Horror-Lyzeum

Der amerikanische Regisseur Lucky McGee interessiert sich in seinen Filmen für adoleszente Mädchen – das wird nach „May“ (2002) spätestens mit seinem neuen Film „The Woods“ deutlich. Doch anders als im Erstling, der das grausige Psychogramm einer in sich zurück gezogenen Arzthelferin beschrieb, ist die Protagonistin aus „The Woods“ extrovertiert: In Worten wie Taten aggressiv lehnt sich Heather (passend besetzt mit Agnes Bruckner) gegen jede Instanz auf, die sie formen oder erziehen will, seien es die Eltern, die Lehrer oder zickige Mitschülerinnen.

woods01.jpg Und Heather hat allen Grund für ihre Rebellion, denn das Internat, in das ihre Eltern sie stecken, ist keinesweg das, was es vorgibt zu sein. Von einer Gruppe Hexen, die in organischer Verbindung zum um es herumliegenden Wald stehen, wird das Lyzeum geleitet. Neben der schulischen Ausbildung sind die Lehrerinnen bemüht, die Mädchen zu ihren Werkzeugen und zu Opfern zu machen. Jede Schülerin, die sich unangepasst zeigt, verschwindet von der Bildfläche und auch Heather droht dieses Schicksal. Doch sie verfügt bereits bei ihrer Ankunft in der Schule über ausgewöhnliche Fähigkeiten – sie ist Psychokinetikerin –, die sie für die Hexen besonders interessant macht.

„The Woods“ ist zunächst einmal vor allem ein Horrorfilm, der sich ganz im Stile seiner Vorbilder „Carrie“ und „Suspiria“ dem Motiv der weiblichen Adoleszenz annimmt, um es in bester kulturhistorischer Tradition mit dem Unheimliche zu identifizieren. Von der biblischen Lilith über Goethes Mingnon bis hin zu Nabokovs Lolita geht von der weiblichen Heranwachsenden stets etwas „Behexendes“ aus, das als erwachende Sexualität vor allem gegen den Mann bzw. männlichen Rezipienten oder besser noch: die männliche Blickökonomie gerichtet ist. Es ist nicht schwer, den Grusel, der von den Heranwachsenden in Filmen wie „The Woods“ ausgeht, verstehbar zu machen – beruft er sich doch auf genau diese kulturgeschichtlich uralte Tradition.

Damit ist McGees Horrorfilm aber auch zugleich ein enttäuschendes Zweitwerkt geworden, denn es verlässt diesen ausgetretenen Pfad zu keiner Zeit. Vielmehr verstrickt sich die Erzählung immer tiefer ins Fantastische und beginnt nach und nach die psychologischen und kulturgeschichtlichen Implikationen dahinter immer mehr auszublenden. Am Ende ist „The Woods“ damit leider nur ein Horrorfilm unter vielen, der sich nicht einmal einer originellen Schreibweise, wie sie in „May“ den Zuschauer noch überrascht hat, bedient, sondern sich lieber im Motiv- und Darstellungsinventar des „Mädchenhorrors“ vergreift. Das hat man bei Brian de Palma schon origineller und bei Dario Argento schon überdrehter zu sehen bekommen, wenngleich McGees Hauptdarstellerin Agnes Bruckner die unheimliche Figur mit ihrer ewig schmollmudigen Präsenz schon sehr gekonnt ins Bild setzt.

The Woods
USA 2006
Regie: Lucky McGee; Buch: David Ross; Musik: John Frizzell 6 Jaye Barnes Luckett; Kamera: John R. Leonetti; Schnitt: Dan Lebental
Darsteller: Colleen Williams, Lauren Birkell, Jane Gilchrist, Ivana Shein, Marcia Bennett, Agnes Bruckner u.a.
Länge: 90 Minuten
Verleih: United Artists

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