Am Ende einer Ära

Nachdem der Actionfilm mehrere Jahrzehnte brauchte, um schließlich in den Achtzigern als eigenes Genre wahrgenommen zu werden, versank er nur ein Jahrzehnt später schon wieder in der Versenkung. Das Destillat aus Western, Kriegs- und Polizeifilm spiegelte das letzte Aufbäumen des klassischen Unterhaltungskinos vor dessen postmoderner Wende zu Beginn der Neunzigerjahre, sein Verschwinden den Wandel von einer nationalstaatlich organisierten hin zu einer globalisierten Welt wider. Zwar durften die Rambos, Kerseys und Braddocks im Reagan-Jahrzehnt noch einmal für die die amerikanische Flagge morden, doch taten sie dies bereits in dem Wissen, die Letzten einer überkommenen Art zu sein. Schon Andrew V. McLaglens Söldnerfilm-Klassiker „Die Wildgänse kommen“ von 1978 thematisiert diese ideologische Krise des Actionhelden, präsentiert sich aber auch formal noch stärker als Übergangsfilm zwischen dem unbedarften Abenteuerfilm des alten Hollywood und dem „reifen“ Actionfilm.

wildganse.jpgDer Söldner Colonel Allen Faulkner wird vom Milliardär Sir Edward Matheson beauftragt, den in Gefangenschaft befindlichen Präsidenten eines afrikanischen Staates, Julius Limbani, zu befreien. Der Grund dafür ist jedoch mitnichten im humanistischen Drang Mathesons zu suchen, sondern in rein ökonomischen Interessen. Und aus denselben Motiven willigt schließlich auch Faulkner ein, die Mission durchzuführen und stellt sogleich ein Team zusammen. In Afrika angekommen läuft zunächst alles nach Plan: Limbani wird befreit und die Rückreise vorbereitet, doch da ändern sich in der britischen Heimat plötzlich die Voraussetzungen: Matheson verliert das Interesse an Limbani und so sehen sich Faulkner und seine Männer im Busch zurückgelassen einer Übermacht wütender afrikanischer Soldaten gegenüber …

McLaglens Film erinnert zunächst an die großen Kriegsabenteuer des Kinos der Sechzigerjahre. Sturges’ „Gesprengte Ketten“ oder Aldrichs „Das dreckige Dutzend“ kommen einem in den Sinn. Die Söldner um Colonel Faulkner sind Haudegen von echtem Schrot und Korn, nie um einen kernigen Spruch verlegen und mit einer Vorliebe für hochprozentige Getränke ausgestattet. Die Zusammenstellung der Mannschaft und die anschließende Ausbildung bietet ausreichend Gelegenheit, sie als verwegenen, jedoch herzensguten Haufen darzustellen. Mit zunehmender Laufzeit mischt sich ein unverkennbarer Hauch Melancholie in den Film: Die Söldner sind Vertreter einer aussterbenden Art. Zwar haben sie die Schlachtfelder dieser Erde hinter sich gelassen und den Ruhestand angetreten, mit diesem haben sie sich jedoch bestenfalls arrangiert und niemals abgefunden. Die Befreiungsaktion in Afrika ist für sie nicht nur eine Möglichkeit, sich die Geldbörse zu füllen, sondern die vielleicht letzte Chance, die Vergangenheit noch einmal aufleben zu lassen. Diese Melancholie dient McLaglen jedoch nicht einfach nur dazu, sein Söldnerepos mit der nötigen Portion Melodram zu versehen, vielmehr gelingt es ihm so, die Realität umso härter über seinen Figuren einbrechen zu lassen. Der Film ändert auf äußerst rabiate Weise den Ton, das unschuldige Kriegsspiel im afrikanischen Busch wird zum Kampf um Leben und Tod. Und das brutale Gemetzel, in dem nicht wenige der Wildgänse ihr Leben lassen, ist ein deutliches Signal dafür, dass sich die Zeiten endgültig geändert haben.

„Die Wildgänse kommen“ ist nicht nur aus rein filmhistorischer Sicht – er inspirierte in den Achtzigerjahren eine ganze Welle von thematisch ähnlich gelagerten Söldnerfilmen – eine Wiederentdeckung wert: McLaglens Film greift viele Reizthemen des Actionfilms auf und thematisiert diese sehr direkt. Bestes Beispiel ist die sich entspinnende Beziehung zwischen dem beinharten südafrikanischen Rassisten Coetzee und dem schwarzen Präsidenten Limbani, dem es während der Flucht durch den Busch gelingt, den Weißen davon zu überzeugen, dass nur ein Umdenken beider Seiten den afrikanischen Kontinent vor dem Versinken im Chaos bewahren kann …

Die Wildgänse kommen
(The Wild Geese, GB/Schweiz 1978)
Regie: Andrew V. McLaglen, Drehbuch: Reginald Rose, Kamera: Jack Hildyard, Musik: Roy Budd, Schnitt: John Glen
Darsteller: Richard Burton (Col. Allen Faulkner), Roger Moore (Lt. Shawn Fynn), Richard Harris (Capt. Rafer Janders), Hardy Krüger (Lt. Pieter Coetzee), Stewart Granger (Sir Edward Matheson)
Länge: 129 Minuten
Verleih: e – m – s

Zur DVD von e – m – s

„Die Wildgänse kommen“ erfährt mit dieser DVD eine wirklich phantastische Veröffentlichung. Bild und Ton lassen keine Wünsche offen, zudem werden auf einer zweiten DVD noch Unmengen an Extras geboten, die eine Anschaffung fast unumgänglich machen.

Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 1,85:1
Ton: Dolby Digital 2.0
Extras: Dokumentation „The Last of the Gentleman Producers“, Privatkrieg der Hollywood-Stars: The Making of The Wild Geese, Bericht von einer Wohltätigkeitspremiere, Original Radiobeitrag zum Film, Die komplette deutsche Super-8-Fassung, Audiokommentar von Sir Roger Moore, Produzent Eun Lloyd & Editor John Glen, Trailer, Bildergalerie
Länge: 129 Minuten + 180 Minuten Bonusmaterial
FSK: Ab 16
Preis: 10,95

Diese DVD bei Amazon kaufen

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.