Die innere Unsicherheit

Ein Film über einen Terrorangriff als Parabel über einen Terrorangriff

Die Bilder vom 11. September 2001 haben es gezeigt und Oliver Stone hat es in seinem Film „World Trade Center“ belegt: Der Terrorismus kommt als Katastrophe über die Zivilisation wie eine Naturgewalt. Um das Große dieser Gewalt aus der ästhetischen Erhabenheit zu entreißen und als Schrecken erfahrbar zu machen, hat der Katastrophenfilm schon immer gut daran getan, ihre Mechanismen im Kleinen zu beschreiben. Chris Gorak entwirft in seinem Debutfilm RIGHT AT YOUR DOOR ein Terror-Szenario enormen Ausmaßes. Er beschreibt, wie in Los Angeles gleich mehrere „schmutzige Bomben“ explodieren, das Stadtgebiet und gesamte Umland verseuchen. Was für eine Substanz die Giftwolke über Stadt enthält ist zunächst unklar und so reagieren die Behörden und die Bevölkerung panisch.
rayd.jpgGorak zeigt diese Panik nur in wenigen Szenen; er konzentriert sich vor allem auf das in einem Vorort lebende Paar Brad (Rori Cochrane) und Lexi (Mary McGormack). Während er als arbeitsloser Musiker im Haus ist, als die Bomben explodieren, befindet sich seine Frau gerade auf dem Weg zur Arbeit in die Stadt. Zunächst gilt seine einzige Sorge ihr und er versucht sie mit dem Telefon zu erreichen, fährt schließlich Auto Richtung Stadt. Doch die allgemeine Panik und die um sich schießenden Polizisten verhindern seinen Rettungsversuch. So kehrt er heim und beginnt sich, zusammen mit seinem Nachbarn Alvaro (Tony Perez) hermetisch in seinem Haus einzusiegeln. Als alle Zugänge dicht verschlossen ist, steht plötzlich Lexi, von giftigem Staub überzogen, vor der Tür und will rein. Brad verweigert ihr den Zutritt, weil die Medien vor dem geringsten Kontakt mit dem tödlichen Gift warnen. Während Brad seiner Frau beim langsamen Sterben zusehen muss, bemerkt er nicht, dass er selbst in der Falle sitzt.

Das Thema der „inneren Sicherheit“ behandelt „Right at your door“ gleich auf mehreren Verständnisebenen. Zum einen wird im Film ein Ausnahmezustand inszeniert, der die eigentlichen Schutzkräfte (Polizei und Militär) zur vordergründigen Bedrohung für die Bevölkerung werden lässt. Patroillen ziehen durch die Stadt, greifen jeden Verseuchten auf und deportieren ihn. Wer sich der Verschleppung widersetzt, wird erschossen. Die „äußere Gefahr“, die sich nach innen richtet, spiegelt sich auch auf der Mikroebene der Erzählung, im Drama zwischen Brad und Lexi wider. Auch hier ist der Schutz des „Innen“ ein trügerischer, die totale Abschottung eine Sackgasse. Wie problematisch diese ist, zeigt sich schon an der Informationsarmut, die durch den Terroranschlag und die nachfolgende Abkapselung entsteht: Den Eingeschlossenen stehen nur akustische Kanäle zur Außenwelt zur Verfügung: Radio und ein mehr gestörtes als funktionierendes Telefonnetz liefern ihnen die Informationen, die ihren Augen durch die Entfernung und den Rauch über der Stadt verwährt sind.

„Right at your door“ – darauf weist nicht nur das „your“ im Titel hin – versteht sich in dieser Situationsverdopplung als warnende Parabel. Zum Einen sind die Mechanismen, die die menschliche Katastrophe verursachen, bereits latent (im Innern) vorhanden, bevor es zum Anschlag kommt: Die mangelnde Hilfsbereitschaft, die Angst und die Gewalt, die daraus resultiert. Zum Anderen verdeutlicht der Film mit all der (im doppelten Sinne) „Unsicherheit“ seiner Protagonisten wie stark sich die allgemeine Unsicherheit, verursacht durch die Allgegenwärtigkeit des Terrors, bereits im Einzelnen ausgebreitet hat. Wir sehen mit Schrecken wie sich Brad mit seiner Entscheidung, Lexi nicht reinzulassen, nicht zuvorderst gegen sie, sondern für sich Stellung bezieht – auch wenn er dies zunächst noch auf Alvaro abschiebt, über dessen Wohl er nicht entscheiden will. Die Frage, die der Film damit aufwirft, ist keine geringere als die nach der Conditio Humana in Zeiten des Krieges; die Antwort, die er darauf liefert, ist eindeutig und nach Außen gerichtet.

Right at your Door
(USA 2006)
Regie & Buch: Chris Gorak, Musik: tomandandy, Kamera: Tom Richmond, Schnitt: Jeffrey M. Werner
Darsteller: Mary McCormack, Rory Cochrane, Tony Perez, Scotty Noyd Jr. u.a.
Länge: 96 Min.
Verleih: Lions Gate

Eine Antwort auf „Die innere Unsicherheit“

  1. Meiner Meinung nach ruft dieser Film nur nach Schockmomenten auf. Der Regisseur will mit dem „derben Ende“ nur einen BOAA Effekt bei den Zuschauern hervorrufen, vergißt aber dabei die logische Aufklärung der Ereignisse bzw lässt sie in einem einzigen kurzen Satz viel zu sehr untergehen. Der Film an sich ist gut, nur der Abschluß läßt mehr als nur zu wünschen übrig.

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