Sündenblock

Clive Barkers „Bücher des Blutes“ haben nun schon 20 Jahre auf dem Buckel, sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden und haben auch schon einige Male als Vorlage für Filme gedient. Von ihrer horriblen Faszination haben sie seit ihrem ersten Erscheinen nichts verloren – sie gelten immer noch als die Trendwende der Horrorliteratur, weil sie die Motivinventare der Cyberpunk-Literatur, der Post-Gothic-Novel a la H. P. Lovecraft und des Splatterfilms auf originelle Weise miteinander kombiniert haben. Selbst den Fließbandschreiber Stephen King hat das Erscheinen der „Books of Blood“ seinerzeit den Kommentar abgenötigt: „Ich habe die Zukunft des Horrors gesehen.“ – Eine Zukunft an deren Ausgestaltung er selbst sich aber lieber nicht beteiligen wollte. Bei der Rezeption der „Books“ ist allerdings selten deren zusammenhängender Charakter thematisiert worden. Die über 30 Kurzgeschichten unterschiedlichster Provenienz teilen sich nämlich einen gemeinsamen Ursprung, der in der ersten, einleitungsartigen Erzählung formuliert wird. Diese Einleitung ist nun selbst filmisch adaptiert worden.

book-of-bloodEs ist eine Geistergeschichte, die „Books of Blood“ erzählt. Ein „Haunted House“, in dem es bereits mehrere seltsame und grausame Todesfälle gegeben hat, wird zum Forschungsort für die Parapsychologin Mary Florescu. Zusammen mit ihrem Assistenten gewinnt sie einen jungen Mann, Simon McNeal, der von sich behauptet, ein Medium zu sein, für ein Experiment. Er soll in jenem Zimmer des Hauses eine zeitlang leben und die Stimmen der Geister, die sich dort regelmäßig zeigen, einfangen. Und tatsächlich passiert es auch bereits einige Nächte später, dass nach großem Gepolter und Geschrei alle Wände vollgeschrieben sind und der junge Mann verletzt und benommen in der Zimmermitte aufgefunden wird. Das Experiment scheint also ein Erfolg zu sein, bis mary herausfindet, dass Simon offenbar einen groß angelegten Fake inszeniert, dessen Opfer sie selbst und ihre Forschung ist. Dumm ist daran allerdings zweierlei: Zum Einen hat sich die Frau in den wesentlich jüngeren Studenten verliebt, zum anderen spukt es in dem Haus wirklich und wie schon bei den Vorbewohnern finden es die Geister gar nicht lustig, wenn man sich über ihr Schicksal in solcher Form lustig macht.

Die beiden zentralen Motive des Films, das verfluchte Haus und die Rache der Geister, sind vielleicht die basalen Erzählparadigmen des Gruselfilms und finden sich in zigfacher Variation in der internationale Filmgeschichte des Genres wieder. Und auch das Motiv des beschrifteten Körpers, in den die Schuld eingeritzt wird, ist nicht zuletzt bereits aus Franz Kafkas Erzählung „In der Strafkolonie“ bekannt. Es ist aber – wie oben geschrieben – eben nicht das Neue des Inhaltes, dass Clive Barkers Erzählungen ausmacht, sondern vor allem seine Form. Und gerade diese ist auf grandiose Weise in Harrisons Film übertragen worden. Zeigen sich darin zunächst recht filmgeschichtlich recht traditionell anmutende Geisterbilder, so findet sie gerade für das zentrale Erzählmoment des Films – dass es Geisterstraßen gibt, die sich an bestimmten Stellen kreuzen und dort in unsere Welt hineinreichen – schon beinahe ungeheuere, erhabene Bilder. Mann muss natürlich auf diese Warten, denn sie bilden wie in Barkers Text die Pointe der Erzählung, doch fällt das nicht besonders schwer, denn auch die „konventionelleren“ Teile des Films können sich sehen lassen. Der Grusel, der sich Großteils bei Tageslicht abspielt, erhält im Film eine ganze besondere Note dadurch, dass er sich zu jener Ruhe, die über allen Szenen liegt, in Kontrast setzt. Der langsame Erzählrhythmus und die ruhige Kamera verhelfen „Book of Blood“ zu einem ganz seltsamen Charakter.

Natürlich konnte das Drehbuch die prinzipielle Offenheit der Kurzgeschichte nicht übernehmen – der Film wäre sonst ohne Schluss geblieben und als Anfang einer ganzen Reihe von Nachfolgern dahergekommen. Doch die Rahmenhandlung und das Ende, die Harrison für die Geschichte gefunden hat, bleibt trotzdem prinzipiell so „offen“, dass „Book of Blood“ Anschlussmöglichkeiten böte. Die sich in Barkers erstem „Buch des Blutes“ daran anschließende Erzählung „Schweineblut-Blues“ würde originalgetreu umgesetzt zumindest hierzulande wegen der darin enthaltenen Gewalt wohl kaum jemand zu Gesicht bekommen.

Book of Blood
(UK 2008)
Regie & Buch: John Harrison; Musik: Guy Farley; Kamera: Philip Robertson; Schnitt: Harry B. Miller III
Darsteller: Jonas Armstrong, Sophie Ward, Paul Blair, Romana Abercromby, Simon Bamford u. a.
Länge: 90 Minuten
Verleih: n. n.

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: Splatting Image

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