Von hinten durch die Brust ins Auge

Zyklisch wiederholt sich beinahe in jedem Jahrzehnt das Ansinnen, dem Film dadurch mehr Realitätsanschein zu verschaffen, dass man ihn aus seiner scheinbaren Zweidimensionalität heraus in die dritte Dimension zerrt und den Zuschauerraum dabei zu einem Teil des Filmraums macht. Vor allem der Horrorfilm ist immer wieder Versuchsfeld für 3D-Produktionen gewesen. Angefangen mit André de Toths „House of Wax“ (USA 1953) über etliche Sequels und Remakes in den 80er-Jahren (worunter aber auch so originelle Filme wie Paul Morriseys „Flesh for Frankenstein“ aus dem Jahre 1973 waren) bis hin zu neuesten Produktionen, wie dem jüngst erschienenen Re-Make von George Mihalkas Slasher-Klassiker „My Bloody Valentine“ (Kanada 1981). Der Film, der jetzt in die Kinos gekommen ist, hat dem Titel einfach ein „3D“ angehängt, die Optik noch einmal auf den Geschmack des noch jungen 21. Jahrhunderts angepasst und natürlich etliche Dreidimensionalitäten ins Bild gemischt.

valentineDie Story ist freilich dieselbe recht eindimensionale geblieben: Ein Grubenarbeiter dreht durch, nachdem es eine Verpuffung unter Tage gegeben hat. Zunächst versaut er dem Krankenhaus, in das er eingeliefert wird, die Mortalitätsstatistik, um dann loszuziehen und am titelgebenden 14. Februar Blumen aus Fleisch und Blut zu verteilen. Er kann in der Mine gestellt werden, es bleibt aber unklar, ob er tot ist. Nach zehn Jahren (im Original waren es noch zwanzig – die Latenz- und Refraktärphasen werden also kürzer) kehrt das Grauen zurück an seinen Ursprungsort. Und zwar just in dem Moment als ein vormals ausgewanderter Überlebender des Massakers wieder in die Stadt kommt. Was läge da näher, als ihn zu verdächtigen, denkt sich der Sheriff, zumal er glaubt, dass der Heimkehrer seiner jetzigen Frau schöne Augen macht. Doch der Sheriff ist selbst nicht treu. Das große Herzensbrechen & in Pappschachteln verschicken kann also beginnen.

„My Bloody Valentine 3D“ erscheint in Deutschland in zwei Fassungen im Kino – einer drei- und einer zweidimensionalen. Wo erstere ihr Potenzial eindeutig aus ihren Schauwerten bezieht, ständig Projektile, Äxte und Körperteile auf den Zuschauer zurasen, besticht zweitere durch ihre sprichwörtliche Plattheit. Wird man als Zuschauer nämlich vom Bild auf den „Text“ abgelenkt, offenbart der Film seine markanten Schwächen. Nur mühsam gestaltete Figuren, die ein Beziehungsdrama spielen sollen, das eindeutig als unwichtiger Hintergrund für den dreidimensionalen Terror abgetan wird. Die Geschichte um den Killer, wer es ist oder auch nicht ist, zaubert ein Kaninchen nach dem anderen aus dem Hut, so dass man zwar zum Mitraten angeregt wird, aber doch besser wartet, bis der Film sein Geheimnis lüftet. Einzig eine Sequenz besticht: Als in einer Nebenhandlung eine Frau (gespielt von Betsy Rue, die bislang vereinzelt in TV-Serien zu sehen war) beim Geschlechtsverkehr von ihrem Liebhaber gefilmt wird und dies hinterher mitbekommt, verfolgt sie den Mann splitternackt bis zu seinem Auto, um ihm die Videokassette abzunehmen. In derselben Aufmachung wird sie dann vom Killer verfolgt und liefert sich einen Kampf bis – ja – bis auf die Haut. Die Darstellung in völliger Blöße ist derartig gelungen, dass man sich angesichts des Schauspiels beinahe schämt, die Augen den nackten Körper der Frau hinabwandern zu lassen.

Vielmehr hat der Film jedoch nicht zu bieten. Ein Potpourri an derben Splatter-Effekten, die man allzu schon häufig gesehen hat – nur eben noch nicht so „nah“. Dass diese zum eigentlichen Spektakel und Existenzgrund des Remakes erhoben werden – daraus macht „My Bloody Valentine 3D“ keinen Hehl. Der Film ist vielmehr als Testlauf dafür zu sehen, wie sich die Kosten für neue Horrorfilme zu Lasten der Dramaturgie für ein augenscheinliches „Mehr“ an Schauwerten nach unten rechnen lassen. Derzeit laufen auch in einigen anderen Genres – vor allem im Animationsfilm –3D-Spektakel in den Kinos an. Wir dürfen – mit durchaus gemischten Gefühlen – gespannt sein, was da in welchen Genres in Kürze noch so „auf uns zu kommt“.

My Bloody Valentine 3D
(USA 2009)
Regie: Patrick Lussier; Buch: Todd Farmer & Zane Smith; Musik: Michael Wandmacher; Kamera: Brian Pearson; Schnitt: Cynthia Ludwig & Patrick Lussier
Darsteller: Jensen Ackles, Jaime King, Kerr Smith, Betsy Rue, Edi Gathegi, Tom Atkins, Kevin Tighe u. a.
Verleih: Kinowelt
Länge: 101 Minuten

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: Splatting Image

Die DVDs von Kinowelt

Kinowelt veröffentlicht „My Bloody Valentine“ zugleich als 2D- und 3D-Version auf DVD. Dies bietet aber leider nicht die Möglichkeit, beide Versionen noch einmal in ihrer Ursprungsfassung miteinander zu vergleichen, denn im Gegensatz zur 3D-Kinoversion ist die DVD-Version nicht in polarisierte Bilder geteilt, sondern muss wieder mit einer anaglyphen (rot-pink-farbenen) Brille angeschaut werden. Die führt natürlich zu Farbverfälschungen. Dafür konnte die Verleih-Version nach einer Prüfung durch die SPIO/JK ungeschnitten in die Videotheken gebracht werden. (Anmerkung: Als Blu-ray-Disc veröffentlicht „Kinowelt“ den Film in 3D einmal gekürzt und einmal ungekürzt. Zudem wird eine mit „FSK 18“ geprüfte Version als Verkaufs-DVD erscheinen.)

Die Ausstattung der DVDs im Einzelnen:

Bild: 2D und 3D: 1,78:1 (anamorph)
Ton: Deutsch (5.1 Dolby Digital, Stereo Dolby Digital), Englisch Stereo Dolby Digital
Untertitel: Deutsch
Extras: Audiokommentar mit Patrick Lussier und Todd Farmer; Making of; Featurette „Sex, Blood & Screams“; Geschnittene und erweitere Szenen; Alternatives Ende; Pannen; Easter Egg; TV-Spots; Fotogalerie; Trailer; Wendecover
FSK: keine (SPIO/JK: strafrechtlich unbedenklich)
Start: 06.10.2009

Eine Antwort auf „Von hinten durch die Brust ins Auge“

  1. Wie wirkt denn nun der 3-D Effekt auf dem heimischen Fernseher/Monitor? Mal abgesehen von der Farbverfremdung. Ich habe bisher nur einen 3D-Film zuhause gesehen, das war Spy Kids 3D, und da musste man schon viel guten Willen aufbringen, um überhaupt etwas räumliches auszumachen. Funktioniert das bei den neueren Film besser oder immer noch das gleiche unbefriedigende Ergebnis?

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