Alive and Smoking

Zu den streitbarsten Themen der letzten Jahre gehört zweifellos der Nichtraucherschutz. Dass das so ist, liegt nicht etwa daran, dass die Gefahren des Tabakrauchs unbekannt wären, sondern vielmehr in den ökonomischen und rhetorischen Fußangeln, in denen sich das Lager der “Pro” und das der “Contra” beständig verfangen. Jede Studie, die versucht, die Schädlichkeit des Rauchens emprisch zu belegen, erfährt innerhalb kürzester Zeit eine Gegenstudie, die die Ergebnisse oder zumindest die Schlüsse aus den empirischen Daten anzweifelt. Für beide Seiten arbeiten hochrangige Wissenschaftler und schon allein daran zeigt sich, dass die Wahrheit zu diesem Thema auch etwas mit der Perspektive (und damit mit fiskalischen Interessen) zu tun zu haben scheint. Zuguterletzt sind es dann vor allem die Marketingstrategen der Tabakindustrie, die versuchen, die kritischen Stimmen rhetorisch zum Schweigen zu bringen. Wie diese Mechanismen ineinandergreifen, kann man nun in Jason Reitmans sarkastischer Komödie “Thank you for smoking” miterleben.

smoking.jpgDie Hauptfigur ist der risch geschiedene PR-Stratege und Lobbyist Nick Naylor (Aaron Eckard), der für ein von der Tabakindustrie finanziertes Wissenschaftsinstitut arbeitet. Naylor ist ein rhetorisches Naturtalent, das – ohne Studium oder besondere Ausbildung – jeden Gegner mit Worten in die Knie zwingt, seien es nun Lungenkrebskranke, Anti-Lobbyisten oder Senatoren, wie Ortolan K Finistirre (William H. Macy), auf dessen Vertreter Naylor in einer Fernsehtalkshow trifft. Finistirre hat es sich zum Ziel gesetzt, Naylor zu entlarven und im Senat ein Gesetz zu verabschieden, dass die Abbildung eines Gift-Totenschädels auf jeder Zigarettenschachtel zum Gesetz macht. Während Naylor dieser Sache gelassen entgegen sieht, trifft er sich regelmäßig mit befreundeten Lobbyisten aus der Alkohol- und Waffenindustrie und berät seine Strategien, versucht er, seinem Sohn Joey (Cameron Bright) ein guter Vater zu sein und ihn rhetorisch zu schulen und lässt sich mit der schönen Journalistin Heather Holloway (Katie Holmes) um den Finger wickeln. Diese schreibt einen geharnischten Artikel über Naylor und beendet desse Karriere, die kurz zuvor bereits durch ein Attentat einer Anti-Raucher-Gruppierung gefährdet wurde. Doch Naylor, seinem Berufsmotto, “moralisch flexibel” zu bleiben, windet sich heraus und verlässt die Schlacht als einziger Sieger.

Es ist vor allem die kaltschnäuzige Rhetorik Naylors, die immer wieder für bitteres Lachen sorgt. Selbst mit dem in der Talkshow neben ihm sitzenden krebskranken Jungen schafft er es, sich zu verbrüdern und diese wie auch andere brenzlige Situationen für sich zu entscheiden. Seine Masche ist dabei so einfach wie eigentlich auch leicht durchschaubar: Er zieht die richtigen Schlüsse aus falschen Prämissen, wenn er etwa versucht darzulegen, dass es die Anti-Raucher-Kampagnen sind, die das Leben der Jugendlichen gefährden, weil sie die am Rauchen erkrankten immer wieder ins Zentrum ihrer Kampagnen zerren, während die Zigarettenindustrie damit befasst ist, rauchen sicherer zu machen und den Menschen ein “alive and smoking”-Tantra mit auf den Weg zu geben. Dass alle auf diese Rhetorik hereinfallen ist das bestürzende an Film wie Thema, spiegelt sich darin doch offenbar ein fundamentales Unvermögen, nach Argumenten zu entscheiden.

Und dabei seien es gerade die Argumente, die Naylor zu seinem Prinzip macht. Sie bilden seine eigentliche Methodologie, die es ihm ermöglicht für jedes Ziel mit derselben Überzeugung einzutreten. Gemischt mit einem fatalen Falschverständnis von Selbstbestimmung und Liberalismus gelingt es ihm so, selbst seinem Sohn in einem scherzhaften Streitgespräch über Vanille- und Schokoeis auf seine Seite zu bringen, obwohl sich dieser gar nicht überzeugt von den Worten des Vaters zeigt. Der Film selbst verfährt mit seinen Zuschauern ganz ähnlich. Die Witzigkeit, mit der das Stehaufmännchen Naylor in sämtlichen Situationen brilliert, nimmt ds Publikum schnell für ihn ein. Am Ende ist diser Film über das (Nicht)Rauchen dann selbst dazu geeignet, am Zuschauer zu praktizieren, was die Zigaretten-PR-Industrie mit der Öffentlichkeit tut: Die Kritik wird abgefedertzugunsten eines schnelllebigen Effektes, der die Brisanz des Themas vergessen machen soll. “Thank you for Smoking” ist also kein Film über das Für und Wider des Rauchens, sondern einer über das Denke darüber.

Thank you for Smoking
(USA 2005)
Regie & Buch: Jason Reitman; Musik: Rolfe Kent; Kamera: Jim Whitaker; Schnitt: Dana E. Glauberman
Dartsteller: Aaron Eckhart, Maria Bello, Cameron Bright, Adam Brody, Sam Elliott, Katie Holmes, David Koechner, Rob Lowe u. a.
Verleih: 20th Century Fox
Länge: 92 Minuten

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