Bankman

Es ist ja nichts Neues mehr: Die Welt ächzt unter der Wirtschafts- und Finanzkrise, einst als krisensicher geltende Unternehmen brauchen staatliche Unterstützung, um weitermachen zu können, oder gehen pleite, und Millionenvermögen schrumpfen so schnell zusammen, wie sie einst angewachsen waren. Die Präsidentschaftswahl in den USA war nicht weniger als die Suche nach dem Helden, der das gelobte Land retten kann. Doch wer nimmt in Europa das Heft in die Hand?

Vielleicht ist es Largo Winch (Tomer Sisley), Adoptivsohn und damit rechtmäßiger Erbe des Tycoons Nerio Winch, seines Zeichens Kopf eines der mächtigsten Wirtschaftsunternehmen der Welt. Als Nerio ermordet wird und die feindliche Übernahme seines Imperiums droht, wird auch das Geheimnis um den bis dato unbekannten Erben gelüftet. Largo, ein individualistischer Abenteurer, hat mit der Finanzwelt zwar nichts zu tun, aber hat von seinem Vater trotzdem alles mit auf den Weg bekommen, was er braucht. Und seine Identität beweist er sehr konsequent nicht mit einem Ausweis, sondern mit einem Aktienpaket. „Only a man like you can afford it to despise money“, sagt eine Frau fast bewundernd zu Largo und bringt dessen Wesen damit auf den Punkt: Largo Winch kann in der Finanzwelt deshalb triumphieren, weil er keinerlei Bindung zu Geld hat, aber nach einem intakten Moralsystem handelt.

„Largo Winch: Tödliches Erbe“, die Verfilmung einer Graphic Novel von Philippe Francq und Jean Van Hamme, orientiert sich visuell und strukturell an den Bondfilmen, schickt seinen Helden von Brasilien nach Hongkong und Kroatien und sonnt sich in glatten, edlen Bildern gläserner Skyscraper, luxuriöser Autos und schöner Frauen. Gleichzeitig wird sein Protagonist jedoch geradezu mythisch aufgeladen: Der schweigsame Junge mit den melancholisch blickenden dunklen Augen wird von seinem Vater minutiös auf die kommende Aufgabe vorbereitet, die seine einzige Bestimmung ist. Bis zum Tod des Vaters ist Largo ein Phantom, ein Mann ohne Vergangenheit. Ein Schulterblatt-Tattoo, das er sich zu Beginn in Brasilien stechen lässt, soll ihn unverwundbar machen, der Beweis seiner Identität als Erbe liegt in einem verlassenen Kloster auf einer kroatischen Insel. Es ist dieser Zusammenprall des Unvereinbaren aus dem „Largo Winch: Tödliches Erbe“ seinen Reiz bezieht. Doch eine emotionale Bindung zum Geschehen stellt sich kaum ein: Zu distanziert, zu desinteressiert ist der Protagonist, als dass man ihm das Bedürfnis, den Vater zu rächen, abnehmen würde. Und wer hat schon mit einem Millionenerben Mitleid? Diese Frage stellt „Largo Winch: Tödliches Erbe“ ganz explizit und ist sich somit seines Dilemmas vollkommen bewusst. Vielleicht braucht es das bereits angekündigte Sequel, um klarzumachen, wozu wir diesen Largo Winch brauchen. Noch ist nicht klar, welcher Impuls von ihm ausgehen soll. Aber es besteht durchaus noch Hoffnung.

Dieser Text ist zuerst erscheinen in Splatting Image Nr. 79 (September 2009).

Largo Winch: Tödliches Erbe
(Largo Winch, Frankreich 2008)
Regie: Jérôme Salle; Drehbuch: Jérôme Salle, Julien Rappeneau; Musik: Alexandre Desplat; Kamera: Denis Rouden; Schnitt: Richard Marizy
Darsteller: Tomer Sisley, Kristin Scott Thomas, Miki Manojlovic, Mélanie Thierry, Gilbert Melki
Länge: 108 Minuten
Verleih: Sunfilm

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