Familienmonster

Als ein sympathische und etwas trottelige Waffen-Verkäufer am Ende eines Familienausfluges ein Monster mit dem Auto überfährt und dessen vermeintlichen Kadaver dann mit nach Hause nimmt, ändert sich alles für ihn und sein soziales Umfeld. Aus diesem Story-Gerüst ließe sich so ziemlich jeder Steven-Spielberg-Familienplot der 1970er- und -80er-Jahre konstruieren. Der hier gemeinte Bigfoot und die Hendersons“ ist jedoch nicht von Spielberg, sondern vom TV-Regisseur William Dear – und diese Herkunft merkt man dem Film an.

Die Geschichte entwickelt sich nämlich wie der Pilotfilm einer Serie (die ab 1991 dann auch wirklich ins Fernsehen kam): Das Monster ist gar nicht tot. Einmal in die Zivilisation verbracht, stellt sich schnell als missverstandene Kreatur heraus. In Wahrheit steckt hinter dem unzivilisierten Zottelwesen ein riesiger tierliebender Vegetarier, der allenfalls mit der aggressiven menschlichen Spezies auf – zugegeben: großem – Kriegsfuß steht. Doch mit der Familie Henderson freundet er sich bald an und gewinnt sie als Beschützer. Denn sobald im Städtchen bekannt wird, dass ein Bigfoot sein Unwesen treibt, greift der Durchschnittsamerikaner zur Waffe und es findet eine regelrechte Großwildjagt statt.

Das lässt Familienoberhaupt George genügend Raum zur Entwicklung: War er zunächst im Geschäft des Vaters mit dem Verkauf von Gewehren und Pistolen beschäftigt, so kündigt er, nachdem gerade er beauftragt wird, ein gefährlich aussehendes Werbe-Plakat mit Bigfoot drauf zu zeichnen. Und auch zwei vergrämte alte Bigfoot-Jäger dürfen ihr Image ändern: Der kauzige Dr. Wrightwood, dessen Forscherbiografie ein jähes Ende fand, als er im Wald einen Big-Foot-Abdruck fand und er von seinen Anthropologen-Kollegen nicht mehr ernst genommen wurde, betreibt nun ein Bigfoot-Museum und wird von George und dann natürlich dem Monster aus der Reserve gelockt. Selbiges passiert dem kanadischen Großwild-Jäger Jacques LaFleur, der seinen Job an den Nagel gehängt hatte, um manisch nach dem Bigfoot zu suchen. Am Ende muss auch er lernen, dass er einem Phantom nachgejagt ist: Bigfoot ist kein menschenfressendes Ungetüm, das man jagen und töten darf, sondern ein Waldmensch mit Familiensinn.

Der Terror der Heteronormativität – hier gespiegelt am Monster und der Wandlung seiner Widersacher – ist Grundthema vieler familiengerechter fantastischer Filme – bei weitem nicht nur der 1980er-Jahre. Hier tritt er jedoch oft in seiner reinsten Form auf. Das Monster wird zum Katalysator der Verwandlung übellauniger und soziopathischer Zeitgenossen in Gutmenschen. Es vermag sogar – E. T. hat es vorgeführt – kaputte Familien zu einen und – wie in Camerons „Aliens“ – kinderlose, bewaffnete Feministinnen zu Mutterinstinkten zu verhelfen. „Bigfoot und die Hendersons“ in einem anderen Zusammenhang wahrzunehmen, fällt sehr schwer.

Das liegt vor allem daran, dass der Film so sehr nach Schablone gefertigt ist, dass er zwischen seinen episodenhaften Erzähleinheiten kaum Platz für alternative Ansätze lässt. Schuld ist vor allem das Skript William Dears und seiner Kollegen, die nach einer gut getimten Einführung in die Thematik keine Zeit verlieren wollten, den Zuschauer mit komischen Monster-Standard-Situationen zu konfrontieren. Vor allem das zweite Drittel des Films leidet sehr unter diesem Miss-Tempo, denn man glaubt es dem geläuterten George, seiner auf einmal gar nicht mehr hysterischen Ehefrau und der ebenfalls nicht mehr so sehr angewiderten Tochter nicht so recht, dass sie den riesigen, Möbel zertrümmernden Stinker auf einmal lieb haben. Das jüngste Familienmitglied, der etwa 8-jährige Sohn, muss hier als Beleg dienen, denn ihm wird schnell eine innige Freundschaft zum Bigfoot angedichtet. Das alles ist zu sehr funktionalisiert auf das Finale hin konstruiert, denn Bigfoot braucht schließlich Beschützer, die es ernst mit ihm meinen und schwache Menschen, die er beschützen darf.

So verwundert es nicht, dass der Film 22 Jahre lang ein Schatten-Dasein geführt hat, bis er nun endlich in Deutschland im Low-Price-Segment auf DVD erhältlich ist. In der Riege anderer Family-Fantasy-Movies macht er sich jedoch gut und ist nett anzusehen vor allem wegen der rührigen Monster-Effekte. Der über 2 Meter große Peter Kevin Hall, der als Monster schon ein Jahr zuvor für Kaufman und Lloyd den „Überfall im Wandschrank“ durchführen durfte und im „Bigfoot“-Jahr dann auch noch einmal als Predator im gleichnamigen Film gegen Arnold Schwarzenegger antrat, absolviert sein Körperspiel exzellent. Unterstützt wird er von einer ausgeklügelten Gesichts-Animatronik, die dem Bigfoot zumeist entschuldigenden, oft traurigen, selten aggressiven Ausdruck verleiht. So muss man das Monster trotz aller Klischees doch mögen.

Bigfoot und die Hendersons
(Harry and the Hendersons, USA 1987)
Regie: William Dear; Buch: William Dear, Bill Martin, Ezra Rappaport; Musik: Bruce Broughton; Kamera: Allen Daviau, George Koblasa; Schnitt: Donn Cambern
Darsteller: John Lithgow, Melinda Dillon, Margaret Langrick, Joshua Rudoy, Kevin Peter Hall, Don Ameche u. a.
Länge: 106 Minuten
Verleih: MIG Filmgroup

Die DVD von MIG

Die Präsentation des Films in Bild und Ton ist ordentlich und die Ausstattung der DVD erfreulich vielfältig.

Bild: 1,85:1 (16:9 anamorph)
Ton: Englisch (DD 5.1), Deutsch (DD 2.0)
Untertitel: Deutsch
Extras: Wendecover, Making of, Featurette, Trailer, Audiokommentar, Bildergalerie
FSK: ab 6 Jahren
Preis: 12,45 Euro

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