Mörderisches Profil

„Der Serienmörder ist noch ein echter Held“, äußerte der französische Philosoph Jean Baudrillard einmal in einem Interview. In der Tat ist der Serienmörder auch eine kulturelle Ikone, ein Objekt der Faszination, das die Medien fasziniert präsentieren und vermarkten. Die Faszinaiton, die vom Serienmörder ausgeht, hängt mit seinem radikalen Freiheitsanspruch zusammen, den er durch seine Taten die soziale Gemeinschaft verwirklicht. Doch das ist eben nur eine Seite.


Denn der Serienmörder, wie ihn Baudrillard meint, ist zu unterscheiden vom Serienmörder, wie ihn Kriminologen sehen. In seinem neuen Buch „Mörderisches Profil. Phänomen Serientäter“ widmet sich Kriminalhauptkommissar Stephan Harbort genau dieser anderen Seite. Und die glänzt keinesfalls allein durch Faszination. Harbort schildert einerseits die Fälle, durch Serienmörder begagenen aus einer für den „Rezipienten“ unangenehmen Perspektive: aus der der Kriminalisten, die zunächst nun einmal mit den Opfern konfrontiert werden. Darüber hinaus sind Harborts Täter eben nicht jene populären Superhelden, wie sie in den Medien lanciert werden, sondern es sind einerseits seriell tötende Raubmörder und andererseits pathologische Fälle. Ihrem Freiheitsanspruch durch Gefangennahme zu begegnen, ist das argumentative Ziel Harborts.

Der Autor expliziert an einzelnen Fallgeschichten der bundesdeutschen Nachkriegszeit Tätertypen und kriminalistisches Vorgehen. Seine Argumentation steht dabei rückhaltlos hinter Opfern und der Polizeiarbeit. Er kritisiert verschiedene Verfahren zur Tatrekonstruktion, Täterprofilierung und Fahndung. Dabei erschreckt die Sachlichkeit einzelner Tathergangsbeschreibungen durchaus. Denn Harbot zeigt die Täter in ihrer Krankheit oder Kaltblütigkeit immer wieder durch den Spiegel ihrer Opfer und lässt sie sogar in eigens zur Recherche des Textes durchgeführten Interviews selbst zu Wort kommen.

Innerhalb der kulturellen Diskussion um das Phänomen Serienmörder ist das Buch ein unangenehm authentischer Beitrag. Dies weniger, weil es explizit Grausamkeiten schildert, sondern vielmehr weil es die Alltäglichkeit auch dieses Verbrechenstyps offenbart und dabei die (ebenfalls längst mysthische) Figur des Fahnders in ihrer kriminalistischen Arbeit vorstellt. Und letzere zeigt nicht nur wer die „wirklichen Helden“ sind, sondern fordert implizit zu einer kritischen (realistischen) Haltung gegenüber den Tätern auf.

Stephan Harbort
Mörderisches Profil. Phänomen Serientäter.
Leipzig: Militzke Verlag, 2002
313 Seiten, gebunden
20,00 Euro

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