließen sich, einen Poker-Profi, den jungen Carlo (Claudio Santamaria), hinzuzuziehen, um das Leben des nächsten Opfers zu retten. Gleichzeitig laufen die Ermittlungen, wer der Täter sein könnte, auf Hochtouren. Man versucht, die IP des Gegenspielers zu tracken, die Webcam-Bilder, die er von seinen Opfern zur Polizei überträgt auszuwerten und Tonübermittlungen auf signifikante Hintergrundgeräusche abzuhören. Die Spur führt dann in eine unerwartete Richtung und zu einem Täter, der es mit seinen Spielchen vor allem auf Anna abgesehen hat.

Was Dario Argento in The Card Player abliefert, ist in Sachen Eindimensionalität, logische Brüche und uninspirierter Inszenierung eine echte „Weiterentwicklung“ seiner früheren Filme. Waren die Werke nach Opera (1987) schon durch eine recht offensichtliche Ablehnung von Wahrscheinlichkeit und Originalität geprägt, so übermannt The Card Player seine Zuschauer nun vollends mit Nonsens und Langweiligkeit. An etlichen Stellen des Films war sich Argento nicht zu schade, die erzählerischen Sackgassen, in die ihn seine Internet-Idee geführt hat, mit zu inszenieren. So lässt er beispielsweise seine Kommissare mit ermittlerischen Kapriolen auf die Idee kommen, die durchs Internet übertragenen Pokerspiele seien nur eine Aufzeichnung, um die Polizei in die Irre zu leiten, was dann zwar mit zur Ergreifung des Täters führt, aber die Interaktivität zwischen Täter und Ermittlern während des Spiels Lügen straft. Und ganz so, als wolle Argento von diesem und anderen recht krassen Brüchen ablenken, unterbuttert er seine Geschichte mit ein wenig „argentonischer Metaphysik“ und penetriert seine Zuschauer mit philosophischen Küchenweisheiten über das Pokerspiel und seine allegorische Bedeutung für das menschliche Leben.

In The Card Player treffen also die vielen erzählerische Probleme der Argento-Filmografie zusammen. Ergänzt werden sie durch eine für diesen Regisseur recht unübliche, schnörkellose Inszenierung: Keine farbübersättigten Bilder, keine barocken Splatterorgien, nicht einmal der typisch italienisch-horribel klingende Soundtrack findet sich im Film (anstelle dessen elektronisches Geklimper, wie es unüberlegter nicht hätte eingesetzt werden können). Fast möchte man meinen, die Reduktion der Stilmittel sei ein weiterer Hinweis auf das Allegorische der Poker-Erzählung – wahrscheinlicher ist, dass der Produktion schlicht das Geld für die üblichen Bild- und Ton-Manierismen gefehlt hat. Das führt dazu, dass man in The Card Player schnell das erkennt, was hinter etlichen der Argento’schen Film-Fassade steht: mangelndes Talent, das meint, sich nun – sozusagen im Alterswerk – nicht mehr länger verstecken zu müssen.

The Card Player
(Il Cartaio, It 2004)
Regie: Dario Argento
Buch: Dario Argento & Franco Ferrini; Kamera: Benoît Debie; Musik: Claudio Simonetti; Schnitt: Walter Fasano
Darsteller: Liam Cunningham, Stefania Rocca, Claudio Santamaria, Fiore Argento, Mia Benedetta u. a.
Verleih: N. N., Länge: 106 Minuten

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