Am Rande einer Universitätsstadt lebt die alte Mrs. Pringle (Elizabeth Davis) mit ihrem etwas debilen Sohn Rodney (Chris Martell). Sie betreiben ein Perückengeschäft, das bekannt für seine hochwertigen Menschenhaarperücken ist. Mit ihnen „lebt“ die ausgestopfte Wildkatze Napoleon, die von der netten alten Lady stets in die Gespräche miteinbezogen wird. Im Haus ist nun angeblich ein Zimmer frei und für das interessieren sich Studentinnen. Doch das Vermietungsangebot ist nur ein Vorwand, um die jungen Mädchen in das Haus zu locken, in dem Rodney sie dann skalpiert und so das Angebot des Perückengeschäfts erweitert. Zwar werden immer mehr Mädchen vermisst, doch die hat Polizei keinerlei Anhaltspunkte. Als sich die ungewöhnlich engagierte und neugierige Studentin Kathy Baker (Gretchen Wells), eine Freundin zweier Vermisster, für den Fall zu interessieren beginnt, kommt das Geheimnis des Whig-Shops ans Tageslicht.
In keinem anderen seiner Gore-Filme inszeniert Lewis’ die Langeweile so doppelbödig wie in The Gruesome Twosome. Das beginnt schon mit dem Prolog im Schaufenster: Zwei Perückenköpfe unterhalten sich und versuchen sich gegenseitig mit Belanglosigkeiten zu übertrumpfen. Sie machen keinen Hehl daraus, dass sie Ergebnisse eines Verbrechens sind – der Film entbirgt seine Rätsel dem Zuschauer also von Beginn an. Ein anderer Aspekt Langeweile offenbart sich in der schon fast apathischen Sorglosigkeit der jugendlichen Studenten. Niemand von Kathys Freunden interessiert sich für irgend etwas außer dem eigenen Spaß: Strandspiele, Kino und Liebe. Als Kathy erste detektivische Bemühungen an den Tag legt, wird sie von allen belächelt. Viel zu anstrengend und sinnlos ist es, der Polizei ihren Job abnehmen zu wollen.
Diese Sorglosigkeit, die gleichzeitig auch die Ziellosigkeit der Jugendlichen verdeutlichen soll, baut Lewis geschickt in etliche Aspekte seines Films ein. Als sich etwa vier der Freunde im Autokino einen Film ansehen, ist dies auf die Spitze getriebener Nonsense, in welchem ein Pärchen nicht zueinander finden kann, weil er die ganze Zeit isst, trinkt und rülpst, während sie zwischen Verzweiflung und Hingebung seine Liebe sucht. Den zuschauenden Kids macht dies kaum etwas aus, denn sie sind mit Küssen und Petting beschäftigt. Nur Kathy nimmt die existenzielle Leere der Filmhandlung zum Anlass über ihre Generation zu grübeln … und verdirbt den anderen damit die Laune.
Auf der anderen Seite steht die ältere Generation, vertreten durch Mrs. Pringle und ihren Sohn. Diese sind vor allem charakterisiert durch ihren über Leichen gehenden Geschäftssinn und eine Form der Kommunikation, die mehr monologisch ist als alles andere: Die alte Frau Pringle unterhält sich zumeist mit der ausgestopften Katze und ihr Sohn kommuniziert mit der Axt (einen blutigen Dialog mit seinen Mädchen-Opfern). In der einzigen Szene, in der beide beieinander sind, sagt Rodney irgendwelche auswendig gelernten Artigkeiten auf, damit seine Mutter ihm das Rapunzel-Märchen erzählt.
Lewis orientiert sich bei der Charakterisierung dieser Kleinstfamilie recht deutlich am Motiv-Komplex von Hitchcocks Psycho: Der Fable für’s Ausstopfen, die Ermordung junger Frauen auf Befehl der Mutter und der subtil kannibalistische Diskurs (wohin verschwinden die Leichen? – fragt man sich angesichts einen kauenden Norman Bates ebenso, wie eines lebersezierenden Rodney, der angeblich für den ausgestopften Napoleon das Abendessen viviseziert). Die psychotische Kleinfamilie Pringle steht also insgesamt für einen totalen Verwertungsmechanismus.
Die Zusammenführung beider Diskurse im Finale des Films, die gleichsam Generationskonflikt und Überlebenskampf ist, verläuft, wie so oft bei Lewis zu Gunsten der Jugend. Kathy als positives Modell einer selbstbewusst werdenden Jugend (der Film von 1967 nimmt gesellschaftliche Wandlungsprozesse ziemlich sensibel wahr) gelingt es schließlich, das Rätsel der verschwindenden Teenies zu lösen und die Alte und ihren Sohn in die Heilanstalt zu verfrachten. Das Schlussbild des Films bildet abermals das Schaufenster des Perückenladens mit nunmehr ungeschminkten, haarlosen, toten Perückenköpfen, die nichts mehr zu sagen haben.
The Gruesome Twosome
(USA 1967)
Regie. Herschell Gordon Lewis
Buch: Allison Louise Downe, Musik: Larry Wellington, Kamera: Roy Collodi, Schnitt: George Regas
Darsteller: Elizabeth Davis, Gretchen Wells, Chris Martell, Rodney Bedell, Ronnie Cass u.a.
Länge: 72 Minuten
Verleih: cmv
Die DVD von cmv
Die DVD aus der Lewis-Reihe von cmv gehört zu den qualitativ besten Veröffentlichungen. Weder sind Bildstörungen noch Ton-Dropouts vorhanden. Auch die Verständlichkeit der Sprache ist deutlich besser als bei anderen Filmen der Reihe (mit zwei oder drei eigenartigen Abweichungen in der Räumlichkeit von Szenen). Interessant ist hier wieder einmal der Zusatzfilm, ein quasi aufklärerischer Anti-Syphilis-Film namens Sex Madness (USA 1938) in zwar bedenklicher Bild- und Tonqualität aber von extrem hohem Unterhaltungswert. Ansonsten gehört die Ausstattung dieser Lewis-DVD eher dem spartanischen Bereich an.
Die Ausstattung im Einzelnen:
# Bild: 1:1,33 (PAL)
# Ton: Englisch (DD 2.0) mit dt. und holl. UT, Audiokommentar
# Bonus: bildergalerie, Trailershow, Zusatzfilm „Sex Madness“
# Länge: 72 Minuten (Zusatzfilm: 52 Minuten)
Stefan Höltgen

