Soldaten sind auch nur Mörder

Die Selbstreflexion von Genrekonventionen beschleunigt sich zusehends. Vor allem Horror- und Terrorfilm haben in den letzten Jahren kaum noch Zeit, neue Ideen weiterzuentwickeln bevor sie selbst zum Inhalt einer Idee werden. Der zum Ende des letzen und zu Beginn dieses Jahres reüssierende so genannte Torture-Porn (HOSTEL, THE HILLS HAVE EYES, SAW II), der seine Protagonisten der handfesten Zivilisationskritik auf vielfältige Weisen durch barbarische Horden ausgesetzt hatte, erfährt nun nach besonders kurzer Halbwertszeit in „Severance“ seine Transzendierung.
sev1.jpgDie Fronten in Christoper Smiths Film sind dabei so klar gesteckt wie immer im Genre: Auf der einen Seite eine Busladung voll britischer PR-Strategen, die sich während einer Woche in einer abgelegenen Waldhütte in der Verlassenheit Russlands (?) mit neuen „Taschacka“-Teamwork-Energien versorgen wollen; auf der anderen Seite eine Gruppe den Wald beherrschender retardierter russischer Elitesoldaten, die aus Spaß und aus Rache an der Zivilisation töten. Dass die fast ausschließlich mit sich selbst und ihrer Selbstdarstellung beschäftigten Manager zufällig auch noch aus einer der Welt größten Waffenindustrien stammen, verbindet beide Gruppen miteinander, denn das Folter- und Tötungswerkzeug der Killersoldaten stammt aus just jener Schmiede der Manager. Und so wird die Gruppe, die sich aus versehen nicht in ihrer Teamwork-Hütte sondern in der Zentrale der Soldaten einquartiert, nach und nach dezimiert und quasi von ihrem zynischen PR-Ballast befreit.

„Severance“ geht dabei gleich auf zwei Arten hintergründig vor: Zum einen desavouiert der die künstliche Gruppenidentität der Manager, indem er schnell klarmacht, dass der Zusammenhalt ein Kompromiss ist: Diejenigen, die der Gruppe durch ihre Einstellung gar nicht wirklich angehören, werden von den Soldaten auch als erste ermordet; überleben können nur diejenigen, die hinter der Fassade des Selbstfindungstrips wirklich zueinander gefunden haben. Auf der anderen Seite ist natürlich der unglaublich zynische Aspekt der Waffenindustrie ein gefundenes tertium comparationis zwischen Mördern und Opfern. Ist das Ziel des Wochenendausfluges doch eigentlich, eine noch bessere PR für eben jene Produkte zu entwickeln, die jährlich weltweit Millionen Menschen das Leben kostet. Die Killer haben sozusagen einen moralisch „guten Grund“ gerade diese Opfer zu beseitigen und damit – rein utilitaristisch gesehen – das Leid in der Welt zu verringern. Insofern hält sich der Film auch kaum mit Statements wie „Friedensstifter“ oder „Terrorismusabwehr“ zurück, wenn es um die Darstellung des Firmenethos geht.

sev3.jpgnszenatorisch hat „Severance“ sein Thema jedoch bereits zu Beginn „eingeholt“ und nimmt sich seiner auf sarkastische Weise an. Schon die erste Einstellung, in der ein Mann vor einem der Soldaten durch den Wald flüchtet, gegen einen Baum rennt und die Kamera ihn damit aus dem Blick verliert und zurückfahren muss, um sein Bild wieder aufzunehmen, zeigt, dass der Zuschauerblick die Regeln des Genres längst verinnerlicht hat. Auf diese Art persifliert der Film – vor allem in pointiert-ironisierenden Montagen – sein Sujet und seine Struktur immer wieder erfolgreich und schafft es selbst die grausamsten Mord- und Folterbilder der Lächerlichkeit preiszugeben. Und dass nach „Hostel“ abermals der ehemalige Ostblock als das El Dorado für Amoralitäten dargestellt wird, darf als nicht minder augenzwinkernd verstanden werden – zumal in „Hostel“ wie in „Severance“ der der „Anlass“ der Amoralität in der Dekadenz des Westens selbst zu suchen ist.

Christopher Smiths Film wird – allein schon wegen der in ihm dargestellten Gewaltakte – sicherlich ebenso kontrovers aufgenommen werden wie andere Filme des Genres. Ihm vorzuwerfen, er ginge mit seinen Bildern affirmativ um und missbrauche sie als Basis für einen Funsplatter-Film wäre jedoch zu kurz gegriffen. „Severance“ integriert durch seine entlarvende Optik nämlich selbst diese Vorwürfe in sein Sujet und damit eigentlich einen Schlusspunkt hinter das Genre.

Sverence
(D/UK 2006)
Regie: Christpher Smith, Buch: Christopher Smith & James Moran, Musik: Christian Henson, Kamera: Ed Wild, Schnitt: Stuart Gazzard
Darsteller: Danny Dyer, Laura Harris, Tim McInnerny, Toby Stephens, Claudie Blakley, Andy Nyman
Länge: 90 Minuten
Verleih: Splendid

Die DVD von Splendid

Splendid bringt „Severance“ als Doppel-DVD heraus. Neben der Film-DVD mit deutschem und englischem Ton sowie mehreren Audiokommentaren auf der ersten DVD enthält die zweite Scheibe 100 Minuten Zusatzmaterial. Dieses besteht zum großen Teil aus Material, das während der Produktion am Drehort gefilmt wurde, Beteiligte vorstellt und einen Blick hinter die Szenen wirft.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 16:9 (1,78:1)
Ton: deutsch (DD 5.1), englisch (DD 5.1)
Untertitel: deutsch
Extras: Behind the Scenes, Outtakes, Deleted Scenes, Der Busunfall, Severance entsteht, Special Effects?, Der Fasan, Frankish Danny, Dyer Special, Kampftraining mit Danny Dyer, Making-of, Alternatives Ende (Storyboard), Nadia und Olga, Storyboard Animation, Der Flug
FSK: keine Jugendfreigabe
Preis: 14,95 Euro

Diese DVD bei Amazon kaufen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.