Yes. Look at the rats …

Als Willard noch ein kleiner Junge war, hat er sich mit der Ratte Ben angefreundet. Aus dieser Freundschaft erwuchs für Willard ein Gefühl von Macht. Zum ersten Mal war er in der Lage, sich gegen die gleichaltrigen Kinder, die ihn täglich hänselten, zu wehren. Und seine Rache endete für die Opfer oft mit dem Tod. Daniel Manns 1971 erschienener Tier-Horrorfilm Willard und das ein Jahr darauf erschienene Sequel Ben von Phil Karlson haben nun als Remake zurück ins Kino gefunden, in dem uns Willard als Erwachsener präsentiert wird.


Der Thirtysomething Willard lebt mit seiner todkranken Mutter allein im familiären Anwesen. Er ist Angestelter in der Firma seines verstorbenen Vaters, in der der neue Chef Mr. Martin ihn loszuwerden versucht. Willard ist dessen Atacken hilflos ausgeliefert und auch die Mutter verhöhnt ihn wegen seiner Schwäche und weil er immer noch keine Frau gefunden hat. Da entdeckt Willards eines Nachts eine weiße Ratte im Keller seines Hauses, die er als einen lang gesuchten Freund zu sich aufnimmt und Socrates tauft. Bald muss er feststellen, dass diese Ratte nicht die einzige war, die sich im Keller eingenistet hat. Zuerst hunderte, dann tausende der Nager bevölkern das gesamte Haus. Angeführt werden sie von der fast hundgroßen Ratte Ben. Auf eigenartige Weise gehorchen die Ratten Willards Befehlen. Er füttert sie und kümmert sich um sie und nutzt ihre Folgsamkeit aus, sich wenigstens kleine Genugtuung gegenüber Mr. Martin zu verschaffen. Einzig Ben widersetzt sich den Wünschen Willards und es deutet sich an, dass zwischen beiden ein Konflikt über die Anführerschaft des Rattenheeres entsteht. Als Willards Mutter stirbt – Ben scheint daran nicht ganz unschuldig zu sein – ergreift Mr. Martin die Gelegenheit, Willard aus der Firma zu entlassen und ihm das Haus wegzunehmen. Zudem tötet Mr. Martin Willards einzigen Freund Socrates. In seiner Verzweiflung bedient sich Willard des Rattenheeres, um seinen Ex-Chef ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Doch nach der Tat nimmt auch die Feindseeligkeit Bens bedrohliche Züge für Willard an.

Willard ist solide inszeniertes Horror-Kino. Das Ambiente, die Erzählung, der Hauptdarsteller: Alles passt hervorragend zusammen. Besonders Crispin Glover in der Rolle des Mauerblümchens Willard überzeugt mit seiner Darstellung – vor allem in der Wandlung vom Schwächling zum Rächer. Der Film schenkt sein Augenmerk schon fast liebevoll den kleinen Details, die das Leben seines Protagonisten und das seiner Ratten bestimmen. Mit Akribie zeichnet Regisseur Glen Morgan das Entstehen der Freundschaft zwischen Socrates und Willard nach. Leider bleiben bei der Konzentration auf diesen erzählerischen Kern die Nebenfiguren und ihre Beziehungen zu Willard etwas blas: Die Mutter ist zu sehr „alte, gebrechliche, bösartige Frau“, die neue Arbeitskollegin Willards, die sich offensichtlich zu dem Eigenbrödler hingezogen fühlt, erhält kaum die Chance sich Willard zu nähern und so bleibt beider Beziehung im Ansatz stecken und der Chef, Mr. Martin, ist von vornherein zu sehr als Archetypus des bösen, zu beseitigenden Gegners Willards inszeniert.

Doch die Holzschnittartigkeit der Nebenfiguren kann dem Film nur wenig schaden. Dazu ist das Faszinosum der Ratten zu präsent und wird dem Zuschauer auch als eigentlicher Erzählgegenstand präsentiert. Und hier haben Spezial-Effekte und Tier-Dressur ganze Arbeit geleistet. Fast balettartige Szenen zeigt Willard in der Präsentation seiner kleinen Nager. Gekonnt geschnitten wird das Werk der Ratten inszeniert, vom Einladen der Tierchen in die Arbeitstaschen Willards über das Aussenden mit dem Befehl „Tear it up!“ bis zum fast spurlosen Rückzug. Dabei gibt sich der Film durchaus nicht immer Ernst. Als Willard von seiner Kollegin Cathryn eine Katze geschenkt bekommt, um nach dem Tod der Mutter nicht ganz allein im Haus zu sein, ahnt man bereits, was folgen wird. Die Katze, von Willard einfach ins Haus und damit in ihr Verderben entlassen, muss einen wahrhaft grotesk-akrobatischen Überlebenskampf vollführen, an dessen Ende sie natürlich der Übermacht der Ratten erliegt.

Willard ist nicht der erste und nicht der letzte Film, der das zwiespältige Verhältnis zwischen Ratten und Menschen ins Horrorgenre transkribiert. Sicherlich ist er aber eine gelungene Hommage an seine beiden Vorläuferfilme und deren zeitgemäße Aufarbeitung. Hautpfigur und Rattenarmee haben ihren ganz beonderen Reiz, so dass selbst kleine Handlungsbrüche (etwa die Frage, warum sich Willard der Armee entledigen will, nachdem Mr. Martin getötet wurde) nicht so schwer ins Gewicht fallen. Willard besticht durch die Zeitlosigkeit seiner Erzählung und stellt ein besonderes Filmerlebnis gegenüber der Massenware des zeitgenössischen Horrorfilms dar.

Willard
(USA 2003)
Regie: Glen Morgan; Buch: Glen Morgan nach der Vorlage von Gilbert Ralston
Kamera: Robert McLachlan, Musik: Shirley Walker, Tierdressur: David Allsberry
Darsteller: Crispin Glover, R. Lee Ermey, Laura Elena Harring, Jackie Burroughs u. a.
Verleih: New Line Cinema, Länge: 100 Minuten

Stefan Höltgen


Eine qualitativ hervorragende DVD ist seit Anfang Februar in den Videotheken und im Handel beziehbar. Neben exzellenter Bild- und Tonqualität besticht sie durch großzügig bemessenes Zusatzmaterial. Diese Einschätzung beruht auf einer Sichtung der Leih-DVD.

* Technische Details:

• Sprachen: Deutsch (Dolby Digital 5.1) Englisch (Dolby Digital 5.1)
• Untertitel: Deutsch, Englisch
• Bildformat: 2.35:1
• Dolby, Surround Sound, PAL
• Laufzeit: 96 Minuten

* Zusatzmaterial:

• Audiokommentar
• Dokumentationen
• Music Video
• Nicht verwendete Szenen
• TV Spot
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Thomas Groh

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