Die Schönheit des Schweigens

Mann und Frau setzen sich wortlos an einen Tisch. Er schenkt zuerst ihr, dann sich selbst ein Schälchen Tee ein. Beide gleichzeitig setzen sie an und trinken. Ihre Gesichter bleiben dabei ausdruckslos, ihre Körper bewegen sich nicht. Unter dem Tisch schiebt sich ihr linker Fuß langsam nach rechts, ihre Zehen berühren seine. Mit der selben Ausdruckslosigkeit schaut er sie nun an und sie schaut zurück – beider Züge bekommen etwas Engelhaftes. An diesem Punkt zeigen sie sich, dass sie einander gesucht und gefunden haben. Sicherlich einer der zärtlichsten Momente der Filmgeschichte, die Kim Ki-duk uns hier in „Bin-jip“ präsentiert.

Die Geschichte der beiden beginnt getrennt voneinander: Er fährt mit seinem Motorrad von Ort zu Ort und klebt Werbezettel an die Türen, genauer: über die Türschlösser von Wohnungen und Häusern. Dort, wo er sie später zurück gekehrt immer noch vorfindet, bricht er ein, um für ein paar Stunden in den fremden Wohnungen zu leben. Er stiehlt nichts, sondern reinigt als Gegenleistung die Wäsche und repariert kaputte Geräte. Sie lernt er bei einem solchen Einbruch kennen – zunächst ohne sie zu bemerken. Ihr Ehemann hat sie geschlagen, nicht zum ersten Mal. Der Einbrecher und die Frau entdecken einander und er befreit sie aus der Beziehung. In der Folge ziehen sie gemeinsam, wortlos, einander ergänzend und stützend umher. Als beide in einer Wohnung einen toten alten Mann finden und von der Polizei verhaftet werden, trennen sich ihre Wege: Er muss ins Gefängnis, sie zurück in ihre Ehe. Doch er bereitet sich minutiös auf den Tag seiner Entlassung und seine Zukunft mit ihr vor.

Es gibt Filme, denen nimmt man etwas wesentliches, wenn man versucht zu beschreiben, was in ihnen gezeigt wird. „Bin-jip“ ist so ein Film, denn seine Erzählung ergibt sich nicht, wie das oben geschriebene zunächst vielleicht vermuten lässt, aus seinem Plot. Die Bilder sind es, die die Geschichte erzählen, die die Bezüge entwickeln und die eine Liebesgeschichte vor Augen führen, die mit Liebesschwüren einen derartig große emotionale Tiefe gar nicht erreichen könnte. Kim Ki-duk ist jedoch – nicht erst seit „Bin-jip“ in der Lage, die Emotionalität in Bilder zu gießen. Seine Filme sind gekennzeichnet durch langsame Bewegungen, vielsagende Großaufnahmen von Körpern, vor allem Gesichtern und einen beredten Schnitt. Weil er oft fast vollständig auf Worte verzichtet und stattdessen die Körper in den Situationen sprechen lässt, ist sein Kino „internationaler“ als das vieler anderer asiatischer Regisseure.

In „Bin-jip“ gelingt es Kim Ki-duk, den Bilck seiner Zuschauer an das Geschehen und vor allem an den Bewegungsrhythmus seiner Protagonisten zu fesseln. Als der Mann im Gefängnis lernt sich unsichtbar zu machen, ist daher auch weniger Magie im Spiel als eine Konsequenz, eine auf die Spitze getriebene Ästhetik der Inszenierung von Bewegung. Zusammen mit dem Mann ist es unser ebenfalls zum Tanz gewordener Blick, der nicht von heimlicher Beobachtung, aber viel von einem Wunsch dabei und zusammen zu sein hat, der mit dem Mann in die Wohnung der Frau zurückkehrt. Dort leben wir nun wir unbemerkt vom Ehemann und können dieser perfekten, sprachlosen Liebe schauend und schweigend beiwohnen.

Bin-jip
(Süd Korea/Japan 2004)
Regie & Buch: Kim Ki-duk Kamera: Seong-back Jang & Jang Seong-Back; Musik: Slvian; Schnitt: Kim Ki-duk
Darsteller: Seung-yeon Lee, Hee Jae, Hyuk-ho Kwon, Jin-mo Ju, Jeong-ho Choi
Länge: 88 Minuten
Verleih: Pandora

Die DVD von Pandora

Pandora Filmverleih präsentiert Kims Film in der deutschen und koreanischen Sprachfassung mit optionalen deutschen Untertiteln. Als Zusatzmaterial wurde der DVD ein Interview mit dem Regisseur, Ausschnitte von der Preisverleihung in Venedig und Aufnahmen von den Dreharbeiten beigefügt. Ton- und Bildqualität überzeugen.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

  • Bild: 16:9 (anamorph)
  • Ton: deutsch (DD 5.1), koreanisch (DD 2.0)
  • Untertitel: deutsch (optional)
  • Bonusmaterial:
    Interview mit Kim Ki-duk
    Ausschnitte von den Dreharbeiten
    Preisverleihung in Venedig
    Trailer
  • Veröffentlichung: 18.08.2006
  • Preis: 15,95 Euro

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