Don’t look back

Filmserien haben einen Pruduktionsvorteil, der zugleich ihr Rezeptionsnachteil ist. Sie setzen auf das Prinzip „Kontinuität und Progression“: Das Sequel muss narrativ (in Filmkritiken gern „logisch“ genannt) an seinen Vorgänger anschließen und dabei dessen Erzählung so weiter spinnen, dass daraus etwas Neues entsteht. Was aber, wenn schon alle Vatiationen ausgeschöpft scheinen? Wenn die Handlung aufgrund der tradierten Muster, wie sie durch das Prequel (oder die Serie überhaupt) vorgegeben werden, in Ihren Möglichkeiten schon so weit reduziert ist, dass jeder Versuch der Fortsetzung gleichzeitig dazu verurteilt ist, Altes noch einmal aufzukochen? Mit diesem Problem kämpfen wohl am allermeisten die Serienkiller-Serien. Den Sujets von Friday the 13th, Helloween und Nightmare on Elstreet geht es dabei ähnlich wie ihren Killerfiguren: Sie können nicht in Frieden ruhen, weil immer irgendein ökonomischer Grund sie aus den Gräbern zerrt, um die Fans abermals an die Kinokassen locken zu können. Den Drehbuchschreibern kommt dabei die schwierige Aufgabe zu, eine Handlung, die das Prequel bereits (als Happy-End) abgeschlossen hatte, noch einmal wiederzubeleben.

Als Michael Myers im Jahre 1978 am Schluss von Carpenters Halloween aus dem Fenster gestoßen worden war und die verängstigte Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) einen Blick hinunter riskierte und dort keinen Toten liegen sah, sondern schlicht und ergreifend eine Leerstelle, durfte man eigentlich schon ahnen, dass es mit der Erzählung weitergehen würde. Und es ging weiter: Drei Jahre später debütierte Regisseur Rick Rosenthal mit Halloween II (USA 1982) und nahm die von Carpenter gelieferte Leerstelle als narrativen Faden wieder auf, um eine Fortsetzung zu stricken, die wiederum eine Kette von Serienkillerfilmen um Michael Myers nach sich zog, welche heute ihren vorerst jüngsten Teil gefunden hatte: Halloween – Resurection. Abermals unter Rosenthals Leitung entstanden.

Laurie Strode, die am Ende vom siebten Teil Halloween H20 (USA 1998) ihren serienmordenden Bruder Michael Myers zu köpfen geglaubt hatte, hatte jemanden falsches erwischt. Michael konnte unbehelligt abziehen und Laurie kam ins Irrenhaus, wo sie im Prolog von Halloween 8 Besuch von ihrem Bruder bekommt. Nachdem er zahlreiche Opfer in der Anstalt gefunden hat, steht nun seine Schwester auf der Liste. Doch sie überlistet ihn – zunächst. Kurz bevor sie ihn ins entgültige (?) Aus vom Anstaltsdach stürzen will (Michael überlebt solche Stürze normalerweise ohne Blessuren), kommen ihr Zweifel, ob sie denn dieses mal den richtigen erwischt hat … Zweifel, die sie das Leben kosten und ihr damit wohl ersparen, gleich dem ewigen Verfolger Dr. Sam Loomis (Donald Pleasence) Michael Myers in weiteren Sequels auf den Fersen zu sein.

Schnitt. Der findige Medienmacher Freddie Harris (Busta Rhymes) möchte zu Halloween im Myers-Haus, das seit 1978 leer steht, eine Reality-Horror-Show inszenieren. Dazu stattet er das Haus mit Webcams aus und castet sechs Teenager, die eine Nacht darin nach den „wahren Gründen“ für den Wahnsinn des Michael Myers forschen sollen. Die Show soll via Internet übertragen werden. Das Haus ist dabei mit allerlei Fake-Stuff ausstaffiert: falsche Kinder-Spielsachen Michaels, falsche Folterkeller von Michaels Eltern, falsche verscharrte Opfer von Michael, um den Teenies ordentlich Angst zu machen und damit den Thrill für die Zuschauer zu erhöhen. Ja, Regisseur Harris steigt sogar selbst ins Michael-Kostüm, um durchs Haus zu schleichen und zu erschrecken.

Was niemand weiß: Michael Myers selbst lebt dort in einem Kellerverschlag. Einen nach dem anderen holt er sich, wie es das Prinzip des Serienkillerfilms vorschreibt. Beobachtet wird sein Treiben vom Internet-Zuschauer Dekkard (Gus Lynch), der schon länger per Chat mit der Reality-Show-Mitspielerin Sarah (Bianca Kajlich) bekannt ist. Dekkard hat sich auf einer Party zum Surfen in einen Nebenraum zurückgezogen und dadurch nach und nach diese Party gesprengt, weil alle beim Snuff-Internet-Movie dabei sein wollen. Ihm verdankt Sarah schließlich auch ihr Leben, da sie via Palm mit ihm kommuniziert und seine Kamera-Draufsicht nutzt, um vor Michael zu fliehen. Und mit Hilfe modernster Kommunikationsmöglichkeiten endet auch dieser Teil von Halloween wie seine Prequels damit, dass Michael gestellt und getötet wird.

Wer dem Film diese singuläre Dramaturgie ernsthaft vorwerfen will, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er denn wirklich nicht gewusst hat, auf was er sich da eingelassen hat – bzw. wo er denn die letzten 25 Jahren Kinogeschichte verbracht hat. Schließlich liegt der Reiz moderner Serienkiller-Serien längst nicht mehr in einem plausiblen Plot oder gar in der Fähigkeit der Schauspieler, den dramatischen Konflikt zwischen Jäger und Gejagten glaubwürdig darzustellen. Nein: Einzig das „Creative Killing“ und die Schockmomente, die von wissenden Publikum als Fun erlebt werden, sind die notwendigen Ingredienzien eines Fließbandproduktes wie Halloween.

Michael, der, allgemein bekannt, nur mit einem großen Messer bewaffnet ist, kann in Halloween 8 bezüglich des kreativen Über-den-Jordan-Beförderns seiner Opfer nicht viel bieten. Doch der Thrill, den er duch seine Taten unter den sechs eingeschlossenen Teenager, deren Zuschauern im Netz und schließlich beim Kinopublikum selbst erzeugt, kann sich sehen lassen. Die Kombination des Blair-Witch-Kamerastils (inszeniert durch die Webcams, die überall im Haus installiert sind) und der Interaktivität durch den Internetchat mit Dekkard bieten in der Tat eine interessante Variation. So wird die nun mittlerweile fast 25 Jahre alte Geschichte noch einmal durch ein neues Medium dekliniert und reflektiert dabei ganz nebenbei die von der Produktion gewünschte Rezeptionssituation: Der Zuschauer soll gefälligst mit den Opfern mitfiebern und ihnen das Leben retten wollen – Dekkarc ist der Idealtypus dafür. Die Serie behält auch mit diesem Sequwl ihre typische Unschuld (andere könnten von „Naivität“ sprechen). Und so kann der Titel Halloween – Resurrection schließlich als Programm stehen: Die Schlusssequenz zeigt eine Szene in der Gerichtsmedizin. Eine Ärztin öffnet den Leichensack, in dem der verbrannte Leichnahm Michael Myers’ angiefert wurde. Sie hat schon viel von dem Haddonfield-Mörder gehört, sodass sie gleich einen Blick hinter seine Maske wagen will. Als sie ihn berührt, schlägt er die Augen auf …

Halloween – Ressurection (USA 2002)
Regie: Rick Rosenthal
Drehbuch: Larry Brand, Kamera: David Geddes, Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Jamie Lee Curtis, Brad Loree, Busta Rhymes, Bianca Kajlich u. a.
Dimension Films, 94 Min.

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