Gefühlswelten

Mit Ching Siu-Tungs „A Chinese Ghost Story“ wurde der Hongkong-Film 1987 in Deutschland auch über die Grenzen gammliger Bahnhofskinos hinaus bekannt, auf dessen Räumlichkeiten er in den Siebzigerjahren mit deren Martial-Arts-Boom meist beschränkt war. Hongkong-Kino wurde assoziiert mit Martial-Arts-Schund, selten jedoch mit künstlerisch Hochwertigem. Die Meisterleistungen der New Wave des Hongkong-Kinos blieben durch diese Fehleinschätzung leider völlig unbeachtet. Erst Ching Siu-Tungs Fantasy- und Liebesfilm – eigentlich weitaus weniger originell und bahnbrechend als man das in Europa aufgrund des jahrelangen Tiefschlafs empfand – änderte dies und machte den Weg frei für die überschwängliche Rezeption auch des Feuilletons, die wenig später seinen Regiekollegen John Woo, Tsui Hark oder Ringo Lam zuteil werden sollte. Ein weiterer Regisseur, der von diesem Popularitätsschub profitierte, war Ronnie Yu, der mit dem nun auf DVD vorliegenden Film „Das unbesiegbare Schwert“ – oder „The Bride with white Hair“ unter dem der Film international bekannt wurde – einen berühmten Nachzieher zu Ching Siu-Tungs Erfolgsfilm vorlegte.

bride.jpg„Das unbesiegbare Schwert“ erzählt die Geschichte von Yi Hang (Leslie Cheung), einem begnadeten Schwertkämpfer, der seit seiner Kindheit auf der Suche nach seiner großen Liebe ist, einem Mädchen, das ihn einst im Wald vor einem Rudel Wölfe gerettet hatte. Und tatsächlich begegnet er ihr nun Jahre später endlich wieder, doch leider sind die Vorzeichen für die sich anbahnenden Liebsgeschichte alles andere als günstig: Seine Angebetete (Brigitte Lin) steht als Killerin im Dienste eines bösen siamesischen Zwillingspärchens (Francis Ng und Elaine Lui), die mit ihrem Kult Angst und Schrecken verbreiten. Ausgerechnet Yi Hang soll nun seinen Clan in die Schlacht gegen die Armee der Bösewichter und damit auch gegen seine große Liebe führen …

Eigentlicher Star des Films sind die atemberaubenden Studiosettings, die anders als bei den Filmen der Shaw Brothers nicht mehr dem Naturalismus verpflichtet sind, sondern ganz klar im Expressionismus verwurzelt sind. Der Nachthimmel glüht in Neonrot, bizarre Eisfelsen erstrecken sich vor blassgrünem Hintergrund, kaum ein Bild, das nicht in grellen Farben ausgeleuchtet wäre und seine Künstlichkeit gleich mit kommunizierte. Dazu passen die Aktionen der Protagonisten, die wie entfesselt durchs Bild fliegen, sich in Liebe entflammt unter Wasserfällen in Flussläufen räkeln oder auch schon mal so böse sind, dass sich dies in grotesken Entstellungen ihres Körpers niederschlägt. In diesen Gefühlsausbrüchen und -auswüchsen spiegelt sich nicht zuletzt die Flucht aus dem von starren Ritualen und uralten Traditionen geprägten Alltag Chinas. Gegen diese wehren sich die Protagonisten Woos in ihren Schießereien, die die Gesetze der Physik und Plausibilität außer Kraft setzen, und die des Fantasyfilms durch ihre Flugaktionen und über die Grenzen des Üblichen hinausgehenden Liebesbeziehungen zum Feind oder zu Dämonen und Geistern. Der Körper ist aber immer ambivalent: Er ist sowohl Belastung und Hindernis, das Medium, über das sich gesellschaftliche Repressalien überhaupt erst vermitteln und in dem sie sich konkretisieren, aber gleichzeitig das Mittel, das die Möglichkeit zum Ausbruch bereithält. Das erklärt, warum der Körper immer wieder so überaus brutal in Mitleidenschaft gezogen wird (in „Das unbesiegbare Schwert“ werden Menschen enthauptet und gevierteilt): als Mittel der Repression, um den Menschen und seinen Drang nach Freiheit endgültig zu bannen, oder aber als letztes Mittel der Transgression, um die Seele zu befreien. In der Vernichtung geben sich die rivalisierenden Kräfte letztlich die Hand. Das ist die Crux des rebellischen Hongkong-Helden: Am Ende wird er umso heftiger auf die Gesellschaft zurückgeworfen. Seine Flucht ist immer nur von kurzer Dauer, das wahre Refugium findet er in seinen Gefühls- und Erinnerungswelten, in denen Liebe Grenzen sprengend und Freundschaft ewig ist. Oder im Tod.

So auch in Ronnie Yus „Das unbesiegbare Schwert“: Die Liebe kann die Grenzen der Rivalität nur kurzzeitig überschreiten, das Misstrauen, die Einredungen der Gesellschaft zerstören sie schließlich. Yi Hang ist am Ende wieder ebenso allein wie seine große Liebe, die zu halten er nicht mutig genug war. Als Beweis für die transgressive Kraft der Liebe bleiben nur seine Erinnerung und die weiß gewordene Haarpracht seiner Geliebten: das Zeichen seines Verrats an ihrer Liebe.

Das unbesiegbare Schwert
(Bai fa mo nu zhuan, Hongkong 1993)
Regie: Ronnie Yu, Drehbuch: Kei To Lam, Ronnie Yu, David Wu, Kamera: Peter Pau, Musik: Richard Yuen, Schnitt: David Wu
Darsteller: Leslie Cheung, Brigitte Lin, Francis Ng, Elaine Lui, Kit Ying Lam
Länge: 85 Minuten
Verleih: Splendid

Zur DVD von Splendid

Unter dem Asien-Unterlabel Amasia veröffentlicht Splendid den Film in einer auf 300 Stück limitierten „Limited Gold Edition“ im Metallschuber. Die Bildqualität ist gut, leider aber nicht von der Brillanz, die man sich für diesen Film gewünscht hätte: In einigen Szenen wirken die Farben blass, das Bild ist zudem leicht rauschig. Trotzdem ist die Qualität zufriedenstellend. Als Extra finden sich ein Making-of sowie eine Trailershow auf der DVD.

Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 2,35:1
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Kantonesisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Extras: Making-of, Trailershow
Länge: ca. 85 Minuten
Freigabe: ab 18
Preis: 17,89 Euro

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