Geschwärzt

Es ist erfreulich zu sehen, dass sich einige Regisseure, die in den 1960er und 1970er Jahren mit Genrefilmen zu Ruhm gelangt sind, dieser Tage mit aktuellen, zeitkritischen Filmen zurückmelden. Nach George A. Romeros hochinteressantem Neueintrag ins Zombie-Subgenre mit „Diary of the Dead“, folgt nun Brian de Palma, der vor allem durch seine Thriller- und Kriminalstoffe berühmt geworden ist, die viel zu oft fälschlicherweise als bloßes Epigonenkino abgetan wurden. Beide Regisseure haben sich mit ihren neuen Filmen den derzeitigen medialen Umbrüchen gewidmet. In „Redacted“ geht de Palma jedoch einen Schritt weiter als Romero, der Web-Filmformate wie die Flash-Movies auf YouTube in seine bereits bestehende Medienkritik implementiert hat. De Palma erzählt seine Kriegs-Mockumentary selbst aus der Perspektive „autonomer“ Filmverfahren und verschwindet damit – scheinbar – als subjektiver Erzähler.

„Redacted“ dokumentiert die Geschichte einer handvoll US-amerikanischer Soldaten, die damit beauftragt sind, einen Straßen-Checkpoint in zu betreiben, um dort potenzielle Feinde und Terroristen ausfindig zu machen. Zumeist ist ihr Alltag durch Langeweile und Routine bestimmt. Angel Salazar (Izzy Diaz), einer der US-Soldaten, der nach seiner Heimkehr Dokumentarfilmer werden will, erstellt mit seiner Digicam ein Portrait der Truppe, das vor allem diese Langeweile dokumentiert. Als eines Tages irrtümlich eine schwangere Frau erschossen wird, deren Bruder sie mit Wehen so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen wollte und dabei den Checkpoint durchfährt ohne zu stoppen, zeigt sich, dass aller Frieden im Krieg trügerisch ist. Moralische Zweifel am eigenen Handeln werden zwar wach, jedoch durch die lapidare Feststellung, dass der Krieg nun einmal so sein, fortgewischt. Auch die Verhaftung eines, wie sich später herausstellt, unschuldigen Familienvaters, der nachts bei einer Razzia aus seinem Haus geschleppt wird, verstehen die Soldaten als Routineaufgabe. Doch zwei von Ihnen, Reno Flake (Patrick Carrol) und B. B. Rush (Daniel S. Sherman), beschließen einige Zeit später in das Haus zurückzukehren, weil ihnen dort die 15-jährige Tochter des Mannes aufgefallen ist. Sie planen sie zu vergewaltigen. Nach einer heftigen Kontroverse machen sich die Soldaten gemeinsam auf, einige, um die Vergewaltigung zu verhindern, andere, um daran teilzunehmen. Salazar dokumentiert das Verbrechen.

Nach „Die Verdammten des Krieges“ (1989) führt Brian de Palma in „Redacted“ erneut US-Soldaten in einer „selbstgeschaffenen Ausnahmesituation“ vor. Hier jedoch greift er einen authentischen Fall, der als das „Massaker von Mahmudija“ bekannt geworden ist, auf, um damit einerseits Position gegen den Irak-Krieg zu ergreifen, andererseits aber auch die mediale Verarbeitung dieser von Beginn an sehr durch die Berichterstattung stilisierten Invasion auf den Irak kritisch zu reflektieren. „Redacted“ nutzt die unterschiedlichsten Formate, um seine Geschichte zu erzählen: Die Aufnahmen Salazars, TV-Nachrichten, Überwachungskamera-Bilder, YouTube-Clips, Bilder eines künstlerisch ambitionierten französischen Dokumentarfilms über die Checkpoint-Truppe usw. Der Effekt dieses medialen Pastiche ist zunächst einmal ein gesteigerter Eindruck von Authentizität: Der „Wahrheit“ des Falles lässt sich aus multi-perspektivischer Sicht (durch den Formatwechsel wird ja auch ein beständiger Produzentenwechsel suggeriert) wesentlich besser annähern als in einem womöglich narrativ oder stilistisch gefärbten Dokumentar- oder Spielfilm – könnte man meinen.

Doch der Effekt, den „Redacted“ hat, ist der, den viele allzu sehr auf ihr Oberflächenspiel konzentrierte Filme (man nehme hier beispielsweise Oliver Stones „Natural Born Killers“) besitzen: Er stumpft ab gegenüber dem Inhalt: Das ungeheuerliche Verbrechen, das der Filmplot in seinem Kern berichtet, wird durch die experimentelle Inszenierung auf Distanz gehalten – ein de-authentisierender Effekt tritt also ein. Es ist jedoch die Frage, ob es de Palmas Film denn überhaupt um diesen Plot geht. Als versierter Erzähler wird der Regisseur und Drehbuchautor des Films antizipiert haben, wie sich die Inszenierung auf die Story auswirkt und er hätte sicherlich gewusst, wie man eine solche Geschichte erzählen muss, um größtmögliche Empathie beim Zuschauer zu produzieren. In „Redacted“ geht es jedoch um das Gegenteil. Ganz gleich, wie kritisch sich einige der Formate, die de Palma in den Film implementiert, auch zum Kriegsgeschehen im Irak verhalten, sie führen stets dazu, dass dieses Geschehen nicht nahe genug an den Betrachter herankommt, um wirkliche Beteiligung auszulösen; damit wird der Krieg zu einem statistischen Ereingnis in der Auswertungskette der Medienlandschaft. Dass dieses „mediale Kriegsereignis“ zudem auch noch, trotz seiner Pluriperspektivität, subjektiv gefiltert ist, darauf bezieht sich der Titel des Films. Denn „Redacted“ ist zwar eigentlich eine Kennzeichnung für vom Militär zensierte Berichterstattung, hier jedoch greift sie über die bloße Zensur hinaus und wird zu einer Kritik an der Möglichkeit des Berichtens aus den Untiefen der menschlichen Zivilisation überhaupt.

Redacted
Regie & Buch: Brian de Palma; Kamera: Jonathon Cliff; Schnitt: Bill Pankow
Darsteller: Zahra Zubaidi, Happy Anderson, Patrick Carroll, Rob Devaney, Izzy Diaz, Mike Figueroa u. a.
Länge: 90 Minuten
Verleih: Kinowelt

Die Blu-ray-Disc von Kinowelt

Bei einem Film, der vorgibt eine Amateur-Aufnahme zu sein, lässt sich die Bildqualität schwer beurteilen. Unter dieser Prämisse betrachtet, ist die Blu-ray-Disc von „Redacted“ als gelungen zu bezeichnen. Dort, wo Archiv-Material zwischen die Aufnahmen der Soldaten montiert ist, zeigt sich die Kontrastschärfe und Farbbrillanz deutlich. Dem Ziel des Films, Authentizität zu suggerieren, ist die deutsche Synchrontonspur natürlich abträglich. Die Disc enthält aber natürlich auch eine Originaltonspur und Untertitel. Wie um das Projekt von „Redacted“ zu unterstreichen, hat man den Extras Interviews mit Irak-Kriegsflüchtlingen beigefügt.

Die Ausstattung der Blu-ray-Disc im Einzelnen:

Bild: 1,78:1, 1080p/24p
Ton: Deutsch, Englisch (5.1 DTS-HD)
Untertitel: Deutsch
Extras: Interview mit Brian de Palma, Interviews mit Flüchtlingen, Hinter den Kulissen, Trailer
FSK: keine Jugendfreigabe
Veröffentlichung: 16.12.2008 (Verleih), 06.02.2009 (Verkauf)
Preis: 23,99 Euro

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