My Big Fat Greek Wedding

Romantische Komödien sind vertrackte Angelegenheiten – jedenfalls wenn sie aus der sehr eigenen, extraordinären Welt der Studios von Hollywood kommen. Da mühen sich Julia Roberts, Sandra Bullock und viele andere ab, und wir sind begeistert, gerührt, manchmal zutiefst enttäuscht. Zuletzt sorgte Reese Witherspoon in SWEET HOME ALABAMA (USA 2002) für die Aufrechterhaltung der ewigen Legende von der ewigen Romanze und trotz aller Zweifel, allen Realitätssinns, der uns danach beschleicht, bleibt doch der nicht unter zu kriegende Traum vom glänzenden Helden respektive der wunderschönen Heldin in unseren Herzen bestehen (Ende der Schwärmerei).

Was nun aber, wenn da ein Regisseur und vor allem eine Drehbuchautorin uns Personen serviert, die wir uns als durchaus reale vorstellen können? Rita Wilson entdeckte Nia Vardalos und überzeugte ihren Mann Tom Hanks, mit ihr zusammen einen Film zu produzieren, der im griechisch-amerikanischen Milieu angesiedelt ist, eine romantische Komödie, die nicht sehr viel Substanz hat, dafür aber Personen aus Fleisch und Blut, eine Komödie, bei der man vor allem anderen einfach herzhaft lachen kann. It works! Seit langem habe ich keinen Film dieses Genres gesehen, der die Lachmuskeln derart strapaziert wie dieser Streifen über die Liebesgeschichte zwischen einer so gar nicht dem Schönheitsideal entsprechenden griechischen Amerikanerin mit inflationärem familiären Anhang und einem Lehrer mit stockkonservativen Eltern. Nia Vardalos, die das Drehbuch zu dieser Independent-Komödie schrieb, spielt gleichzeitig die weibliche Hauptrolle – und wie!

Toula Portokalos (Nia Vardalos) ist 30 – und zum Entsetzen ihrer Eltern, vor allem ihres Vaters Gus (Michael Constantine), noch nicht unter der Haube. Toula, braune Jacke, braune Hose, schwarze Brille, etwas pummelig, arbeitet als Kellnerin im Familienrestaurant „Dancing Zorba’s“ ihrer Eltern. Mama Maria (Lainie Kazan) sorgt für’s Essen, und überhaupt zählt vor allem eines: es wird griechisch geheiratet, es werden viele griechische Kinder gezeugt und es wird viel griechisches Essen zu sich genommen. Papa Gus hat dafür gesorgt, dass diese Regeln auch nach außen jedermann sichtbar werden. Das Haus der Familie kann griechischer nicht sein: weiße Statuen und Akropolis-Touch lassen jeden Nicht-Griechen, der zu Besuch kommen sollte – es kommt allerdings vorerst keiner – in eine eigene Welt eintauchen.

Eines Tages allerdings kommt Leben in diese Welt, die doch schon so lebendig ist. Toula sieht Ian (John Corbett), Nicht-Grieche, Lehrer, lange Haare, ruhig – und vor allem: sympathisch und gut aussehend. Toula ist hin und weg. Weg möchte sie vor allem aus der Enge des familiären Einerlei, hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihrem Clan und dem Willen, auf eigenen Füßen zu stehen. Da sie Ahnung von Computern hat, bringen Mama und Tante Voula (Andrea Martin) das Familienoberhaupt Gus dazu, selbst den Vorschlag zu machen, Toula solle künftig in Voulas Reisebüro arbeiten. Dort sieht sie Ian wieder, und es kommt, was kommen muss: sie verlieben sich ineinander.

Gus griechische Welt bricht fast zusammen. Nie und nimmer wird ein Nicht- Grieche Ehemann seiner Tochter. Ergo werden Toula entsprechende Anwärter vorgestellt. Das alles jedoch hilft nichts. Und so schwenkt Mama auf Toulas Seite. Langsam, behutsam, aber doch konsequent schubst sie ihren Mann dahin zu akzeptieren, Ian in die Familie aufzunehmen …

Mit viel Charme, noch mehr Humor, realistischen Personen und unglaublicher Energie inszenierte Joel Zwick dieses Feuerwerk einer Culture-Clash-Romantik-Comedy, nicht neu, man vergleiche MONSOON WEDDING (IN/F/USA/IT 2001), ohne allzu viel Substanz, aber umwerfend herzhaft und würzig. Das geht bis in Details. Für Papa Gus – herrlich gespielt von Michael Constantine – zählen nur zwei Dinge: 1. Griechisch muss griechisch bleiben und 2. „Windex“, ein Putzmittel in Sprayflasche, von dem er überzeugt ist, dass es gegen alles hilft. Für Gus geht jedes Wort jeder Sprache auf griechische Ursprünge zurück. Der Name Miller kommt angeblich von dem griechischen Wort für Äpfel, auch Kimono kommt aus der Sprache der höchsten Hochkultur usw., wenn man ihm glauben wollte. Lainie Kazan, die die fütternde Mutter spielt, steht für die heimliche Herrschaft der Frau im patriarchalischen griechischen Haushalt. Mit viel Phantasie bringt sie ihren Mann dazu zu tun, was sie will, ohne dass er es merkt. Andrea Martin als Tante Voula kann überhaupt nicht verstehen, dass ein Mann kein Fleisch ist – Ian ist Vegetarier –, dann würde sie eben Lamm servieren. Die aus Griechenland eingeflogene Großmutter beschimpft ihre Verwandten als türkische Bastarde und klettert auf Nachbars Dach, Toulas Bruder macht sich einen Spaß daraus, Ian peinliche griechische Worte in den Mund zu legen – und so weiter und so fort.

Und Nia Vardalos, die sich vom Mauerblümchen zu einer äußerst attraktiven Frau entwickelt? Sie ist einfach „nur“ umwerfend. Zunächst ist Toula bemüht, Ian von ihrer reichlich lebendigen, aber auch strapaziösen Familie fernzuhalten. John Corbetts Ian jedoch lässt sich nicht abwimmeln. Er lässt sich sogar griechisch-orthodox taufen, um seine Toula zu bekommen. Corbett spielt überzeugend einen ruhigen, charmanten Mann, der mit viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis in diese griechische Welt eintaucht – only for Toula.

Als dann Ians Eltern – phantastisch Fiona Reid und Bruce Gray, konservativ und langweilig bis in die Knochen – über den ungestümen Konsum von Ouzo aus ihrer Lethargie und in die Großfamilie der Portokalos hinein gerissen werden, kommt erst so richtig Leben und Humor in die Bude. Papa Gus stellt einige der 27 Cousins von Toula bei der Hochzeitsfeier vor: „Nick, Nick, Nick, Nick, Nick, Nick, Nick, Nick … and Gus“. Und schließlich findet sich auch Gus mit Ian ab. Am Ende seien sie doch alle Obst (Portokalos steht für Orangen, und Miller ja angeblich für Äpfel).

Für diese spritzige und witzige, rasante und nie übertreibende Komödie lasse ich alle romantic comedies der letzten Zeit weit hinter mir. Nia Vardalos schrieb ein exorbitantes Drehbuch, an dem sich so manche Autoren aus der Kaderschmiede des Genres ein Beispiel nehmen sollten. MY BIG FAT GREEK WEDDING (USA 2002) strotzt andererseits vor Sympathie für seine Figuren und überschreitet nie die Grenzen zum schlechten Geschmack oder zur Beleidigung. Ironie und Selbstironie, Wortwitz und Situationskomik beherrschen die Szenerie. Grandios.

My Big Fat Greek Wedding
(My Big Fat Greek Wedding)
USA 2002, 96 Minuten
Regie: Joel Zwick
Drehbuch: Nia Vardalos, nach ihrem Roman
Musik: Xandy Janko, Chris Wilson
Director of Photography: Jeffrey Jur
Schnitt: Mia Goldman
Produktionsdesign: Gregory P. Keen, Kei Ng
Hauptdarsteller: Nia Vardalos, John Corbett, Michael Constantine,
Lainie Kazan, Andrea Martin, Joey Fatone, Gia Carides, u.a.

Ulrich Behrens

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