Film noir

Die Zukunft ist ein düsterer Ort – zumindest wenn man Filmen wie „A Scanner Darkly“ oder nun auch „Renaissance“ glauben schenken will: Die Städte sind zu riesigen Molochen angewachsen, die Technologie hat ihre Nützlichkeit zugunsten einer den Menschen beherrschenden Totalüberwachung eingebüßt, große Konzerne beherrschen das politische und wirtschaftliche Geschehen und der Staat ist eher der Feind als der Beschützer seiner Bürger. Derlei Dystopien existieren im Kino seit Fritz Langs „Metropolis“ und sind immer wieder beliebte Themen. Doch gerade die beiden oben genannten Filme überführen diese Themen auch in ein ästhetisches, oder besser gesagt: grafisches Setting, mithilfe dessen sie es unterstreichen, forcieren und für den Betrachter auf befremdliche Weise „erfahrbarbar“ machen.

„Renaissance“ geht darin noch einen Schritt weiter als die Philip-K.-Dick-Adaption „A Scanner Darkly“. Hier ist es ebenfallse eine Verschwörungsgeschichte, die jedoch im Paris des Jahres 2054 angesiedelt ist. Die Stadt ist mittlerweile über sich selbst hinausgewachsen: In mehreren „Schichten“ fließt der Verkehr übereinander, Häuser besitzen Glasüberbauten und die Polizei überwacht jeden Schritt und Tritt der Bürger. Als die Biochemikerin Ilona Tasuiv entführt wird, die für den Pharma- und Kosmetikkonzern „Avalon“ an einem genetischen Heilmittel gegen die Krankheit „Progeria“ arbeitet, wird eine komplette Polizeiabteilung zur Suche nach der jungen Frau abgestellt. Der Grund hierfür ist, dass die Erkenntnisse der Wissenschaftlerin weit mehr als ein Heilmittel gegen die Krankheit, bei der die Zellen von Kindern rapide altern, kennt: Ihre Versuche haben nicht weniger als ein Heilmittel gegen das Altern selbst zutage gefördert. Dieses Wissen will „Avalon“ für sich fruchtbar machen. Der Polizist Karas, der die Ermittlungen im Entführungsfall leitet, erlangt bei seinen Recherchen immer mehr Hintergrundinformationen und steht irgendwann vor der Frage, ob es der Gesellschaft nicht eher schadet, wenn das Wissen der Entführten wieder zugänglich wird. Als er ihr auf der Spur ist, stößt er auf ehemalige Mitarbeiter von „Avalon“, die ebenfalls schon einmal der Methusalemformel nahegekommen sind und die nun einer nach dem anderen ermordet werden.

„Renaissance“ ist nach „A Scanner Darkly“ bereits das zweite Quasi-Comic, das Realfilm durch grafische Verfremdung wie Zeichentrick erscheinen lässt. Interessanterweise ähneln sich beide Filme vor allem darin, dass die Optik zu einem wichtigen Faktor für die emotionale Vermittlung der Story wird. War es bei „A Scanner Darkly“ vor allem die seltsam geschichtete Dreidimensionalität, die Überblick mehr verhindert als ermöglich hat und die damit zu einer Verdopplung des Identitätskrise-Themas wurde, so bewirken die scherenschnittartigen, harten Schwarz-Weißbilder, die fast jede Graunuanace vermissen lassen, wie eine visuelle Radikalisierung des klassichen Film-noir-Plots. Die Welt von „Renaissance“ ist voller düsterer Abgründe – sowohl psychischer als auch räumlicher Art. Einzig in Spiegelungen und Blicken durch die zahlreichen Glasfassaden entstehen Grauabstufungen. Der totalen Transparenz der Bevölkerung, realisiert durch die allgegenwärtigen Kameras der Polizei, steht die totale Intransparenz dieser Optik gegenüber. Das Schwarzweiß der Bilder verdoppelt zusammen damit die Dialektik des Filmplots, in dem es ebenfalls darum geht „Transparenz“ in eine Verschwörung zu bringen und zu klären, wer zur schwarzen und wer zur weißen Seite gehört.

„Renaissance“ ist damit eine archetypische Stadt-Dystopie – in vielem bezieht er sich auf seine Vorgänger von „Metropolis“ über „Blade Runner“ (woran schon allein das Progeria-Thema erinnert) bis hin zu „Dark City“. Die Kriminalfilmhandlung gerät angesichts der beeindruckenden Bilder und der hypnotischen Schwarzweiß-Äshtetik schnell zum Nebenschauplatz – was der ohnehin etwas langweiligen und langatmigen Story kaum schadet. Dass es sich bei den Bildern teilweise um Zeichentrick, nachbearbeitetem Realfilm und Computeranimation handelt, ist nur an einigen Stellen bemerkbar – die verwendeten Techniken ergänzen sich perfekt. Damit beweist „Renaissance“, dass einem eigentlich schon hinreichend bearbeitetem Thema doch noch originelle Aspekte abzugewinnen sind, wenn man sich nicht allein auf die Erzählung und deren Inszenierung konzentriert, sondern die Bilder auch einmal für sich selbst sprechen lässt. Die haben – wie oben dargelegt – in „Renaissance“ ein Eigeneleben einiges mitzuteilen.

Renaissance
(F/UK/Lux 2006)
Regie: Christian Volckman; Buch: Mathieu Delaporte; Musik: Nicholas Dodd; Schnitt: Pascal Tosi
Darsteller: Daniel Craig, Patrick Floersheim, Catherine McCormack, Laura Blanc, Romola Garai, Virginie Mery, Jonathan Pryce, Gabriel Le Doze, Ian Holm u. a.
Länge: 101 Minuten
Verleih: Ascot Elite

Die DVD von Ascot Elite

Bild: 1,76:1 (16:9) anamorph
Ton: Deutsch (DD 5.1), Englisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Extras: Interviews Cast & Crew, Hinter den Kulissen, Musikclip, Featurette, Slideshow, Trailer
FSK: ab 12 Jahren
Preis: 15,95 Euro

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