»Let’s create Memories«

Es müsste der Verlockung, Menschen ins Meer zu werfen, um daraus dann eine spannende Filmerzählung zu konstruieren, endlich einmal widerstanden werden. Doch sie scheint zu groß, bietet eine solche Situation doch eine (alp)traumhafte Möglichkeit Konflikte zu beschreiben, den Kampf des Menschen gegen die Übermacht der Natur zu inszenieren und dem Reiz eines natürlichen minimalistischen Settings nachzugeben, dass die ersten beiden Möglichkeiten noch zu unterstreichen scheint. Schon im vergangenen Jahr hat der Film „Open Water“ gezeigt, dass gerade diese Konstellation mit ihrem „Weniger“ viel mehr vom Filmemacher verlangt, als es auf den ersten Blick scheint. „Open Water“ ist nicht nur an seinem schlechten Drehbuch und der klischeebeladenen Charakterentwicklung gescheitert, sondern letztlich auch an seinem eigenen Anspruch: „Dieser Film basiert auf einer wahren Begebenheit“, kündigte er an und warf damit selbst die Frage nach der (unmöglichen) Zeugenschaft für eine solche Geschichte auf.

ow2.jpgIn „Adrift – Open Water 2“, der gar nicht als Sequel geplant war, sondern erst vom Verleih als solches deklariert wurde, ist die Frage der Zeugenschaft geklärt. Dieses mal sind es sieben Personen, die durch eigenes Verschulden in Seenot geraten: Von einer Yacht mitten auf dem Ozean springen sie für eine Schwimmrunde ins Meer – vergessen dabei aber eine Leiter auszufahren, die ihnen die Rückkehr an Bord ermöglicht. Das ist umso tragischer als der siebte Passagier ein Säugling ist, dessen Weinen schon bald an den Nerven der Eltern zerrt. Diese haben darüber hinaus genug Stress mit der Situation, in der sie sich befinden. Es passieren Unfälle und entstehen Konflikte und schon nach kurzer Zeit ist die Menge der Schiffbrüchigen auf drei Personen geschrumpft von denen eine sich dann vornimmt an Land zu schwimmen um Hilfe zu holen. Als ein Sturm aufkommt, stellt sich schließlich die rettende Idee ein.

„Adrift“ ist ein über weite Strecken spannender und unangenehmer Film. Anders als „Open Water“ braucht er weder plötzlich erscheinende Haie noch ausführliche Rückblenden, um seine Erzählung zu forcieren. Der völlig irrational handelnde Kapitän der Yacht ist es, der den Plot ständig mit frischen Unwägbarkeiten versorgt und die Situation immer wieder aufs neue verschärft. Auf diesen besinnt sich der Film leider aber zu oft und so werden die Handlungen der im Wasser schwimmenden Personen immer unwahrscheinlicher, die eigentlich offensichtlichen Rettungsmöglichkeiten bleiben zugunsten von Streitereien ungenutzt. Nun könnte man einwenden, dass der Film das ja genau richtig macht: Der Zuschauer soll den Thriller dadurch erleben, dass er sich die Frage stellt: „Wie würde ich es machen?“ und dass er die allzu offensichtlichen Antworten im Gegensatz zu den Protagonisten sofort erkennt. Dieses Prinzip ist jedoch schnell ausgereizt, denn die Figuren scheinen gar nicht an der Lösung des Problems interessiert zu sein. Die zaghaften Versuche zurück aufs Boot zu kommen werden schon bald den Konflikten in der Gruppe geopfert.

„Adrift“ ist so zwar ein unterhaltsamer Film geworden, er reizt sein Potenzial aber ebenso wie „Open Water“ nicht aus. Das liegt – hier kann man es einmal mit Sicherheit sagen – vor allem an der schlechten Figurenzeichnung. Anstelle glaubwürdige Persönlichkeiten mit echten Konflikten zu entwerfen, wird die Gruppe gleich zu Beginn der Stresssituation in „Typen“ aufgetrennt, die alle das Ihre zum Gelingen der Katastrophe beizutragen haben. Das fängt bei der Hysterischen an, geht über die Kämpferin und endet beim Lebenslügner, der in der Situation Läuterung und Selbsteinsicht erlangt. Vielleicht ist es aber gar nicht die Schuld von „Adrift“, wie es vielleicht schon nicht die Schuld von „Open Water“ war, dass die Erzählungen nicht das zu bieten imstande sind, was sie von Beginn an versprechen. Vielleicht ist das offene Meer einfach gar kein geeignetes Setting für einen Film; andererseits: John Sturges („The old man and the Sea“) und Alfred Hitchcock („Liveboat“) haben es ja auch bezwungen …

Open Water 2
(Adrift, Deutschland 2006)
Regie: Hand Horn; Buch: Adam Kreutner; Musik: Gerd Baumann; Kamera: Bernhard Jasper; Schnitt: Christian Lonk
Darsteller: Susan May Pratt, Richard Speight Jr., Niklaus Lange, Ali Hillis, Cameron Richardson, Eric Dane u.a.
Länge: 95 Minuten
Verleih: Universum

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